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Interview

„Neue und alte Arbeitswelt gehen nicht zusammen!“ – New-Work-Experte Markus Albers

Markus Albers galt viele Jahre als flammender Befürworter neuer Arbeitsprozesse. Jetzt nimmt der New-Work-Experte eine Neubewertung vor und spricht sogar von digitaler Erschöpfung.

Von Tobias Weidemann
7 Min.
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(Foto: Patrick Desbrosses)

Als Markus Albers vor zehn Jahren sein Buch „Morgens komme ich später rein“ schrieb, war er einer der Ersten in Deutschland, die von einer neuen Arbeitskultur sprachen: von zeitlicher und räumlicher Flexibilität. „Unabhängiges Arbeiten mit Hilfe von Technologie und Tools war damals alles andere als ein Massenphänomen, vor allem für Festangestellte“, sinniert er heute über die Beweggründe von damals.

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Doch so euphorisch ist der New-Work-Experte heute nicht mehr. Sein neues Buch thematisiert die „digitale Erschöpfung“. (Markus Albers: Digitale Erschöpfung. Wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen, Hanser-Verlag). Darin spricht der Autor und Berater von digitalen Werkzeugen, „die alles nur noch schlimmer machen“, von der „Falle des Großraumbüros“ und von dem Verlust des Feierabends. Das „Always on“ sei nicht mehr nur ein Versprechen, sondern für viele Mitarbeiter eine Belastung geworden. Wir haben mit ihm über die Arbeit der Zukunft gesprochen, über sinnvolle Übereinkünfte, clevere Strategien und gefährliche Trends in der Mitarbeiteranalyse.

New-Work-Experte Markus Albers: „Zeit freischaufeln zum Nachdenken“

t3n Magazin: Markus, was ist aus deiner Euphorie um neue Arbeitsmodelle geworden, die du noch vor zehn Jahren hattest?

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Markus Albers: Die Zeit ist heute sicherlich eine andere als vor zehn Jahren. Während New Work damals eine Idee einer Minderheit war, die man auf Technologie- und HR-Kongressen besprochen hat, ist die Thematik seit etwa zwei Jahren ein populäres Mainstream-Thema geworden, für das sich auch Großunternehmen wie Siemens oder Microsoft bis hoch in die Chefetagen interessieren. Allerdings machen wir nun die ersten Erfahrungen damit, wie diese neuen Arbeitsmodelle in der Praxis gelebt werden können. Und da stellt sich jetzt heraus, dass vieles von dem, was sich die Befürworter dieser Arbeitsweise erhofft haben, zu denen ich ja auch gehört habe, so nicht eintritt – teilweise sogar das Gegenteil der Fall ist.

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„Statt acht Stunden ­­­kopf­los Dinge ­wegzu­arbeiten, muss man sich Zeit freischaufeln zum Nachdenken.“

Was heißt das genau?

Markus Albers: In sehr vielen Unternehmen lässt sich beobachten, dass sie sich auf das Neue einlassen, ohne das Alte zu reduzieren. Das Neue ist etwa die erhöhte Flexibilität, also die Beantwortung von E-Mails am späten Abend oder die sporadische Erreichbarkeit im Urlaub. Das Alte sind die gewohnten Präsenz- und Meeting-Kulturen und die alten Hierarchien. Und beides zusammen geht einfach nicht.

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„Neue und alte Arbeitswelt gehen nicht zusammen!“ – New-Work-Experte Markus Albers. (Foto: t3n.de)

t3n Magazin: Weil es die Menschen zermürbt?

Markus Albers: Genau. Außerdem wird es der Verantwortung für Mitarbeiter nicht gerecht. Hier muss man ansetzen. Wir werden die Zeit ­sicher nicht zurückdrehen und ich will auch die Möglichkeiten, die das flexiblere Arbeiten bietet, nicht mehr missen. Die ­Möglichkeiten, die uns Technologie hier bietet, sind ja erst einmal positiv, weil sie uns ermöglichen, Arbeit zu entfesseln und stärker an die persönlichen und familiären Gegebenheiten anzupassen.

t3n Magazin: Aber wie lässt sich denn dieser Konflikt zwischen alten und neuen Arbeitsmodellen auflösen?

