Yo: Von der Spaß-App zum ernstzunehmenden Kommunikationskanal
Erst hielten sie alle für einen Scherz – die Yo-App, die zu allem Überfluss auch noch am ersten April letzten Jahres das Licht der Welt erblickte. Eine App, deren einziger Sinn darin besteht, ein geschriebenes „YO!“ per One-Click von einem Nutzer zum anderen zu schicken? Das kann nicht Ernst gemeint sein.
Als dann die erste Million an Risikokapital floss, kippte die Stimmung. Plötzlich gingen die Tiraden los: „Yo ist typischer Silicon-Valley-Bullshit!“, hieß es in Medienberichten und Kommentarspalten. Selbst der US-Komiker Stephen Colbert veralberte die Applikation in seiner Show nach allen Regeln der Kunst.
Nach der Welle der Empörung folgte die Ignoranz. Mittlerweile breitet sich allmählich Staunen aus. Denn was binnen eines Jahres mit der „stupidest, most addictive app ever!“ – wie Tech-Blogger Robert Scoble sie mal nannte – geschah, ist durchaus interessant: Yo könnte ein neuer Distributionskanal für Online-Content werden – vor allem Medienunternehmen experimentieren derzeit mit der Applikation.
Das erfolgreiche App-Kuriosum
Dabei war Yo anfangs tatsächlich nur eine Spielerei. Die Erfinder Or Arbel und Moshe Hogeg hatten zunächst gar kein ernsthaftes geschäftliches Interesse. Nicht nur, dass sie ihren Dienst binnen acht Stunden erdachten und entwickelten, sie veröffentlichten ihn zudem anonym. Denn sie hatten damals einen Ruf zu verlieren: Beide waren umtriebig in der israelischen Startup-Szene. Hogeg gründete und leitete das Foto- und Video-Startup Mobli, an dem auch Arbel beteiligt war.
Ein wenig peinlich war ihnen Yo also anfangs schon. „Ich wollte nicht, dass wir die App unter dem Namen unserer Softwarefirma veröffentlichen. Immerhin arbeiten wir bei Mobli an seriöser Technologie“, ließ Hogeg damals gegenüber Business-Insidern wissen. Keiner der beiden Tüftler rechnete damit, dass die App es überhaupt in den App-Store schafft. Doch weit gefehlt. Sie schaffte es – nach einem ersten holprigen Anlauf – und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf.
Der Durchbruch kam mit dem Buzz, den der eingangs erwähnte Robert Scoble auslöste. Als Hogeg den einflussreichen Silicon-Valley-Blogger um ein Feedback zu Yo bat, lachte der sich zuerst schlapp – gab dann aber zu, dass die Idee einen gewissen Reiz hätte. Er fuhr zurück nach Kalifornien und postete auf Facebook ein paar Sätze darüber. Einer seiner Freund las das und schrieb daraufhin einen Beitrag bei Product Hunt – einer Community-Website, auf der Nutzer neue Produkte und Dienste kuratieren. Ob Early-Adopter, Investor oder Entwickler – bei Product Hunt treiben sich nicht nur Nerds, sondern auch das Who-is-Who der Tech-Szene herum. Wer hier gut bewertet wird, kann auf mediale Aufmerksamkeit in der Tech-Presse hoffen.
Im Fall von Yo war die Lawine nun nicht mehr aufzuhalten: Der Dienst knackte nur wenige Wochen nach den Posts von Scoble und bei Product Hunt gleich zwei Millionenmarken: Erst hatte die App eine Million Nutzer, dann erhielt sie eine Million US-Dollar an Risikokapital für die Kriegskasse. Beides zur gleichen Zeit war selbst für die boomende App-Industrie im Silicon Valley ungewöhnlich – zwei Mal eine Million in diesem frühen Stadium, das passiert auch in Kalifornien nicht alle Tage.
Laut Hogeg hätten die beiden zu diesem Zeitpunkt sogar noch viel mehr Geld einsammeln können. Sie verzichteten aber erstmal darauf, weil sie noch keine konkreten Ideen für die Entwicklung hatten. Zu den Investoren zählten bis dahin unter anderem der Mashable-Gründer Pete Cashmore sowie Ubers Vice President of Growth Ed Baker. Sie glaubten an die vermeintlich dümmste App der Welt, die bei genauerer Betrachtung jedoch auf einer extrem cleveren Technologie basiert.
Erst war das YO – dann Videos, Bilder, Links und Locations
Wie lässt sich der Hype um Yo aber nun erklären? „Den Dienst kann man sich als ein Kommunikationsprotokoll wie SMS, E-Mail oder Twitter vorstellen“, erklärte Or Abel gegenüber dem Wall Street Journal. Yo bietet standardmäßig jeder Person, jedem Unternehmen und jedem Web-Dienst einen Zugang zur Mitteilungszentrale auf dem Smartphone eines Nutzers, denn ein verschicktes „YO!“ erscheint mittels Push-Mitteilung direkt auf dem Sperrbildschirm – genau neben dem Symbol des verpassten Anrufes, der eingegangen WhatsApp-Nachricht oder dem Status des Netzempfanges.
Yo-Mitteilungen sieht der User also auch dann noch, wenn er eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist. Entgehen kann ihm so nichts mehr. Der Konfigurationsaufwand ist mit einem einfachen Klick auf den Subscribe-Button extrem gering – anders als etwa bei einer E-Mail-, WhatsApp- oder SMS-Nachricht, über die Anbieter von Medieninhalten nur über Verbindungsdienste wie IFTTT News aus ihrem RSS- oder Twitter-Feed auf das Smartphone ihrer Abonnenten schicken können.
