So reagieren Zyklus-Startups auf den Apple-Angriff
Eigentlich war es nur eine Randnotiz verglichen mit der knapp zweieinhalbstündigen Produktshow: Zum Auftakt seiner Entwicklerkonferenz in San José hat Apple gestern neben überarbeiteten Betriebssystemen auch eine neue Zyklus-Tracker-Funktion vorgestellt, die künftig auf den Geräten des iKonzerns vorinstalliert ist.
Apple-Geräte bekommen Zyklus-Tracker
Frauen können ihre Regelblutungen somit direkt über die Apple Watch oder das iPhone protokollieren – und zum Beispiel herausfinden, wann die Chance (oder das Risiko) für eine Schwangerschaft besonders hoch ist. „An alle Frauen dort draußen, passt gut auf, denn das ist für euch“, schmetterte Sumbul Desai, Vice President der Apple-Gesundheitssparte, den Zuhörern im Saal entgegen.
Die bedachten die Ankündigung mit kräftigem Beifall, durchaus zurecht: Noch immer werden weltweit Millionen Frauen wegen ihrer Periode stigmatisiert („Period Shaming“), hinzu kommt, dass Smartphones und Computeruhren bisher oft von Männern für Männer entwickelt wurden. Spezielle Softwarefunktionen für Frauen blieben deshalb lange unberücksichtigt. Dass Apple einen Zyklus-Tracker nun werksseitig in seine Geräte integriert, ist also eine gute Nachricht.
„Wir waren nicht überrascht“
Doch wie so oft stehen hinter neu angekündigten Apple-Softwarefunktionen auch Verlierer. In diesem Fall könnte es ausgerechnet jene Gründerinnen treffen, die bereits seit Jahren mit eigenen Zyklus-Apps für das iPhone am Markt sind. Zwar lassen sich diese auch weiterhin nutzen, aber ist eine entsprechende Trackingfunktion wie bei Apple erst mal auf den Geräten vorinstalliert, müssen Nutzer nicht erst im App-Store nach Angeboten suchen. Das beschränkt die Sichtbarkeit der jungen Anbieter erheblich – und damit auf lange Sicht auch die so wichtigen Downloadzahlen.
Damit konfrontiert, zeigen sich die Anbieter jedoch wenig beeindruckt. „Für uns ist das keine große Überraschung. Es ergibt Sinn, dass diese Funktion auch auf der Apple Watch erhältlich ist. Ich freue mich, dass das Thema Frauengesundheit immer mehr diskutiert wird und dass zusätzliche Angebote geschaffen werden“, sagt Lea von Bidder, Gründerin von Ava auf Anfrage von t3n. Die Firma mit Sitz in Zürich bietet seit 2014 eine Zyklus-App in Kombination mit einem speziellen Armband an.
Ihr Geschäft sieht Bidder wegen der Apple-Ankündigung nicht gefährdet. Im Gegenteil: Viele ihrer Kunden würden sogar von einer normalen Zyklus-App auf das Armband von Ava umsteigen, wenn ein Kinderwunsch bestehe. Durch spezielle Sensoren im Armband könnten physiologische Signale im Schlaf erfasst und das fruchtbare Fenster eingegrenzt werden. „Wir erkennen über fünf Tage das fruchtbare Fenster mit fast 90-prozentiger Genauigkeit. Apps hingegen können nur basierend auf der manuellen Eingabe der Menstruation ein Fenster errechnen“, sagt Bidder.
Hoffnung auf mehr Daten
Ähnlich äußert sich auch ihre Konkurrentin Lina Wüller. Die 32-Jährige gründete vor drei Jahren zusammen mit ihrer Schwester das Startup Ovy, das ein vernetztes Basalthermometer mit dazugehöriger Zyklus-App anbietet. Sie erhofft sich durch die Apple Watch sogar neue Erkenntnisse für ihren Service: „Wir hoffen, dass die vorinstallierte Tracker-Funktion uns Zugang zu ganz neuen Daten in Bezug auf den weiblichen Zyklus ermöglicht“, erklärt Wüller gegenüber t3n. Doch Puls- und Herzdaten zum Trotz: „Für eine genaue Berechnung des fruchtbaren Fensters und Tag des Eisprungs ist die Basaltemperatur nötig – also die gemessene Aufwachtemperatur an den Schleimhäuten.“ Die Gründerin erwartet für ihre App deshalb auch keinen Einbruch der Downloadzahlen, die sie auf Nachfrage nicht nennen will.
Mehr Sorgen müsste sich da schon das Berliner Startup Clue machen. Anders als Ava oder Ovy bietet das Unternehmen keine zusätzliche Hardware an, sondern lediglich eine App, die aber immerhin von elf Millionen Menschen genutzt wird. Von Apple sieht sich Clue trotz guter Beziehungen nicht abhängig: „Frauen vertrauen auf den wissenschaftlichen Ansatz, den wir bei der Berechnung ihrer Gesundheitsdaten verfolgen“, sagt Gründerin Ida Tin. Sie verweist hierzu auf die millionenfach aufgerufenen Inhalte auf ihrer Website und die enge Zusammenarbeit mit Forschern an der renommierten Stanford Universität, wo das Startup etwa untersucht, wie sich Verhütung und Lebensstil von Menschen auf die Menstruationszyklen auswirkt.
Das ist es auch, was Ovy-Gründerin Lina Wüller trotz des Apple-Angriffs zuversichtlich stimmt. „Ovy ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und der Algorithmus basiert auf einem wissenschaftlich anerkannten Regelwerk, das sich zur Verhütung eignet“, so Wüller. „Inwieweit Apple in diesen Bereich vordringt, werden wir beobachten.“
Zum Weiterlesen:
- Zyklus-Tracker: Die Vermessung der Frau
- Trackle: Wie es für das Zyklus-Startup nach DHDL weiterging
- iOS 13 enthüllt: Das bringt das große Update
Ich glaube für die Apps die ohne eigene Sensoren arbeiten wird es zumindest bei iOS über kurz oder lang hart werden dauerhaft relevant zu bleiben. Inbesondere wenn es kein angrenzendes Öko-System (z.B. andere Gesundsheitsdaten und -Funktionen gibt).
Die Anbieter die mit eigener Hardware (Temperatur-Sensoren) arbeiten, wie z.B. Trackle, müssen sich denke ich keine all zu großen Sorgen machen, da die Ergebnisse deutlich zuverlässiger sind als die manuell erfassten Datenpunkte. Die einzige Herausforderung wird sein die Überlegenheit der Daten- und Prognosequalität auch gegen den Lifestyle-Faktor der Watch aufrecht zu erhalten. Aber beim Thema Familienplanung bzw. Verhütung hat man da sicherlich gute Argumente. Auch preislich.