Zehnfingersystem: Die völlig unterschätzte Superkraft der letzten Jahrzehnte
Einige derjenigen, die diesen Text lesen, besitzen eine „Superkraft”, über die sie garantiert nie nachdenken. Dabei wurde sie nicht in die Wiege gelegt, sondern häufig in vielen mitunter monotonen Stunden gezielt erworben. Doch danach avancierte diese Fähigkeit schnell zu einer Routine und wurde nicht weiter gewürdigt. Obwohl sie, wenn einmal gelernt, jeden Tag aufs Neue zum Einsatz kommt. Zeit für ein Loblied auf das Zehnfingersystem!
Faszination des schnellen Tippens
Als Teenager brachte ich mir das Tippen auf Tastaturen, ohne auf die Tasten schauen zu müssen, mit Hilfe eines CD-ROM-Kurses innerhalb mehrerer Wochen Selbststudium bei. Inspiriert wurde ich von meiner Mutter. Ich erinnere mich noch, wie ich bereits als Kind fasziniert davon war, ihr beim Schreiben zunächst auf der Schreibmaschine und später am Computer zuzusehen. Wie war es möglich, dass sie gar nicht auf die Tasten schauen musste, und dennoch offensichtlich mehr als komischen Buchstabensalat produzierte?!
Der Gedanke, das auch können zu wollen, reifte in mir nach und nach heran. Nach vielen Jahren der Begeisterung am elterlichen PC, aber noch vor meinem ersten Kontakt mit dem Internet, fasste ich den Entschluss, mir das Zehnfingersystem beizubringen.
Lifehack auch im Jahr 2018
Doch nachdem das erledigt war, dachte ich nie wieder darüber nach. Es gab für mich keine andere Art des Schreibens mehr. Vor einigen Tagen aber stieß ich auf diesen Text, der das Zehnfingersystem als besten Lifehack für das Jahr 2018 bezeichnet, der auf keiner Lifehack-Liste vorkomme. Zum ersten Mal seit den späten 90er-Jahren widmete ich der Fähigkeit wieder einen Gedanken. Und erkannte, wie sie vermutlich mein Leben verändert hat.
Das Zehnfingersystem muss mir in den vergangenen zwei Dekaden mutmaßlich hunderte, wenn nicht tausende Stunden eingespart haben, beziehungsweise meinen Output an Texten sowohl im beruflichen wie auch im privaten Kontext massiv gesteigert haben. Auch wenn Quantität keine Aussage über Qualität zulässt, so ist es doch wahrscheinlich, dass die ein oder andere durch das Zehnfingersystem möglich gewordene Textkreation – den Gesetzen der Chaosforschung folgend – enormen Einfluss auf meine weitere Laufbahn nahm. Wie genau ist spekulativ, auch wenn es Spaß macht, sich unterschiedliche Szenarien auszumalen.
Es steht außer Frage, dass die in das Erlernen des Zehnfingersystems geflossene Zeit angesichts des vergleichsweise geringen Aufwands und der weitreichenden Auswirkungen auf die Produktivität eines der vermutlich besten Investments in die persönliche Entwicklung darstellt, das man seit dem Beginn des Informationszeitalters tätigen konnte.
Zukunft ungewiss
Die Frage ist, wie lange dies noch Gültigkeit haben wird. Das Schreiben auf Smartphones und Tablets, die immer größere Bedeutung von Emojis in der Alltagskommunikation sowie der Trend zur Steuerung digitaler Geräte per Spracheingabe sind einige der Veränderungen, welche die Vorzüge des Zehnfingersystems bedrohen. Mit welcher Dynamik sich diese Entwicklung fortsetzt und ab wann Tastaturen auch im beruflichen Alltag den Rückzug antreten werden, ist offen. Irgendwann passiert es.
Allerdings gilt auch im Jahr 2018 noch: Selbst die eifrigsten Whatsapper und Emoji-Nutzer greifen zur Tastatur und zum PC, wenn sie einen richtig langen und vernünftig strukturierten Text schreiben wollen/müssen. Wer dies kann, ohne dabei auf die Tasten zu schauen, darf sich dafür gerne einmal selbst loben.
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Hier gibt es aus meiner Sicht das beste Tool zum schnell tippen lernen.
https://www.tipp10.com/en/
Viel Spaß :)
Ich lach mich meistens weg, wenn ich Kollegen beim Schreiben beobachte…wenn sie nach dem 1-Finger-Such-System ihren Text verfassen.
Vor allem müssen sie im Regelfall den Text nochmal korrigieren, weil sie zuhauf Rechtschreibfehler eingebaut haben…und länger dauert´s auch….herrlich….
Wobei sich hier über den Begriff „Lifehack“ streiten lässt. Ein „Lifehack“ ist eine Möglichkeit, etwas auf unkonventionelle Art zu erledigen. Tastaturen sind aber dafür vorgesehen, um darauf blind schreiben zu können (Anordnung der Tasten, Kerben auf F und J). Demzufolge wäre das „1-Finger-Such-System“ der eigentliche „Hack“.