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Augmented Reality: Sorgt Magic Leap in diesem Jahr für den entscheidenden Durchbruch?

Die Augmented-Reality-Brille gilt als das Computing-Gerät der Zukunft und soll eines Tages das Smartphone ablösen. Doch noch steht die Technologie ganz am Anfang. Ein Startup könnte in diesem Jahr aber für den entscheidenden Schub sorgen.

Von Luca Caracciolo
13 Min. Lesezeit
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(Foto: Magic Leap)

Schon als Kind lebte Rony Abovitz lieber in seinen Fantasiewelten als in den Zwängen des Alltags. Seine Eltern – israelische Immigranten, die Mutter Künstlerin, der Vater Unternehmer –ermutigten den Gründer des Augmented-Reality-Startups Magic Leap und seine zwei Geschwister immer dazu, ihre kreative Ader auszuleben. Das Haus Abovitz strotzte nur so vor kreativer Energie und hegte stets einen großen Respekt vor jedweder „Weirdness“, erzählte Ronys Schwester Mindy Abovitz der US-amerikanischen Newsseite Business Insider.

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Rony hat offenbar genug kreative Energie aus seiner Kindheit bewahrt, denn was er mit „Magic Leap“ plant, kommt einer Computer-Revolution gleich: Die für uns sichtbare Realität mit computeranimierten Objekten zu bevölkern, sodass sie über eine entsprechende Brille Teil menschlichen Erlebens werden. Ein Dinosaurier, der lebensecht ins Sichtfeld eingebunden ist und sich auf den Nutzer zubewegt; ein Spielfeld, das auf einen echten Tisch projiziert wird; ein digitaler Assistent, der in Form einer Person mit dem Nutzer spricht und interagiert. Und eines Tages wird es vielleicht sogar möglich sein, dass  Mitmenschen in unserem Sichtfeld auftauchen, obwohl sie gar nicht vor Ort sind. Es ist die magische Welt, die heute gemeinhin als Augmented Reality bezeichnet wird – im Unterschied zu einfachen Datenbrillen wie etwa Google Glass, die lediglich Daten wie Wetter oder Benachrichtigungen im Sichtfeld der Brillenträger anzeigen, aber keine lebensecht wirkenden, digitalen Objekte.

So soll laut Magic Leap die Realität mit digitalen Objekten angereichert werden. (Abbildung: Magic Leap)

Nur gibt es einen Haken: Diese magische Augmented-­Reality-Welt gibt es nicht. Jedenfalls noch nicht. Technologie-­Experten und CEOs weltweit glauben zwar fast einhellig daran, dass Augmented Reality als Interface eines Tages eine neue ­Computing-Ära einläuten und das Smartphone ablösen wird. Auf dem Weg dorthin aber müssen noch etliche technische Herausforderungen gelöst werden, zum Teil ist noch viel Grundlagenarbeit nötig. Wie der Markt sich in Zukunft entwickelt, ist überhaupt nicht abzusehen.

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Auch deshalb erleben die sogenannten Spatial-­Computing-Technologien Virtual und Augmented Reality gerade eine kleine Sinnkrise. Als die großen VR-Highend-Plattformen HTC Vive, Oculus Rift und Playstation VR im Jahr 2016 erschienen, machte Virtual Reality ein regelrechtes Hype-Jahr durch. Diese anfängliche Begeisterung wich im vergangenen Jahr dann eher Ernüchterung, als sich zeigte, dass die Verkäufe sehr schleppend ­anliefen. Augmented Reality rückte spätestens seit „Pokémon Go“ im Sommer 2016 wieder ins Interesse der Öffentlichkeit. Snapchat sorgte mit lustigen Filtern für einen verspielten Umgang mit AR. Und Mark Zuckerberg sprach auf der Facebook-Entwickler-konferenz im vergangenen Jahr von den Vorzügen der Technologie und den viel alltagsstauglicheren Anwendungsszenarien im Vergleich zu Virtual Reality. Doch gleichzeitig zügelten wichtige Tech-Entscheider wie der Facebook-Gründer selbst oder Apple-CEO Tim Cook immer wieder die hohen Erwartungen an die Technologie. Der Tenor: Sie sei in Form einer Brille schlicht noch nicht reif für den Alltag und den Massenmarkt.

