Wechat, das Tor zu chinesischen Konsumenten: Wege zu einem Official Account
Für deutsche Firmen und Marketing-Professionals, die chinesische Zielgruppen erreichen wollen, ist Wechat keine Zukunftsmusik mehr, sondern bereits Pflicht. Und auch Tencent, der Konzern hinter Wechat, hat die Potenziale in Europa erkannt.
Rund 700 Millionen der knapp 1,4 Milliarden Chinesen besitzen einen Mobilfunkvertrag. 938 Millionen Menschen weltweit nutzen Wechat. Man kann also davon ausgehen, dass jeder Chinese mit einem Smartphone die App von Tencent installiert hat und diese auch regelmäßig nutzt: Laut einer Umfrage von Tencent Penguin Research verbringen 44 Prozent der Nutzer über 4 Stunden am Tag mit Wechat.
Die Beliebtheit von Wechat liegt nicht zuletzt an ihren umfassenden und alltagspraktischen Funktionen, mit deren Hilfe man beispielsweise ein Taxi bestellen oder eine Tischrechnung paritätisch unter den Gästen aufteilen kann. Sie ermöglicht es auch, Dienstleistungen anderer Unternehmen zu integrieren, was Wechat zu einer überaus gefragten Marketing- und Vertriebsplattform macht.
Anfang des Jahres gab es bereits über 12 Millionen „Wechat Official Accounts“ – für Unternehmen und offizielle Institutionen – und die Nachfrage wächst weiter. Doch Vorsicht: Ein Wechat Official Account ist nicht gleich einem Wechat Official Account. Einerseits gibt es verschiedene Account-Typen, andererseits existieren verschiedene Wege, diese Accounts zu eröffnen.
Der „chinesische Weg“ zum Wechat-Account
Bis April 2017 hing die Eröffnung eines offiziellen Accounts von der Frage ab: Verfügt das anmeldende Unternehmen über eine chinesische Geschäftslizenz oder nicht? Denn nur mit ihr – sei es in Form einer chinesischen Niederlassung oder Firmenbeteiligung – war der so genannte „chinesische Weg“ zum offiziellen Wechat-Account geebnet.
Der „chinesischen Weg“ bietet die Wahl zwischen zwei Account-Typen: einem Subscription Account (订阅号 – ding yue hao) oder einem Service Account (服务号 – fu wu hao).
Je nachdem, wie man Wechat einsetzen möchte, bieten die beiden Account-Typen unterschiedliche Vorteile. Vereinfacht lässt sich sagen: Wer zuerst mit Content Marketing bei Wechat starten möchte, um Follower aufzubauen, sollte einen Subscription Account wählen. Über ihn kann man seinen Followern einmal am Tag eine Massennachricht, ähnlich eines Newsletters, zukommen lassen. Auf diese Weise sorgt man für regelmäßige Aufmerksamkeit.
Wer seinen Account hingegen als erweitertes Vertriebstool nutzen und zusätzliche Funktionen anbieten möchte, ist mit einem Service Account richtig beraten. Er bietet zum Beispiel die Möglichkeiten, ein Customer-Relationship-Management (CRM) anzuschließen und den Verkauf direkt über einen Wechat-Shop abzuwickeln. Auch, wer das Bezahlsystem Wechat Pay in einem Ladengeschäft anbieten möchte, sollte direkt einen Service Account wählen.
Der Nachteil ist, dass man über einen Service Account nur einmal die Woche einen Post absetzen kann. Dafür hat er jedoch eine höhere Sichtbarkeit als der Subscription Account, der in einem Unterordner weniger prominent auf Wechat angezeigt wird.
