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Wie neue Rechnungsbezahlsysteme für mehr Umsatz in Onlineshops sorgen: Die Rechnung bitte!

Vielen Deutschen ist der Einkauf im Internet immer noch suspekt: Die Angst vor unsicherer Datenübertragung und Datenzweckentfremdung stellt so manchem die Nackenhaare auf. Andere schrecken zurück, weil sie bei Onlinebestellungen nicht in Vorkasse treten wollen – sieht man im Zweifelsfall sein Geld jemals wieder? Trotz vieler neuartiger Bezahlsysteme, die alle mit PayPal ihren Anfang genommen haben: Der Deutschen liebstes Zahlungsmittel im Internet ist nach wie vor die Rechnung.

7 Min. Lesezeit
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Bei allen Onlineshops, die den Kauf auf Rechnung anbieten, wird diese Bezahlart überdurchschnittlich stark genutzt. So bezahlen beispielsweise rund 80 Prozent der myToys-Kunden auf Rechnung. Große Onlineshops wie der Brillenhändler Mister Spex wissen warum: „Kunden gehen auf diese Weise kein Risiko ein. Sie können Ware bestellen und müssen erst dann zahlen, wenn sie sich dafür entscheiden, die Ware zu behalten. Wird die Ware zurückgeschickt, fließt überhaupt kein Geld“, erklärt Martina Dier, PR-Managerin bei Mister Spex. Allerdings stehen sich die Interessen von Kunden und Onlinehändlern diesbezüglich diametral entgegen. Kunden wollen zuerst das Produkt, Händler zuerst das Geld. Für Shopbetreiber stellt der Kauf auf Rechnung ein unkalkulierbares Risiko dar. Immer wieder kommt es zu Betrügereien und Zahlungsunfähigkeiten.

Besser spät als nie

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Seit Anfang dieses Jahres etabliert sich in Deutschland nun ein Konzept, das die Bedürfnisse beider Seiten zusammenbringt: Rechnungsbezahlsysteme. Diese bieten Onlinehändlern einen Rechnungsausfallschutz an, das heißt sie springen finanziell in die Bresche, wenn Kunden nicht oder verspätet bezahlen. Um möglichst wenige Ausfälle begleichen zu müssen, überprüfen die Systeme die Zahlungsfähigkeit (Bonität) der Kunden und entscheiden auf dieser Basis, ob der Kunde „rechnungskaufwürdig“ ist oder eben nicht. Für diesen Dienst verlangen sie eine Provision von den Shopbetreibern, die sich am Risiko orientiert (genau genommen handelt es sich nicht um Provisionen, sondern um „Disagi“, deren Wert abhängig ist vom Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt). So wird etwa der Prozentsatz im Gamingbereich für gewöhnlich höher angesetzt als der in anderen, besser einschätzbaren Bereichen.

Die Statistik zeigt den Rückgang an Kaufabbrüchen nach Einführung der jeweiligen Zahlungsmethode. Dass die Rechnung ganz oben steht, zeigt, dass die Möglichkeit, nicht zahlen zu müssen, um das Produkt zu erhalten, vielen gefällt (Quelle: Universität Regensburg, E-Commerce-Leitfaden, S. 126). Die Statistik zeigt den Rückgang an Kaufabbrüchen nach Einführung der jeweiligen Zahlungsmethode. Dass die Rechnung ganz oben steht, zeigt, dass die Möglichkeit, nicht zahlen zu müssen, um das Produkt zu erhalten, vielen gefällt (Quelle: Universität Regensburg, E-Commerce-Leitfaden, S. 126).

Auf diese Weise abgesichert, können Händler risikolos Deutschlands beliebteste Bezahlmethode anbieten – und erhöhen damit ihren Umsatz um schätzungsweise 20 bis 40 Prozent. Doch was hierzulande als Neuheit gilt, existiert in den USA schon seit gut zehn Jahren. Dort operiert der Branchenriese Bill me later und erzielt nach Expertenschätzung eine Milliarde US-Dollar Umsatz pro Jahr. Vor einiger Zeit wurde das Unternehmen in einem spektakulären Exit für 945 Millionen Dollar an Ebay verkauft.

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Ausgelöst durch diese Übernahme hat auch der deutsche Markt Feuer gefangen. Anbieter nach dem Vorbild von Bill me later sprießen seither wie Pilze aus dem Boden. Im Nachhinein sind viele erstaunt, dass das Prinzip in Deutschland, dem Land der „Rechnungsbezahlfetischisten“, erst jetzt adaptiert wird. Dies dürfte zum einen an der komplexen Struktur des Systems, zum anderen an der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre liegen. Denn gerade in Finanzkrisenzeiten stoßen Rechnungsbezahlsysteme empfindlich an ihre Grenzen.