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Und so ergibt sich aktuell eine etwas bizarre Situation: Tech-Firmen wie Facebook und Google investieren Milliarden in Startups, Forschung und die Entwicklung eigener Technologien. Die Adaption der Nutzer hinkt dagegen deutlich hinterher. Zwar funktioniert Virtual Reality grundsätzlich bereits heute schon, steckt aber aktuell zu stark in der Nische fest. Für Augmented Reality gibt es schlicht keine verbraucherfreundliche Hardware oder nur sehr teure für den Enterprise-Bereich wie etwa die Hololens von Microsoft. Das futuristisch anmutende Gerät hat bei seiner ersten Vorstellung 2015 für Furore gesorgt, offenbart aber eklatante Schwächen: Das Blickfeld ist mit circa 40 Grad extrem limitiert – was bedeutet, dass der Nutzer nicht sehr weit nach rechts und links schauen kann, bis die ins Sichtfeld eingeblendeten Objekte verschwinden. Die AR-Brille verzichtet auf einen externen Computer, sodass die gesamte Rechenkapazität in der Brille verbaut ist, was rechenintensive Anwendungen zumindest schwierig macht. Und nicht zuletzt sieht die Brille wie ein früher Prototyp aus: klobig und unsexy. Im Unternehmensbereich als Showcase in Ordnung, für den Alltag absolut nicht geeignet. Trotzdem: Die Hololens ist momentan so etwas wie der Goldstandard, was an Augmented Reality in einer mobilen Brille, also ohne Anschluss an einen externen Computer, möglich ist. Dass Microsoft eine neue Version nicht vor 2019 bringen will, sagt viel über die aktuellen technischen Herausforderungen aus.

Der magische Moment

Natürlich beobachtet Magic-Leap-Gründer Rony Abovitz die Branche, weiß um die technischen Schwierigkeiten. Er warnt auch schon vor, sagt, dass in der ersten Version der Brille das Sichtfeld zwar etwas weiter als bei der Hololens ausfällt, aber noch immer relativ beschränkt sei. Trotzdem: Abovitz will in diesem Jahr einen neuen Goldstandard setzen.

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Um das zu erreichen, arbeitet er mit seinem Team, das mittlerweile mehr als 1.000 Mitarbeiter umfasst, seit Jahren hinter verschlossenen Türen. Dass offensichtlich an Abovitz Vision etwas dran sein könnte, belegen nicht zuletzt die Anstrengungen der Geldgeber: Zwei Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen bisher etwa von Google oder Alibaba bekommen. Kürzlich hat sogar Axel Springer ein Investment bekannt gegeben, ohne Details zu nennen. Die Magie der Möglichkeit und die Prototypen von Magic Leap haben bisher offenbar ausgereicht, um die investierenden Tech-Unternehmen zu überzeugen. Aber Magie verblasst bekanntlich und deshalb musste Abovitz liefern.

Eines Tages könnte es möglich sein, dass ­Menschen in ­unserem Sichtfeld erscheinen, die gar nicht vor Ort sind.

Mehr als vier Jahre nach der ersten Finanzierungsrunde hat Magic Leap am 20. Dezember vergangenen Jahres erstmals auf einer Website Bilder seiner AR-Brille veröffentlicht. Nur Bilder wohlgemerkt und die Ankündigung, dass irgendwann 2018 die „Magic Leap One“ genannte Brille erscheinen soll. Entwickler können sich registrieren, um in diesem Jahr Zugang zur Entwicklerplattform zu erhalten.