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Markus Albers: Es braucht klare Absprachen und Regeln. Kulturtechniken, die wir lernen und über die wir uns verständigen müssen.

t3n Magazin: Und welche Regeln sollen das sein?

Markus Albers: Zum Beispiel müssen die Chefs den Mitarbeitern explizit erlauben, auch einmal nicht erreichbar zu sein. Es hilft auch schon, wenn der Chef die klare Ansage macht, dass er zwar am Wochenende mal etwas herumschickt, an dem er inzwischen gearbeitet hat, aber das heißt ja nicht, dass die Mitarbeiter gleich reagieren müssen. Es muss einfach klar sein, wer wann auf welchen Kanälen wofür erreichbar ist und wann eben auch mal nicht.

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t3n Magazin: Du unterscheidest in deinem Buch zwischen der Arbeitsweise eines Managers, also einer Führungskraft, und eines Makers, einer Fachkraft. Was steckt dahinter?

Markus Albers: Maker und Manager haben unterschiedliche Kalender. Der des Managers sieht aus wie ein Flickenteppich aus vielen kleinen bunten Terminen. So kann ein Manager zwar arbeiten, eine Fachkraft aber nicht. Der Manager hat einen zerstückelten Tag mit Meetings, Gesprächen und anderen Terminen zur Entscheidungsfindung bereits vorbereiteter Inhalte, ein mehr fachlich arbeitender Angestellter braucht dagegen längere Phasen ununterbrochener Konzentration, also halbe und ganze Tage. Und zunehmend sind unser aller Kalender so kleinteilig wie bei einem Manager, weil immer mehr Projekte in immer weniger Zeit gepackt werden.

t3n Magazin: Warum sind denn unsere Kalender heute so verdichtet?

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Markus Albers: Die Arbeitsverdichtung läuft ja unabhängig und parallel zur technologischen Entwicklung. Insofern hat das eine nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun. Verdichtung geht aber in der Tat besser, wenn man über Tools beispielsweise sieht, wo noch eine Lücke im Kalender ist, die dann früher halt einfach mal existierte und unbeachtet blieb. Heute sucht man ja oft schon über Wochen nach einer kurzen Lücke im Kalendar, in die man ein Meeting legen kann. Da ist der Vorgesetzte oder der Betriebsrat gefordert, für eine maßvolle Arbeitsbelastung zu sorgen.

t3n Magazin: Kann ich selbst auch was dagegen tun?

Markus Albers: Zu Dingen auch mal komplett „Nein“ sagen – wahrscheinlich sollte man als Mitarbeiter sogar zu 80 Prozent der Dinge „Nein“ sagen, um Zeit für die wichtigen Dinge zu haben.

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t3n Magazin: Das traut sich aber nicht jeder.

Markus Albers: Das erfordert ganz viel Selbstbewusstsein, richtig. Ich habe permanent eine Liste von rund zwanzig Leuten, die mit mir ohne einen konkreten Anlass mal Mittagessen oder Kaffee trinken wollen. Ich sage da nicht sofort ab, aber ich sage auch nicht einfach zu, weil ich sonst jeden Tag terminlich verplant wäre. Aber auch andere Zeitfresser müssen weg.

t3n Magazin: Zum Beispiel?

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Markus Albers: Meetings! Dropbox hat das mal gemacht – die haben alle ­Meetings abgesagt und dann geschaut, welche Meetings man wirklich braucht und was anders zu erledigen ist.

t3n Magazin: Apropos Meetings: Ein großer New-Work-Trend ist ja das Großraumbüro. Eine sinnvolle Entwicklung?

Markus Albers: Man sieht bei vielen Unternehmen, die auf digitale Tools setzen, dass diese zugleich auch neue Büroformen wie Großraumbüros einführen. Und dahinter steckt die Philosophie, dass man durch mehr Kommunikation auch besser arbeitet. Ich bezweifle das.

t3n Magazin: Wieso?

