Weltraumarchäologie auf der ISS: Das sind die ersten Ergebnisse

Die Crew der ISS hat im Rahmen eines Forschungsprojekts sechs Bereiche auf der Raumstation fotografiert. Daraus konnten spannende Erkenntnisse abgeleitet werden. (Foto: Dima Zel / Shutterstock)
Grundsätzlich ist die Archäologie eine Wissenschaft, die sich mit der kulturellen Entwicklung der Menschheit beschäftigt und einen Einblick in das Alltagsleben früherer Zivilisationen gibt – und durch ein Projekt auf der Internationalen Raumstation (ISS) nun auch ganz aktuelle Lebenssituationen beleuchtet.
Weltraumarchäologie: Erforschung neuer Lebensräume
Im Gegensatz zur herkömmlichen Vorgehensweise konzentrierte sich die Arbeitsgruppe um Alice Gorman von der australischen Flinders University und Justin Walsh von der kalifornischen Chapman University nicht aus der Tiefe gehobene Artefakte längst vergangener Zeiten, sondern blickte in eine gänzlich andere Richtung: Beim archäologischen Projekt mit dem Namen Sampling Quadrangle Assemblages Research Experiment, oder auch SQuARE, wurden sechs quadratische Bereiche an Bord der Internationalen Raumstation untersucht.
Dabei sollten die Astronaut:innen der ISS über einen Zeitraum von insgesamt 60 Tagen die Nutzung dieser Räume dokumentieren, indem sie die sechs Bereiche in den ersten 30 Tagen des Projekts immer zur selben Zeit und in den folgenden 30 Tagen zu zufälligen ausgewählten Zeitpunkten fotografierten.
Zu den markierten Bereichen gehörten unter anderem ein Wartungsbereich auf der ISS, ein Sammelbereich in der Nähe der Toilette sowie die Trainingsgeräte der Crew.
Ähnlich wie bei einer archäologischen Ausgrabung sollten die Gegenstände, die auf den entstandenen Bildern zu sehen waren, Auskunft über das Nutzungsverhalten und die Bedeutung der Räumlichkeiten geben.
Spannende Erkenntnisse aus dem All
Das Forschungsteam fand bei der Auswertung der Fotos heraus, dass die Bedeutung, die den Räumen zugewiesen wurde, nicht immer mit der tatsächlichen Nutzung übereinstimmte. In ihrer 60-tägigen Untersuchung wurde der Wartungsbereich kaum für Wartungszwecke genutzt und nur geringfügig für wissenschaftliche Zwecke. Sprich: Menschen passen sich an neue Lebensräume an – aber nicht immer so, wie es ursprünglich vorgesehen war.
„Es gibt ein paar wichtige Erkenntnisse. Erstens haben wir gezeigt, dass es möglich ist, gute, produktive Archäologie im Weltraum zu betreiben, selbst wenn die Forscher auf dem Boden bleiben. Zweitens haben wir definitiv gezeigt, dass Orte auf der Raumstation auf unerwartete Weise genutzt werden, was eine sehr menschliche Eigenschaft ist“, so Projektleiter Justin Walsh. Sein Fazit: „Manchmal werden Räume mit einer Bedeutung und einem Etikett versehen, bevor die tatsächliche Nutzung klar wird.“
So wurde zum Beispiel eine bisher unbedeutende leere Wand in der Nähe der Toilette und des Trainingsbereichs der Raumstation von einem Besatzungsmitglied als Ablage für seine Toilettenartikel genutzt, im Essbereich tauchten immer wieder Bücher auf – vermutlich weil einige Astronaut:innen gelegentlich allein aßen und dabei lasen.
Mit diesen Erkenntnissen lässt sich nun beispielsweise das Design des Arbeits- und Lebensraums zukünftiger Raumstationen optimieren. „Wir glauben, dass es wichtig ist zu verstehen, wie Menschen sich an eine Umgebung anpassen, die sich sehr von derjenigen unterscheidet, in der wir Menschen uns entwickelt haben“, resümiert Projektleiter Walsh.
„Auf der ISS entwickeln die großen Raumfahrtnationen gemeinsam Lösungen für die globalen Herausforderungen unserer Gesellschaft“, heißt es auf der Website des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Erschließung neuer Lebensräume könnte eine dieser Herausforderungen sein.
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