Die drei Bestandteile von ­„Magic Leap One“: Die Brille, der ­daran angeschlossene Taschen­computer und der Bewegungs­controller. Das Set soll in diesem Jahr noch erscheinen. (Abbildung: Magic Leap)

Das Set besteht aus drei Teilen: die Brille selbst, ein kleiner Taschencomputer, der ungefähr so groß ist wie ein Smartphone und mit einem Kabel an die Brille angeschlossen wird, sowie ein Bewegungscontroller, der Navigation und Interaktion mit digitalen Objekten ermöglichen soll. Externe Tracker etwa wie bei den Virtual-Reality-Brillen Oculus Rift oder der HTC Vive sind für die Positionsbestimmung im Raum nicht erforderlich. Wie das Display funktioniert, welche Funktion die externe Recheneinheit genau einnimmt und wie gut das Tracking der Controller und der Position im Raum wirklich ist, kann nur spekuliert werden. Immerhin nähert sich die Magic Leap One vom Aussehen her einer Brille an und wirkt nicht wie ein überdimensionierter Helm – von einer Alltagsbrille ist das Gerät aber weit entfernt.

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Dirk Schart, Augmented-Reality-Experte und PR-Chef des Münchener AR-Startups Reflekt, konnte im vergangenen Jahr einen Prototypen ausprobieren. „Ich habe noch nie so viele Dokumente darüber unterzeichnen müssen, was ich alles nicht sagen darf“, berichtet er. Details darf er deshalb nicht verraten, nur so viel: „Von der Darstellungsqualität ist es das Beste, was ich in dem Feld je gesehen habe.“ Im Rahmen der Veröffentlichung Ende Dezember durfte exakt ein Journalist Magic Leap One ausprobieren und darüber schreiben – Brian Crecente, Tech-Journalist beim Rolling Stone. Der zeigte sich zwar durchaus begeistert, erklärte jedoch auch, dass er sich die Brille selbst nicht kaufen würde – zu viele technische Baustellen gäbe es noch zu meistern. Crecente mahnt vor allem die beschränkte Sichtweite an.

„Wenn Magic Leap sämtliche Tech-Versprechen hält, dann steht uns 2018 eine Augmented-Reality-Brille der nächsten Generation ins Haus, die tatsächlich ein magischer Sprung nach vorne wird“, sagt Matthias Bastian, langjähriger Beobachter der Branche und Betreiber des Mixed-Reality-Blogs Mixed. Selbst wenn Magic Leap One nur halb so gut werde wie vom Startup angepriesen, dürfte wenigstens ein ernstzunehmender Hololens-Konkurrent das Ergebnis sein. Das könne reichen, um Microsoft, Apple und Google stärker zu aktivieren und die Marktentwicklung zu beschleunigen, glaubt Bastian.

Echte Augmented Reality oder smarte Brillen?

Wer begreifen will, was die Besonderheit von Magic Leaps technischem Ansatz ist, der muss sich mit Lichtfeld-Technologien beschäftigen. Lichtfeld-Displays haben gegenüber herkömmlichen Displays den großen Vorteil, dass sie Tiefeninformationen bereitstellen und dem Auge so verschiedene Fokusebenen bieten, heißt: Es kann im Blickfeld unterschiedlichste Punkte fokussieren – die direkt vor dem Nutzer stehende Blume, der zwei Meter entfernte Tisch, das 20 Meter entfernte Auto. Wird eines dieser Objekte mit dem Auge fokussiert, verlieren die anderen ihre Schärfe – so wie das natürliche Sehen im Alltag auch funktioniert. Alle auf dem Markt bisher befindlichen VR- und AR-Brillen verfügen hingegen über konventionelle Displays mit einem festen Fokus. Egal was der Nutzer fokussiert, die komplette Umgebung bleibt scharf. Alle dargestellten Objekte, ob rein virtuell, wie unter einer VR-Brille, oder augmentiert mit einer AR-Brille, sind auf einer Entfernung von circa zwei Metern wie auf einer Leinwand festgeklebt. Entfernungen werden nur über 3D-Effekte vorgetäuscht. Das sorgt für Unwohlsein, strengt die Augen an und führt im schlimmsten Fall zu Übelkeit und Schwindel.