Markus Albers: Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass Gruppen oft zu weniger originellen Lösungen und Ergebnissen kommen als der Einzelne. Wir opfern im Interesse der Kollaboration einiges, unter anderem die Konzentration und die Kontemplation. Dass es zum Beispiel in Büros weniger Rückzugsmöglichkeiten gibt als früher, halte ich für eine Fehlentwicklung. Wohl jeder von uns kennt Büros, in denen sich Mitarbeiter mit Kopfhörern abschirmen, um überhaupt noch einmal in Ruhe arbeiten zu können oder Büros, in denen die Kollegen mit einem Telefon am Ohr die Flure entlang- laufen, auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen für ein Telefonat, auf das sie sich konzentrieren müssen. Solche Bürokonzepte sollten hinterfragt werden.

t3n Magazin: Plädierst du etwa dafür, wieder Wände einzuziehen?

Markus Albers: Nein. Aber es würde schon helfen, wenn man das Büro tatsächlich zur Fläche der Zusammenarbeit erklärt – und im Gegenzug als Mitarbeiter auch wieder raus darf oder nur einzelne Tage dort arbeitet, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

t3n Magazin: Du hast im Rahmen deiner Recherchen Ben Hammersly, den ehemaligen Wired-Chefredakteur, getroffen. Neben seinen Vortragsreisen soll er täglich nur eine Stunde arbeiten. Was können wir von ihm lernen?

Markus Albers: Zum einen das Automatisieren von Tätigkeiten. Dinge, die man mehrfach tut, sollte man automatisieren und die Be­schäftigung damit auf ein Minimum reduzieren – das reicht bei ihm bis hin zu Amazon-Abos für Toilettenpapier. Zum anderen ist es ­seine Herangehensweise an die Arbeit selbst: Statt acht, zehn oder mehr Stunden kopflos Dinge wegzuarbeiten, muss man es ­schaffen, sich Zeit freizuschaufeln, um darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist. Was ist wichtig in meiner Arbeit, was will ich erreichen und auf welchem Weg erreiche ich das? Das klingt zunächst einmal nach Zeitverschwendung, bringt am Ende aber einen ­riesigen Zeitgewinn, weil man sich nicht auf das scheinbar Dringende stürzt, sondern auf das Wichtige. Und diese ­Unterscheidung müssen wir jeden Tag wieder von Neuem treffen.

Ich sehe die Gefahr, dass wir uns schon in wenigen Jahren in einer Arbeitswirklichkeit wiederfinden, die keiner wollte.

t3n Magazin: Du schreibst „Wir stellen jetzt die Weichen dafür, wie wir in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren arbeiten.“ Das klingt fast so, als könnten wir gerade sehr viel falsch ­machen.

Markus Albers: Ich sehe die Gefahr, dass wir uns schon in wenigen Jahren in einer Arbeitswirklichkeit wiederfinden, die keiner wollte. Künstliche Intelligenz, Sprachassistenten, Datenbrillen – all das erleichtert unsere Arbeit, kann sie aber auch unmenschlicher machen.

t3n Magazin: Wie meinst du das?

Markus Albers: Ich meine damit, dass diese neuen Technologien ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens werden. Dann sind wir in ­Zukunft vielleicht nie mehr allein. Können wir dann überhaupt noch ­abschalten? Diesen digitalen Layer über allem, was ­unsere ­Arbeit und unser Privatleben betrifft, sehe ich als ­ernst­zunehmende Gefahr. Dann ist all das, was wir heute erleben, nur ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet. Und daher haben die Unternehmen, die all das entwickeln, eine gesellschaftliche ­Verantwortung, die darüber hinausgeht, neue Dinge zu erfinden.

t3n Magazin: Worin siehst du die Gefahr genau?

Markus Albers: Je kleiner und unauffälliger die Geräte werden, desto größer und mächtiger wird die Infrastruktur im Hintergrund, heißt: Server, Bandbreite, Rechenkraft und Speicher, die nötig sein werden, um ­vernetzte virtuelle Welten zur Verfügung zu stellen, sind ­jenseits von Big Data. Schon heute heißt einer der heißesten Trends unter Personalberatern in den USA zum Beispiel People Analytics, also das Auswerten von Daten über Mitarbeiter, um Muster zu erkennen und darauf zu reagieren. Dabei werden im Auftrag von Unternehmen Bewegungs- und Kommunikationsmuster der ­Angestellten ­analysiert. Auch wenn hierzulande Datenschutzgesetze dem noch einen Riegel vorschieben – diese Entwicklung wird kommen.

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