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Die Deutschen misstrauen Shops, die Vorab- oder Kreditkartenzahlungen verlangen. Viel lieber zahlt man hierzulande auf Rechnung. Die Deutschen misstrauen Shops, die Vorab- oder Kreditkartenzahlungen verlangen. Viel lieber zahlt man hierzulande auf Rechnung.

Alles steht und fällt mit dem treffsicheren Kunden-Scoring, also der richtigen Einschätzung, ob ein Kunde bezahlen kann und wird. Je schlechter ein Anbieter das einschätzen kann, desto höher sind die Ausfälle, die er begleichen muss. Da in Finanzkrisenzeiten die Welt Kopf steht und die Zahlungsfähigkeit vieler Kunden plötzlich unkalkulierbar sinkt, steigt das Risiko. Schon ein Prozent mehr Ausfälle können Anbieter gefährden, da sie von relativ geringen Provisionen leben, die meist unter fünf Prozent liegen.

Harter Markt

An der plötzlichen Schwemme deutscher Rechnungsbezahlsysteme zeigt sich, wie sehr man hierzulande auf das Konzept gewartet hat. In nur einem Jahr, so scheint es, müssen die letzten zehn Jahre aufgeholt werden. Am schnellsten war in Deutschland der Bezahlanbieter BillPay. Das Startup kommt aus dem Hause der Samwer-Brüder und ist eine Kopie des amerikanischen Vorbilds Bill me later. Im Anschluss folgten zahlreiche Mitbewerber wie RatePay, Heidelpay, PayProtect, Paymorrow und BillSafe. Mit klarna ist sogar ein schwedischer Anbieter vertreten. Zu den vielversprechendsten Playern zählen aktuell BillPay, RatePay und klarna. Für viel mehr dürfte der Markt längerfristig auch keinen Platz bieten, da sich die geringen Provisionen für die Anbieter nur über die Masse rechnen.

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Problemfall Kreditkäufe

RatePay und klarna setzen einen eigenen Akzent und sind deshalb eher als Adaptionen denn als Klone zu verstehen. RatePay wurde von Founders Link ins Leben gerufen, einer Berliner Schmiede für Onlinegründungen; klarna existiert in Schweden schon seit 2005.

Die Darstellung der Universität Regensburg zeigt den Ablauf bei hausinternen Datencheckanbietern (Quelle: E-Commerce-Leitfaden, S. 185).

Die Darstellung der Universität Regensburg zeigt den Ablauf bei hausinternen Datencheckanbietern (Quelle: E-Commerce-Leitfaden, S. 185).

Im Gegensatz zu den meisten Mitstreitern bieten die beiden nicht nur Rechnungsausfallschutz, sondern auch revolvierende Kredite an. Bisher stößt der Kauf auf Kredit nämlich an juristische Grenzen: Ein Gesetz zur Verhinderung von Geldwäsche verlangt, dass die Identität des Kunden bei größeren Kreditkäufen geprüft wird. Kunden müssen also je nach Unternehmen eine Bank oder Postfiliale aufsuchen oder entsprechende Personen ins Haus lassen. Dieses Verfahren ist nicht nur aufwändig, sondern auch unangenehm, weshalb die Abbruchsquote bei Kreditkäufen signifikant hoch ist. Indem RatePay und klarna das Risiko übernehmen und auf das lästige Identifikationsverfahren verzichten, wird der Kreditkauf für Kunden und Händler wieder attraktiv. Die Umsätze eines Onlineshops, der neben Rechnungskauf auch revolvierende Kredite anbietet, steigen um geschätzte weitere zehn Prozent. Für die treffsichere Einschätzung der Zahlungsfähigkeit sind RatePay und klarna auf die Bonitätsdaten ihrer potenziellen Kunden angewiesen. RatePay erhält diese von EOS, einer Otto-Tochter, mit der das Bezahlsystem kooperiert. E-Commerce-Riesen wie Otto oder auch die Unternehmen der Otto Group analysieren seit vielen Jahren das Kundenzahlungsverhalten, um die Kundeneinschätzung selbst vorzunehmen. Die Analysen werden um gekaufte Daten, zum Beispiel von der Schufa, ergänzt. Mit den gesammelten Erfahrungen und Daten ist EOS somit der perfekte Partner für RatePay.