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Lichtfeld-Displays, auch Multi-Fokus-Displays genannt, gelten als potenzieller Durchbruch auf dem Weg zu massentaug­licheren VR- und AR-Brillen, weil sie ein viel natürlicheres Sehen ermöglichen und deutlich weniger Übelkeit erzeugen. Nur: Kein Unternehmen hat es bisher geschafft, die Technologie bei einem gleichzeitig weiten Sichtfeld in einer annehmbar großen Brille zu verbauen – zu kompliziert ist die Technologie noch und vor allem nur schwer zu miniaturisieren. Es gehört zu den Spekulationen rund um Magic Leap, dass Abovitz und sein Team genau diese technische Herausforderung gelöst haben. Allerdings hüllt sich das Unternehmen zu dem möglicherweise revolutionären Darstellungsverfahren weitestgehend in Schweigen, spricht noch abstrakt von einem Lichtfeld-Display, bei dem der visuelle Cortex Teil des Screens ist. „Das klingt spannend, aber auch sehr blumig: Die Machbarkeit muss das gut situierte Startup erst noch beweisen. Bisher gibt es jedenfalls keine technischen Details“, erklärt  Blogger Matthias Bastian.

Ein Startup, das auf eine ähnliche Technologie setzt, aber im Unterschied zu Magic Leap nicht so ein Geheimnis um die Entwicklung macht, ist Avegant. Auch das Team um Gründer Ed Tang arbeitet an Lichtfeld-Displays mit mehreren Fokusebenen. Laut dem Startup wird das Bild nicht klassischerweise einfach auf der Brilleninnenseite angezeigt, sondern über etliche winzige ­Mikro-Spiegel auf der Brilleninnenseite direkt ins Auge projiziert. Die Folge sei eine sehr natürlich wirkende Einbettung digitaler Objekte in das Sichtfeld der Nutzer – inklusive verschiedener Fokus­ebenen. Der AR-Entwickler und -Experte Tobias Kammann, der mit seiner Agentur AR-Lösungen für Unternehmen entwickelt, hat den Avegant-Prototypen im November vergangenen Jahres ausprobieren können – und zeigte sich angetan. In einem 3D-Modell eines Sonnensystems konnte er etwa ohne Probleme einen Mond im Sonnensystem fokussieren, die restlichen Planeten wurden unscharf. Fokussierte er einen anderen Planeten an, wurde der Mond unscharf. Sein Fazit auf Vrodo.de: „Die verschiedenen ­Fokusebenen sind ein großer Fortschritt, digitale Objekte werden mit dem Lichtfeld-Display viel natürlicher in die Umgebung integriert.“

Um die Multi-Fokus-Funktion zu realisieren, muss die Software die digitalen Objekte auf den unterschiedlichen Lichtfeld-Ebenen mehrfach rendern. Durch das Mehrfach-Rendering ergibt sich allerdings ein entsprechender Rechenaufwand, deshalb ist der Anschluss an einen externen Computer nötig. Ein weiterer Nachteil: Ansätze von Design sucht man bei dem aktuellen Protoypen von Avegant vergebens, das Gerät sieht eher wie ein Helm aus als eine Brille. An eine eigene Marke inklusive  entsprechender Hardware und Software denkt Avegant aber ohnehin nicht: „Wir wollen gar kein eigenes Ökosystem aufbauen, sondern verkaufen unsere Technologie an OEMs“, so Andy Gstoll, strategischer Berater bei Avegant. Es laufen bereits Gespräche. Das Startup hat bisher insgesamt rund 50 Millionen US-Dollar an Investment erhalten.

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Der Prototyp von Avegant beweist, dass die Technologie möglich ist. Die eigentliche Herausforderung aber bleibt eine andere: Lässt sie sich so miniaturisieren, dass sie in eine Brille verbaut werden kann? Nicht nur das optische System muss klein sein, für den Betrieb der Software braucht es auch potente Rechenhardware. „Aktuell jedenfalls“, so Gstoll, „sind solche Geräte nur für den Enterprise-Bereich interessant. Consumer-Versionen sind frühestens in zwei bis drei Jahren zu erwarten“, glaubt er.