Die Registrierung eines offiziellen Wechat-Accounts – sei es als Service Account oder Subscription Account – ist im Vergleich zu gängigen westlichen Plattformen sehr aufwändig. In einem mehrstufigen Prozess müssen einige Firmendokumente eingereicht werden. Auch ist es unabdingbar, einen chinesischen Mitarbeiter als Account Operator (rechtlich Verantwortlicher) anzugeben und ein chinesisches Bankkonto zu besitzen. Nach der Eröffnung findet die Verifizierung statt. Bevor der Account genutzt werden kann, gilt es, eine Gebühr von 300 RMB, etwa 50 Euro, zu überweisen.
Der Weg über einen chinesischen Partner
Wer keine chinesische Geschäftslizenz hatte, dem blieb bislang nur eine Alternative: Die Eröffnung über einen chinesischen Partner. Eines sollte hierbei jedoch unbedingt beachtet werden. Der Wechat Official Account gehört dem Geschäftslizenz-Inhaber. Das heißt, wer als deutsche Firma einen Official Account mit der Geschäftslizenz einer Agentur, eines Partners oder einer Drittfirma eröffnet, geht ein gewisses Risiko ein. Denn eine Trennung von diesem Partner kann harte Konsequenzen nach sich ziehen: Sei es, dass der Zugriff auf den Account nicht mehr möglich ist, Kontakte nicht mehr einsehbar sind und das bis dahin investierte (Marketing-)Budget nicht selten in den Sand gesetzt wurde. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Fälle, in denen die Wechat-Investitionen westlicher Firmen auf diese Art verloren wurden.
Der neue „internationale Weg“
Es gab früher bereits einen scheinbar „internationalen Weg“. Mit diesem ließ sich über http://admin.wechat.com ein Wechat Official Account International eröffnen. Doch hatte dieser Weg einen entscheidenden Nachteil, der ihn quasi unbrauchbar für die meisten Einsatz-Szenarien machte: Über den „internationalen Weg“ eröffnete Wechat Official Accounts sind für chinesische Nutzer nicht sichtbar. Wer also gehofft hatte, chinesische Zielgruppen auf einfachem Weg zu erreichen, wurde enttäuscht. Diese englischsprachige Official Account Plattform ist vor allem für Firmen aus Südostasien und Südafrika gedacht und nicht für Unternehmen aus Europa.
Mittlerweile hat Tencent seine Strategie geändert und bietet einen weiteren, „internationalen Weg“ zur Eröffnung eines Service Accounts an. Seit April dieses Jahres können deutsche Unternehmen nun ganz offiziell einen Wechat-Account eröffnen, der auf ihr Unternehmen registriert ist – auch ohne chinesische Geschäftslizenz. Und ab November 2017 wird es hierüber auch möglich sein, in Deutschland chinesischen Kunden Wechat Pay als Zahlungsmittel anzubieten.
Der Grund für den Strategiewandel von Tencent ist so einfach wie klar: Tencent, bereits jetzt der profitabelste Konzern Asiens, möchte seine Werbeformate verstärkt auch westlichen Firmen anbieten. Im Fokus stehen großen Luxusmarken wie Uhrenhersteller und Modelabels, aber auch Handels- und Automotive-Konzerne. Doch auch Duty-Free-Anbieter oder Outlet-Center, die chinesische Touristen auf ihrer Reise nach Europa ansprechen wollen, profitieren von der neuen Regelung ebenso wie Unternehmen, die Produkte per E-Commerce oder Distributoren an Chinesen verkaufen.
Sie alle eint das große Interesse, ihre kaufstarken chinesischen Zielgruppen über Wechat zu erreichen und ihre Produkte zu bewerben. Ihnen kommt Tencent mit seiner neuen Strategie einen großen Schritt entgegen. Egal, ob Kundenansprache, Content Marketing und der Aufbau von Vertriebsstrukturen in Form eine Wechat-Shops – all dies ist nun relativ einfach und vor allem legal machbar.
Für die Umsetzung kooperiert Tencent in Europa mit so genannten Trusted Partner Agenturen. Sie wurden vom den Unternehmen aus Shenzhen ausgewählt, beim Whitelisting zu unterstützen, die Account-Eröffnung abzuwickeln und bei der Planung und Umsetzung von Marketingmaßnahmen zu beraten.
