Social Media: Erfolg durch Professionalität
Während die einen behaupten, Social Media müsse (wie jedes unternehmerische Handeln auch) direkt verkaufen, verweisen andere darauf, dass „richtige“ Kommunikation im Social Web vor allem authentisch, transparent und dialogisch zu sein habe. Aus Unternehmenssicht ist weder das eine noch das andere hilfreich. Firmen bringt es nichts, über richtige (aber aktuell nicht realisierbare) Maßnahmen zu diskutieren, genauso wenig wie über die Frage, was denn umsetzbar ist (aber dafür nicht wirklich funktioniert). Tatsächlich gibt es heute nur wenige Beispiele, in denen ein Unternehmen im Social Web entweder erfolgreich verkauft oder sich authentisch und transparent im Netz präsentiert – was immer in diesem Zusammenhang „authentisch“ bedeutet. Und so bewegen sich die meisten Unternehmen irgendwo zwischen der unlösbar scheinenden Aufgabe einer kompletten Kulturänderung auf der einen und selten nachhaltigen Marketingkampagnen auf der anderen Seite. Oder sie lassen Social Media ganz bleiben, weil sie sich weder zu dem einen noch dem anderen durchringen können.
Social Media ist Führungsaufgabe
Die Hilflosigkeit zahlreicher Unternehmen ist verständlich, denn es fehlt vielerorts an gut ausgebildeten Spezialisten, an Geduld für einen nachhaltigen Aufbau und an geeigneten Benchmarks. So stürzen sich viele auf Zahlen und Fakten, lesen jede Studie und jedes „How-to“, versuchen, die Taktiken zu verfeinern (nach dem Motto: „Wir haben uns verlaufen, kommen aber gut voran“) und merken doch, dass all diese Bemühungen eine Frage nicht lösen können: Was bringt uns das Ganze eigentlich konkret?
Die positive Nachricht ist, dass Unternehmen langsam anfangen, zu reagieren. Immer häufiger widmet sich das Management dem Thema „Social Media“ und versucht, dem komplexen Phänomen gerecht zu werden – gerade in großen Unternehmen. Damit will man verhindern, dass einzelne Personen oder Abteilungen in Eigeninitiative Aktionen oder Kampagnen starten, ohne dass diese Aktionen in einen größeren Plan eingebunden sind. Insofern hat der Wildwuchs etwas Gutes: Er erzeugt Druck auf die Unternehmensführung, sich dem Thema strategisch anzunehmen.
Das mittlere und obere Management fängt an, zu verstehen, dass sich Social Media nicht in Facebook-, Twitter- oder YouTube-Auftritten erschöpft und es schon lange nicht mehr um einen zusätzlichen Marketingkanal „für junge Leute“ geht – oder nur um eine Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erreichen.
Auch in den Chefetagen begreift man, dass sich die Kommunikation der Menschen verändert und damit auch die Art und Weise, wie sich Menschen über Themen, Produkte und Unternehmen ihre Meinung bilden. Last but not least ahnen die Unternehmen, dass sie sich um die Legitimität ihres Handelns bemühen müssen – siehe „Stuttgart 21“ – und dass sie diese Legitimität nur im Dialog mit ihren Stakeholdern entwickeln können. Das strahlt weit über die Marketingkommunikation hinaus und reicht bis in die Unternehmenskultur hinein – egal, ob man Social Media macht oder nicht. Und so fängt über kurz oder lang jedes Unternehmen an, sich umfassend mit dem Phänomen Social Media und seinen Auswirkungen auseinanderzusetzen und seine Position dazu zu definieren.
Vernetzte Ziele im Netz
Was genau bedeutet „strategische Herangehensweise“ im Zusammenhang mit Social Media eigentlich? Ganz allgemein ausgedrückt heißt Strategie: „Klarheit über die Ziele und das Wissen um den Weg dorthin“. Schon der erste Teil bereitet Schwierigkeiten: Wer weiß schon, was seine Ziele im Social Web sind? Wer versteht überhaupt genau, was man realistisch mit diesem neuen Werkzeug erreichen kann? Wer bisher vor allem mit einem Hammer Nägel in die Wand geschlagen hat, kann mit einem Schraubenzieher zunächst wenig anfangen – zumindest bis er das Konzept „Schraube“ entdeckt. Aber was ist denn die Schraube? Welche Wertschöpfung ist tatsächlich im Social Web realisierbar? Noch immer ist die Frage relativ ungeklärt, was überhaupt „Erfolg“ im Social Web ist.