Vielleicht hat Apple ja eine Lösung. Dem iPhone-Konzern wird schon länger nachgesagt, eine Augmented-Reality-Brille zu entwickeln. Immer wieder fallen auch Jahreszahlen – mal 2019, dann heißt es wieder 2020. Allerdings wird Apple vermutlich kein Konkurrenzprodukt zu Magic Leap oder Hololens bauen. Zu unfertig ist die Technologie noch, zu viele Fragenzeichen ergeben sich in Bezug auf das Marktpotenzial. Was der Konzern aber im Gegensatz zu echtem Augmented Reality entwickeln könnte, ist eine Art Smartwatch fürs Auge – eine Brille also, die, ähnlich wie Google Glass schon vor einigen Jahren bestimmte Daten wie Wetter, Navigation oder Benachrichtigungen anzeigt und per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden ist. Anders als eine Augmented-Reality-Brille wie Hololens oder Magic Leap benötigt eine solche Datenbrille keine große Rechenleistung und auch kein komplexes optisches System.

„Manchmal denken wir auch einfach zu kompliziert. Reicht es nicht aus, kontextsensitive Daten im Sichtfeld einzublenden?“, fragt Dirk Schart. Er glaube zwar nicht, das Apple 2019 eine Brille auf den Markt bringe. Aber eine reine Datenbrille im Vergleich zu einer Hololens zu entwickeln, bedürfe deutlich weniger Investitionen und Aufwand. Matthias Bastian sieht es ähnlich: „Es gibt eigentlich genug coole Anwendungsszenarien für eine solche ­Datenbrille wie etwa beim Sport, wenn Trainingsdaten in Echtzeit im Blickfeld erscheinen“, meint er. Apple sei es noch am ehesten zuzutrauen, diese Brille so zu positionieren, dass sie am Markt auf größeres Interesse stoße.

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Rony Abovitz will mit Magic Leap das iPhone der Augmented ­Reality liefern.

Dass Apple selten als Erstes agiert, hat das Smartphone-Geschäft gezeigt. Und so ist es auch im Markt für „einfache“ Datenbrillen. Längst gibt es Startups, die an solchen Brillen für Konsumenten arbeiten – beispielsweise La Forge. Der an die Star-Trek-­Figur Geordi La Forge angelehnte Name soll an den einfachen und minimalistischen Sichtring des Offiziers aus der Serie „The Next Generation“ erinnern. So präsentiert das Startup auch die auf der Website gezeigten Modelle – mit viel Stil wirken die Brillen wie ganz normale Alltagsgestelle vom Optiker. Keine Kabel oder Helme, die den Alltagseinsatz gefährden. Für Brillenträger wäre es vermutlich sogar nur ein einfaches Upgrade, für alle anderen zumindest eine Option – zumal Brillen ohnehin längst zu den ­Mode-Accessoires gehören. Für 590 US-Dollar können Early Adopter die Brille vorbestellen. Ein anderer Hersteller ist Vuzix – ein Unternehmen, das bereits seit mehr als 20 Jahren Kameras und Displays in Brillen verbaut. Die auf der diesjährigen CES in Las Vegas vorgestellte Brille „Blade“ ist mit Amazons Alexa ausgestattet und zeigt ebenfalls Benachrichtigungen von Smartphones an. Kostenpunkt: circa 500 US-Dollar. Und auch große Hersteller wie Intel arbeiten an Datenbrillen. Der Chipkonzern hat erst kürzlich mit „Vaunt“ einen entsprechenden Prototypen vorgestellt. Dieses Jahr noch will das Unternehmen erste Geräte an Entwickler schicken. In Deutschland kooperiert die Telekom mit Carl Zeiss, um eine Datenbrille zu entwickeln. Die beiden Unternehmen haben dafür das Joint Venture Tooz gegründet.