Mit dem frischen Geld ergänzten die Macher die App um einige wichtige Funktionen und erweiterten so das Angebot. So können Unternehmen seit dem ersten großen Update auch Videos, Bilder und Links verschicken. Die Nutzer haben zudem die Möglichkeit, ihren Standort zu teilen. Die Einsatzszenarien sind somit um einiges vielfältiger, als sie es noch am Anfang waren.
Bedenkt man, dass das Smartphone die Mitteilungszentrale unserer Zeit ist, könnte das Benachrichtigungssystem von Yo zum wichtigsten Hebel für Inhalteanbieter aller Couleur werden. Dass das so ist, haben vor allem englischsprachige Medienhäuser verstanden: Sie testen das Angebot schon seit einigen Monaten. Ihre Ansätze sind dabei genauso spannend wie unterschiedlich.
Drei clevere Beispiele
Seit Januar hat die British Broadcasting Corporation (BBC) einen BBC-Trending-Kanal bei Yo eingerichtet. Besonders oft geteilte Online-Artikel gehen damit automatisch an alle Yo-Channel-Abonnenten der BBC. Im Yo-Store, der alle Kanäle listet, können Interessenten den Service per einfachem Kick auf den Anmelde-Button abonnieren und bekommen dann die entsprechenden Inhalte direkt auf ihr Smartphone serviert – egal, ob es dabei um Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport geht.
Ähnlich wie die BBC macht es TechCrunch. Auch bei dem US-amerikanischen Startup-Magazin aus San Francisco geht es um Meldungen, die für besondere Aufmerksamkeit beim Leser sorgten. Im Gegensatz zur BBS wertet TechCrunch jedoch die Signale auf Twitter und nicht von der Website aus. Nur Tweets, die über 250 Retweets haben, gehen ebenfalls an den Yo-Abonnenten – er erhält also nur die News, die für die TechCrunch-Follower von besonderem Interesse waren. Für viele ist so eine Kuratierungsfunktion im Rauschen des Twitterfeeds Gold wert. Dem Medium wiederum bringt Yo zusätzliche Reichweite.
Nicht weniger spannend ist das Nutzungsszenario des Reiseverlags Lonely Planet. Der Channel „LP Local“ kann nämlich sogar mit dem Standort der Yo-Abonnenten interagieren. Wer ein „YO!“ mit der derzeitigen Location an den Kanal schickt, bekommt einen Blogpost mit der nächstgelegenen Sehenswürdigkeit auf sein Smartphone. Die Idee ist richtungsweisend, auch wenn das Angebot inhaltlich noch ausbaufähig ist – bis jetzt werden nur die wirklich großen Metropolen unterstützt. Wer sich in Hamburg befindet, bekommt den Tipp, sich die Berliner Mauer anzuschauen.
Nicht nur für Medienunternehmen
Dass Yo nicht nur für Medienunternehmen interessant ist, zeigt Starbucks: Haben die Kunden in San Francisco einmal ihre Bestelldaten hinterlegt, können sie sich ihren Kaffee mit einem „YO!“ liefern lassen – per digitaler Standleitung sozusagen.
Und „YoMyPackage“ veranschaulicht, wie Versanddienstleister Yo einsetzen können. Paketzusteller senden einfach ein „YO!“ an den Empfänger, sobald sie bei der Auslieferung seiner Sendung sind. Dafür tragen Kunden in dem Kanal ihren Namen und die Paketnummer ein. Der Channel unterstützt bislang Paketzusteller wie FedEx, USPS, UPS und Lasership.
Yo ist eine extrem sinnvoll reduzierte Kommunikationsplattform für Websites, Menschen und alles, was sich irgendwie mit dem Internet verbinden lässt – und das erweist sich heute in der von Yo realisierten Einfachheit als extrem nützlich und hilfreich. Die App, die anfangs alle für einen Scherz hielten, kann mittlerweile sogar Leben retten: Der Channel „LargeEarthquake“ informiert seine Abonnenten etwa über Erdbeben der Stärke 6.0 und höher in ihrer Region und der Kanal „Red Alert: Israel“ warnt seine Yo-Nutzer über ankommende Raketeneinschläge.
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Andreas Weck ist Redakteur beim t3n Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig. Zuvor betreute er als Projektleiter das Online-Magazin Netzpiloten.de und arbeitete als Freier Journalist für verschiedene Online-Medien. Auf Twitter ist er als @AndreasWeck unterwegs.
Ich verstehs nicht… Mein Handy bimmelt. Yo! Dann guck ich nach: Ah, vom Paketdienst. Und nun? Steht er vor der Tür? Oder fährt er los? Und wenn er im Stau steht, schickt er dann ein zweites YO! ? Und woher weiss ich das es ‚Stau‘ bedeutet. Und können die Raketenleute Entwarnung geben? Und bekomme ich nur eine Sehenswürdigkeit von Lonely Planet? Und wenn ich da schon war? Oder gerade lieber was essen will? Muss ich dann McDonalds YOen? Und wenn t3n YOd hätte ich gerne auch den Titel damit ich weiss ob es mich auch interessiert oder nur 250 andere Leute. Hab gehört das auch Chelsea London bei einem Tor ein Yo verschickt? Auch für Gegentore? Und selbst wenn nicht: Wie stehts nach 4 YOs ? 4:0? 2:2? 4:5? Hmm…..