Bei der Frage nach der richtigen Strategie im Social Web kristallisieren sich in unserer Beratungspraxis drei einfache und sinnvolle Fragestellungen heraus:
- Wie kann ich mit Social Media mein Unternehmen, meine Produkte und meine Services besser machen? (Organisation)
- Wie kann ich bessere Beziehungen zu Stakeholdern aufbauen und Vertrauen schaffen? (Relations)
- Wie kann ich meine Marke stärken, Kunden gewinnen und Kunden binden? (Marketing)
Entscheidend ist hierbei, dass man alle drei Fragen im Sinn hat. Denn hierin liegen sowohl die Krux als auch die Chance des Social Web: Alles ist miteinander verbunden, „vernetzt“. Mittelfristig kann man mit einem schlechten Produkt oder schlechtem Service kein Vertrauen aufbauen oder eine Marke stärken. Ebenso wenig wird die Personalabteilung wirklich erfolgreich sein, wenn sie nur eine Recruitingseite in Facebook hat, aber das Unternehmen oder dessen Produkte und Dienstleistungen ansonsten nicht sichtbar sind. Ohne diese Sichtbarkeit werden sich Unternehmen darauf beschränken müssen, zum Beispiel Viralvideos zu „seeden“ (sprich: für die Veröffentlichung zu zahlen) oder bezahlte „Backlink-Farmen“ mit Bloggern aufzubauen.
Zeit für Professionalisierung
Es wird Zeit, dass gut ausgebildete Kommunikatoren das Heft in die Hand nehmen. Gefragt sind Menschen, die mit komplexen Strukturen umgehen können und dabei empathisch die Bedürfnisse der Beteiligten erkennen. Wer heute die Mechanismen des Social Webs auf der einen und die Anforderungen an interne Strukturen in Unternehmen auf der anderen Seite kennt, bringt als Manager sein Unternehmen nach vorne und hat als Angestellter eine steile Karriere vor sich. Social Media ist ein enormes Wachstumsfeld, weil hier sehr viele unterschiedliche Faktoren zu einem machtvollen System aggregieren: Kommunikation ebenso wie Change Management, Technologie und Innovation.
Es gibt aktuell eine Vielzahl von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, mit denen jeder das nötige Handwerkszeug erwerben kann – egal ob Manager oder Fachkraft. Im vergangenen Jahr sind unzählige Bücher erschienen, die – mal mehr oder weniger strategisch – das Thema Social Media beleuchten. Außerdem vergeht keine Woche, in der in Deutschland nicht irgendwo eine Konferenz stattfindet, die „Social Media“ im Namen trägt. Das Angebot ist also reichhaltig. Aber es ist auch wichtig, dass man sich an konkreten und auch komplexen Fällen übt. So sind heute beispielsweise die Studenten des Studiengangs Online-Journalismus der Hochschule Darmstadt (Professor Pleil) bereits sehr gut in Social Media ausgebildet [1]. Ebenso integriert die Universität Leipzig mit Ansgar Zerfaß Social Media als festen Bestandteil der Kommunikationsstudiengänge [2].
Und im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen gibt es Präsenzlehrgänge wie beispielsweise an der Münchner Marketing Akademie [3] oder auch – wenn auch wesentlich teurer – bei Euroforum [4]. Großen Zulauf hat im letzten Jahr die Social Media Akademie (SMA) erfahren (www.socialmediaakademie.de), die das Prinzip E-Learning konsequent auf das Thema Social Media überträgt. 2010 haben mehr als 600 „Studenten“ (Mitarbeiter aus Agenturen ebenso wie aus Konzernen) den sechswöchigen Lehrgang absolviert. Im Jahr 2011 gibt es bei der SMA sechs statt zwei Lehrgänge und die Absolventenzahl wird voraussichtlich bei weit über 1.000 liegen.
Prozesse statt Herz und Leidenschaft?