Die AR-Cloud

Rony Abovitz reicht das natürlich nicht. Er will die ultimative AR-Erfahrung liefern, das iPhone der Augmented Reality bauen und damit ein neues Computer-Zeitalter einläuten. Um das zu erreichen, braucht es aber mehr als die bloße Brillen-Hardware. Ein Vergleich zum Siegeszug des Smartphones hilft: Ohne 3G-Netz, Social Media und weitere vernetzte Apps wäre das Smartphone nicht mehr als ein Taschencomputer, der Videos und Musik abspielt. Erst das Zusammenwirken dieser Faktoren hat dazu geführt, dass die mobile Plattform den Alltag der Menschen erobern konnte. Bei Augmented Reality ist das ähnlich. Auf Infrastrukturebene wird dabei immer wieder auf den Begriff der AR-Cloud verwiesen: eine Art zusätzliches Datennetz für AR-
Anwendungen, eine Art AR-Internet mit GPS. Damit beispielsweise im Schuhladen des Vertrauens die neusten Angebote in der Brille als digitales Werbeschild aufpoppen, sobald sich der Träger mit einer AR-Brille nähert, müssen der Schuhladen und die Brille voneinander wissen. Das mag technisch nicht so kompliziert sein, erfordert aber dennoch Anwendungen wie Shoplösungen mit AR-Plugins, die das ermöglichen, und Daten wie etwa die Angebote, die in diese Anwendungen fließen und den Nutzern angezeigt werden. Software, Daten und entsprechende Schnittstellen sind also nötig. Und damit es nicht auf eine Vielzahl von Einzellösungen hinausläuft und jeder Shop sein eigenes kleines AR-Netz betreibt, bräuchte es eine globale Infrastruktur mit universellen Schnittstellen – ähnlich wie das mobile Internet heute.

Links: Der Prototyp von Avegant, der eher einem Helm gleicht als einer Brille. Rechts: Digitale Objekte in dem vom Avegant-Prototypen erzeugtem Lichtfeld-Display. Je nach Fokussierung des Auges wird der Planet scharf und das Vehikel unscharf dargestellt beziehungsweise genau andersherum. (Abbildungen: Avegant)

Der AR-Cloud vorgelagert sind zwei technische Voraussetzungen: Das maschinelle Sehen muss so gut funktionieren, dass Software die Umgebung erkennen und deuten kann. Die Deutung, also die Objekterkennung, steht noch ziemlich am Anfang. Dass zumindest das Erkennen schon ganz ordentlich funktioniert, zeigen die ersten AR-Apps für Smartphones im Rahmen der mobilen SDKs ARKit für iOS und ARCore für Android. Aber für die sinnvolle Projektion direkt ins Sichtfeld eines Brillenträgers muss die Qualität der Objektausrichtung noch deutlich besser werden. Was passiert etwa, wenn ein digitales Objekt von einem Passanten oder einem realen Gegenstand verdeckt wird? Bleibt dieses digitale Objekt dann an Ort und Stelle, fügt es sich logisch in den Hintergrund? Die zweite Voraussetzung betrifft das Netzwerk. Genauso wichtig wie das 3G-Netz für Smartphones war, wird das 5G-Netz für Augmented Reality und die AR-Cloud. Denn Anwendungen für AR sind deutlich datenintensiver als etwa Text, Bild und selbst Video. Jedes digitale Objekt ist ein vollständiges 3D-Modell, das die Brillenträger von allen Seiten betrachten können müssen. Es muss echt wirken und sich ebenso verhalten.

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Zumindest das Datenproblem lässt sich zum Teil durch Software lösen: Die Datengröße der 3D-Objekte muss schlicht kleiner werden. Daran arbeitet beispielsweise das Münchener Startup Coniclabs von Christian Waechter und Raphael Kinzler. „Es ist auf Datenebene etwas völlig anderes, etwas zu produzieren als etwas zu visualisieren“, erklärt Kinzler. Aus den CAD-Daten für die Herstellung eines Produkts müssen Daten zur Visualisierung erst erstellt werden. Das Ziel ist einfach: eine möglichst gute visuelle Darstellung bei gleichzeitig guter Performance. Je geringer die Rechenleistung eines Geräts, desto herausfordernder ist die Gleichung. Das gelte für Visualisierungen generell, Visualisierungen für Augmented Reality beschreiben die beiden Gründer als eine Art „Königsdiszplin“, denn die digitalen Objekte müssen möglichst mit 90 Bildern pro Sekunde gerendert werden, um ein flüssiges Erlebnis zu bieten.

Selbst wenn also Abovitz mit der Magic Leap One seine Versprechungen hält: Ohne Fortschritte bei der Dateninfrastruktur ist auch die schickste AR-Brille fast wertlos – es sei denn, man kettet sie ans Smartphone und zeigt lediglich Benachrichtigungen und Wetterdaten an. Eine Computer-Revolution wäre das aber nicht.

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