Teure Echtzeit-Kundenbewertung

Noch besser steht der Anbieter BFS finance da. Der Finanzdienstleister aus dem Hause Bertelsmann bietet ebenfalls seit kurzem Rechnungsausfallschutz an. Der Clou liegt auch hier in einer entscheidenden Kooperation: BFS finance greift auf den hauseigenen Datencheckanbieter Arvarto Infoscore zu und muss Daten somit nicht extern einkaufen. Das große Problem aller Rechnungsbezahlsysteme besteht darin, dass die Echtzeit-Kundenüberprüfung Geld kostet. Informationen über Schufaeinträge oder Ähnliches müssen eingekauft werden. Deshalb werden Kunden auch nicht im Vorfeld überprüft, sondern erst dann, wenn sie sich für den Kauf auf Rechnung oder Kredit entschieden haben. Erweist sich die Zahlungsfähigkeit als fragwürdig, kommt der kritische Teil: Der Anbieter muss den Kauf auf Rechnung verweigern. Dies ist in Bezug auf Kundenzufriedenheit zwar ein äußerst ungünstiges, jedoch unumgängliches Unterfangen. Indem BFS finance auf einen hausinternen Datencheckanbieter zugreift, kann das Unternehmen Kunden prophylaktisch überprüfen, also bevor diese sich für eine Bezahlart entschieden haben. Ist die Bonität eines Kunden nicht gewährleistet, wird ihm die entsprechende Bezahlart gar nicht erst angeboten – frei nach dem Motto „Was der Kunde nicht weiß, macht ihn nicht heiß.“

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Fazit und Ausblick

Die Entwicklungen des letzten Jahres zeigen, dass das Thema „Rechnungsbezahlsysteme“ noch viel Potenzial birgt. Es trifft den Nerv eines Landes, das sich in besonderer Weise dem Rechnungskauf verschrieben hat. Aktuell wird das Konzept sogar in den Micropayment-Bereich adaptiert: Nutzer erhalten ihr gewünschtes Produkt sofort, wenn sie versprechen, es später zu bezahlen. Onlinegames und Verlage leben vom sofortigen Kaufimpuls ihrer Nutzer. Kaum jemand will für virtuelle Güter oder Onlineartikel bezahlen und erst einige Zeit später entsprechenden Zugang erhalten. Obwohl beim deutschen Anbieter „In7Tagen“ nur 25 bis 30 Prozent der Erstversprechen eingelöst werden, lohnt sich das Verfahren für die Spieleveröffentlicher. Vorreiter ist dabei das US-amerikanische Startup kwedit.

Es gibt noch zahlreiche weitere kreative Ansätze im Kleinstgeldsegment, die bei Kunden für Kaufanreize sorgen. Wo es jedoch um größere Geldwerte geht, bleibt der Kauf auf Rechnung ungeschlagen. Deshalb wird es nun darum gehen, das Konzept weiter auszubauen und sich von Mitbewerbern abzuheben. Wer sich am hiesigen Markt etablieren will, muss nun schnell im Vertrieb sein, also möglichst viele und große Partner von sich überzeugen. Daneben wird die Qualität entscheiden, die in der treffsicheren Einschätzung der Kundenbonität liegt. Schlechte Anbieter werden entweder zu wenige Kredite vergeben, was den Umsatz bremst, oder müssen zu viele Ausfälle begleichen, was ihnen auf Dauer das Genick bricht. Es werden die Anbieter überzeugen, die Händlern den meisten Mehrumsatz für den angebotenen Preis liefern. Das heißt im Umkehrschluss, dass Händler nicht unbedingt mit den Rechnungsbezahlsystemen am besten fahren, die nur zwei oder drei Prozent Disagio verlangen: Solche Anbieter werden Kredite unter Umständen zurückhaltender vergeben und damit Mehrumsatz verhindern. In manchen Bereichen kann es für Händler durchaus von Vorteil sein, neun oder zehn Prozent Risikoausgleich zu akzeptieren, wenn die Anbieter im Gegenzug auch riskante Käufergruppen mit Rechnungszahlung oder Krediten ausstatten.

In diesem Zusammenhang könnte auch dieser Artikel für euch interessant sein: „Rechnungsprogramme: 13 Anbieter im Überblick“.

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2 Kommentare
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dirk

Ich habe ein Jahr lang ein Rechnungsbezahlsystem ausprobiert und habe es anschließend wieder deaktiviert. Meine Kunden sind meist älter und auch solvent. Dennoch fielen ca. 75% durch das Scoring und wurden zur alternativen Vorkasse umgeleitet. Fazit war, dass ich eine hohe Rechung für das Scoring von meinem Zahlungsanbieter erhielt, Kunden dennoch per Vorkasse zahlen mussten.

Heute beschränke ich den Rechnungskauf auf eine erträgliche Summe und gewähre ihn nur für registrierte Kunden. Ich habe kaum Ausfälle und wenn doch, reicht man diese weiter ans Inkasso.

Fazit: Ich habe keine sonderlich guten Erfahrungen mit Rechnungszahlsystemen gemacht. Aber das ist ja auch schon wieder drei Jahre her.

Antworten
brandeer

Wir setzen einen der im Artikel genannten Rechnungsanbieter auf unserem Online Shop http://www.brandeer.ch ein.
Grundsätzlich besteht ein hohes Interesse seitens Kunden und die Verkaufsabbrüchte konnten stark gemindert werden, was dementsprechend ein Umsatzplus brachte.

Negativpunkt: die Ablehnungsrate beträgt bei uns derzeit über 50% – dies ist aus meiner Sicht nicht zufriedenstellend.

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