Schritt für Schritt zum offiziellen Service Account (internationaler Weg)
Der erste Schritt ist ein Whitelisting durch Tencent. Dabei wird der gewünschte Accountname, eine Firmenbeschreibung, die Angabe der Branche sowie ein Media-Plan mit einem Mindestbudget von 20.000 Euro benötigt. Dieses Budget dient dazu, eine Startkampagne zu bewerben und dem neuen Account in der Anfangsphase zu initialer Bekanntheit zu verhelfen. Nach dem Whitelisting wird die Account-Registrierung durchgeführt, für die ausgewiesene Firmendokumente und Nachweise benötigt werden. Der Prozess ist mehrstufig und dauert in der Regel vier bis acht Wochen.
Die beschriebenen Wege beziehen sich allesamt auf Firmen-Accounts, also offizielle Wechat-Accounts. Für Privatnutzer besteht die Möglichkeit, einen Blogger Official Account (个人 – ge ren) zu eröffnen. Dieser wurde in der Vergangenheit immer wieder von Firmen als Umgehungsstrategie genutzt. Es ist jedoch davon abzuraten, einen solchen Account über einen Firmenangestellten für Unternehmen zu nutzen. Hierbei ist es nur eine Frage der Zeit, bis Tencent seine Regeln verschärft und dieser kommerziell eingesetzte Account durch Tencent gelöscht werden wird – ähnlich wie bei der Einführung von offiziellen Fanpages von Facebook in der Vergangenheit.
Was ist für wen der beste Weg?
Wechat ist ein wichtiger Baustein für Unternehmen, ihre chinesischen Zielgruppen zu adressieren und ihre Produkte zu bewerben. Aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten sollte die Entscheidung für einen Account gut überdacht sein. Der sicherste Weg ist es, den neuen „internationalen Weg“ zu gehen. Er bietet sich vor allem für Unternehmen an, die über keine eigene Niederlassung in China verfügen, im B2C-Bereich tätig sind oder über E-Commerce ihre Produkte in China verkaufen möchten. Er garantiert, dass die Rechte des Accounts dem Unternehmen gehören und nicht bei einer Agentur oder einem Partner liegen. Das anfänglich zu investierende Marketingbudget von 20.000 Euro erhöht zwar das zu tätigende Investment, trägt aber auch dazu bei, die Aufmerksamkeit zeitnah auf den Firmen-Account zu lenken.
Da die neue, internationale Option erst einmal nur Firmen aus dem B2C-Bereich offensteht und es auch hier derzeit noch Brancheneinschränkungen gibt, bleibt für manche Firmen weiterhin nur der „chinesische Weg“ über eine eigene Niederlassung oder Beteiligung in China, also über die chinesische Geschäftslizenz. Für Unternehmen (B2B und B2C), die in China etabliert sind oder vor Ort produzieren, ist dies ein gangbarer Weg mit relativ wenig Aufwand. Wer über einen chinesischen Partner einen Wechat Official Account eröffnet, sollte mit diesem über eine längere, vertrauenswürdige Zusammenarbeit verfügen sowie die Chancen und Risiken genau abwägen. Abzuraten ist davon, einen Privat-Account für Firmen und kommerzielle Zweck zu nutzen, und sei es nur für die Kommunikation.
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Es ist einfach so faszinierend, wie WeChat und Co bisher einfach gefühlt völlig unbeachtet in Deutschland geblieben sind. Ich bin gespannt, wann wir dazu erste Best Practices von deutschen Unternehmen lesen können!
Ich finde eher faszinierend, wie ein so restriktives System so viele Nutzer halten kann. Ich dachte immer, Apple sei restriktiv, aber das schlägt Wechat ja um Meilen! Bislang habe ich wenig bis nichts mit China zu tun, aber irgendwann muss es kommen, daher schließe ich mich meinem Vorredner an und freue mich auf Best Practices (von t3n) :)