Heute ist der „richtige“ Umgang mit Social Media fast immer Amateurarbeit – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie wird von Menschen übernommen, die mit Social Media aufgewachsen sind, die über Social Media mit ihren Freunden und Bekannten kommunizieren. Sie lieben diesen Job. Und sie verstehen sehr viel von den Tools und Techniken im Social Web. Aber es fehlt ihnen oft an der professionellen Ausbildung in Sachen Kommunikation, BWL und Management.
Social Media kann dazu beitragen, den Wissenstransfer zu Mitarbeitern, Kunden und Partnern zu verbessern.
Social Media krankt heute daran, dass die Verantwortlichen, die etwas von betrieblicher Wertschöpfung verstehen, zu weit entfernt vom Social Web sind. Umgekehrt sind die „Digital Residents“ – die Leute, die „im Netz leben“ – ebenso weit entfernt von den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Grenzgänger sind selten. Es ist eben noch eine sehr junge Disziplin. 2011 kann das Jahr werden, in dem sich die beiden Parteien annähern. Und wie so oft bei einer Annäherung müssen beide Seiten sicherlich ein Stück weit ihre Position verlassen: Ja, menschliche Kommunikation sollte nicht von Regeln und Prozessen beherrscht werden. Aber ohne Regeln und Prozesse funktioniert die Welt in Unternehmen nicht. Denn es braucht in Unternehmen auch Zuverlässigkeit und Beständigkeit, und die sind nur schwer zu verwirklichen, wenn die Umsetzung von einzelnen Personen abhängt und nicht reproduzierbar ist.
Die Sache mit der Resonanz
Ein großer Unterschied zwischen herkömmlicher Kommunikation und Social Media ist die „öffentliche Resonanz“. Zu viele Verantwortliche vergessen, dass sich Social Media nicht darin erschöpft, Informationen über einen neuen Kanal zur Verfügung zu stellen. Aber einfach nur „Dialog“ zu ergänzen, reicht auch nicht. Denn: Bleibt Resonanz aus, hat man eine Investition in den Sand gesetzt. Ist sie negativ, schadet sie dem Image. Und selbst wenn sie positiv ist, muss man irgendetwas mit ihr tun. Genau dafür muss man Ressourcen vorsehen.
Professionelle Kommunikation bedeutet im Social Web also immer einen Dreiklang:
- Informationen vernetzt und als „rich content“ zur Verfügung stellen (das beherrschen viele schon sehr gut)
- Resonanz erzeugen und mit dieser Resonanz auch umgehen können (hierzu braucht es eine neue Form von „Resonanzmanagement“)
- Von Anfang an die Wertschöpfung mitbedenken (darüber diskutiert die Branche allerdings schon seit Jahren)
Social Media selbst löst keine Probleme. Kein Unternehmen wird besser oder profitabler, nur weil es Social Media einführt. Das ist ungefähr so, als wenn sich jemand einen Heimtrainer kauft: Dadurch wird derjenige nicht fitter. Auch nicht, wenn ihn der Heimtrainerhersteller davon überzeugt, dass 600 Millionen Menschen das Gerät nutzen. Man wird nur dann fitter, wenn man den Trainer richtig und regelmäßig nutzt und auch sein sonstiges Verhalten an das Ziel anpasst.
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Social Media und Wertschöpfung
Social-Media-Manager müssen anfangen, in betriebswirtschaftlichen Dimensionen zu denken. Auf Facebook zu sein, ist kein ROI (Return on Investment) – ebenso wenig, wie x Fans zu haben. Firmen müssen ihre betrieblichen Wertschöpfungsprozesse dahingehend überprüfen, ob Social Media diese Prozesse bereichern kann, um dann entsprechend dieser Prozesse Ziele für Social Media zu definieren. So kann ein Ziel sein, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit den Zugang zu Unternehmensinformationen zu erleichtern – zum Beispiel durch ein Mitarbeiter-Blog und einen Social-Media-Newsroom. Um den Erfolg zu beurteilen, muss man den Aufwand im laufenden Prozess ins Verhältnis dazu setzen, wie gut die Menschen informiert sind. Beides ist messbar. Man kann Social Media auch einsetzen, um das Recruiting zu verbessern. Hier kann man prüfen, ob sich die Qualität der Bewerbungen im Verhältnis zum Aufwand verbessert. Im Bereich Influencer-Relations lässt sich auswerten, wie viele persönliche Kontakte zu Medien oder Topbloggern bestehen – auch wieder im Verhältnis zum Aufwand.
Es gibt nicht den einen ROI – es gibt dutzende Wertschöpfungsprozesse, die man durch Social Media optimieren kann. Wer sie Stück für Stück für sich erschließt, wird dadurch einen massiven Wettbewerbsvorteil erlangen.
Als Beratungsunternehmen schlagen wir unseren Kunden einen Prozess vor, der die wichtigsten Wertschöpfungsbereiche systematisch beleuchtet. Dabei legen wir Wert darauf, dass Social Media nichts Neues ist, sondern nur Mechaniken und Effekte aus dem „normalen Leben“ ins Web überträgt. Social Media funktioniert immer dann gut, wenn ein im normalen Leben bereits funktionierender, üblicherweise persönlich stattfindender Prozess im Social Web „skaliert“ wird.
Im Bereich Relations
- Über Social Media die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit verbessern: Zum Beispiel kann man über Social Media Transparenz herstellen wie bei einem „Tag der offenen Tür“, nur 24/7.
- Social Media gezielt einsetzen, um Beziehungen zu Meinungsführern und Multiplikatoren zu stärken. Eine Analogie wäre ein Presse- oder Kamingespräch, aber auch der informelle Dialog. Nur dass er im Social Web eben kontinuierlich stattfindet.
- Im Social Web gemeinsam mit den Stakeholdern (also allen, die in irgendeiner Form mit dem Unternehmen etwas zu tun haben) Projekte umsetzen, besonders im Bereich CSR (Corporate Social Responsibility). Die Analogie wären zum Beispiel Charity-Veranstaltungen.
Im Bereich Marketing
- Die Marke(n) im Social Web stärken – in Analogie zum Flagship-Store in der Top-Einkaufsstraße, wo Kunden in einer edlen Umgebung und mit einem persönlichen Berater die Produkte erkunden können.
- Neue Kunden im Social Web gewinnen. Das analoge Bild wäre zum Beispiel das Beratungsgespräch in einem Reisebüro – egal ob „face to face“ oder über die Hotline.
- Kunden im Social Web binden – zum Beispiel durch direkte und persönliche Ansprache, wie es „Tante Emma“ tat.
Im Bereich Organisation
- Kunden im Social Web Beratung und Services bieten – quasi das Callcenter 2.0.
- Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern, aber auch zum Kunden und Partner ermöglichen – wie eine ständig stattfindende große Konferenz.
- Mitarbeiter in die Kommunikation mit einbinden – das Handelsblatt sprach seinerzeit von „1.000 Pressesprechern“.
Jeder dieser neun Wertschöpfungsbereiche bringt seine eigenen Herausforderungen und Chancen. Wir fragen bei den Unternehmen zunächst ab, in welchem dieser Bereiche Werte erzeugt werden sollen und welchen spezifischen Beitrag Social Media leisten kann. Dann eruieren wir die individuellen Potenziale für einen ROI. Wenn die Gesamtstrategie des Unternehmens weitere Aspekte zu Tage bringt, erweitern wir die oben genannten neun Punkte.
Für die Bereiche, die wir als lohnend erkannt haben, entwickeln wir dann mit den Fachbereichen zunächst eine jeweils eigene Strategie und bestimmen individuelle KPIs (Key Performance Indikatoren). Dabei hat es sich gezeigt, dass „Relations“ und „Organisation“ üblicherweise zentral gesteuert werden, während im Marketing unterschiedliche Strategien pro Geschäftsbereich und eine dezentrale Steuerung sinnvoll sind. Zum Schluss führen wir alle Einzelstrategien in einer Gesamtstrategie zusammen, um mögliche Konflikte und Synergien zu erkennen.
Hierzu gehören zum Beispiel übergreifend verwendeter Content oder auch die ganz simple Frage, ob beispielsweise jeder Bereich einen (oder mehrere) Facebook-Pages hat, oder welche man zusammenfassen kann. Dieses systematische Vorgehen verstehen auch die klassischen Manager, denn es orientiert sich an den bestehenden Wertschöpfungsprozessen.
„Social Media“ ist eben keine eigene Strategie. Social Media muss vielmehr die bestehende Gesamtstrategie des Unternehmens stützen.