Digitale Produktplatzierung: Tschüss, Werbeblock?
„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man kriegt.“ Stell dir vor, du schaust auf dem Streamingdienst deiner Wahl wieder einmal „Forrest Gump“. Es ist wie immer dieser Satz, der fällt. Aber das dazugehörige Bild ist nicht immer dasselbe. Als du den Film das erste Mal gesehen hast, stand auf Forrests berühmter Pralinenschachtel „Russel Stover“ – eine traditionsreiche US-Marke, die hierzulande jedoch kaum einer kennt. Jetzt ist da der Name Ferrero zu lesen. In einigen Monaten schaust du wieder mal in den Film rein – und nun lautet die Aufschrift auf der Schokoladenschachtel Niederegger. Oder Lindt.
Nahtlos in das Video eingepasste Werbung
Dieses Szenario bietet das britische Unternehmen Mirriad an: Es kann in bestehendes Videomaterial Werbung einfügen, die so glaubhaft wirken soll, als sei sie ursprünglich mitgefilmt worden. Mirriad nutzt eine KI, die in einem Film oder einer Serie Szenen und Bildbereiche erkennt, in denen Werbetafeln eingefügt werden können. Oder gleich die beworbenen Produkte wie etwa Sektgläser, Kaffeebecher und Autos ergänzt werden. In Showreels präsentiert Mirriad sein Produkt und stellt sich selbst mit dem Slogan „Advertising for the Skip Generation“ vor.
Die nachträgliche Einfügung von Werbung in Videomedien ist nicht neu. Man kennt Werbeflächen wie die Bandenwerbung bei Sportübertragungen, über die je nach Ausstrahlungsgebiet ein anderer Werbeinhalt gelegt wird. Vor Jahren bekam auch die Serie „How I Met Your Mother“ für eine erneute Ausstrahlung alter Folgen neue In-Stream-Werbung spendiert – die Ersetzung wurde manuell durchgeführt.
Mirriad punktet jedoch nicht nur mit einer hohen optischen Qualität seiner Ergänzungen. Der Prozess soll auch stark automatisiert sein und es ermöglichen, die In-Stream-Werbung genau für die gewünschte Zielgruppe zuzuschneiden. Die identifizierten Szenen für Produktplatzierung können je nach Ausstrahlungsort, -zeitpunkt oder auch je nach Person des Empfängers mit unterschiedlichem Werbeinhalt gefüllt werden, so das Versprechen der Methode. Werbetreibende können diese Werbeplätze buchen wie auch traditionellere Formen digitalen Advertisings. Das Engagement lässt sich nach Episoden, Serien und Networks fast beliebig weit skalieren.
Produktplatzierung nach dem Dreh hinzufügen
Case-Studies kann Mirriad bereits mit T-Mobile und Seat vorweisen. Die Briten arbeiten mit mehreren Mediendistributoren zusammen, darunter der chinesischen Plattform Tencentvideo, einem der größten Videodienste der Welt. Auch 20th Century Fox zählt zu den Partnern und hat die Technologie in seiner Serie „Modern Family“ getestet.
Die Vorteile gegenüber klassischer Produktplatzierung liegen auf der Hand. Man muss nicht schon beim Dreh festlegen, welche Marke in einem Video beworben werden soll. Und man muss es nicht für alle Ausspielungsorte und -zeiten unveränderlich festlegen. Diese Beschränkungen haben bislang dazu geführt, dass Produktplatzierungen nur für breit angelegte Imagekampagnen verwendet wurden, möglichst zeitlos. Jetzt hingegen könnte man auch lokal und zeitlich begrenzte Angebote sowie Veranstaltungen direkt bewerben.
„Markensichere, unüberspringbare, unblockierbare Bilder mit einem großen Wow-Faktor, die helfen, eine bestehende Bibliothek von Inhalten zu monetarisieren.“
Jodi Chisarick, SVP, General Sales Manager, Disney über die Technologie von Mirriad
Wenn Produktplatzierung so vielseitig einsetzbar ist wie Displaywerbung oder Werbeclips, steigt ihre Attraktivität enorm: Im Unterschied zu den scharf vom redaktionellen Inhalt abgegrenzten Werbeformen lassen sich Produktplatzierungen nicht überspringen oder von einem Adblocker unterdrücken. Wer den Film sehen will, muss auch die in den Szenen eingefügte Werbung hinnehmen.
Werbung suppt in den Film- und Seriengenuss
Bekommen wir es also künftig mit einer Schwemme an Produktplatzierungen zu tun? Die Tendenz zeichnet sich ab. In Deutschland ist Produktplatzierung zwar einigen strengen Regeln unterworfen, sie darf zum Beispiel in fernsehähnlichen Medien nicht bei Nachrichten- oder Kindersendungen eingesetzt werden. Bei fiktionalen Programme und leichter Unterhaltung ist sie jedoch zulässig. Die Mehrheit der Zuschauer wird die nachträgliche Änderung von Serien und Filmen akzeptieren, wenn sich die Werbung auf natürlich scheinende Weise in die Szenerie einfügt. Erweist sich die Produktplatzierung als Erfolg, werden Medienplattformen immer häufiger mit den Nutzungsrechten auch Rechte zur nachträglichen Änderung des Videomaterials erwerben. Nebengeschäft: Filmpuristen, die sich von dieser Praxis mit Grausen abwenden, könnten dann übrigens mit speziellen Angeboten aufgefangen werden: Streaming ohne In-Stream-Werbung – gegen Aufpreis. Erst einen Mangel schaffen, dann das dadurch entstandene Bedürfnis wieder erfüllen.
Am wichtigsten aber ist neben der immer größeren Gewöhnung der Zuschauer an diese Werbung das folgende: Künftig wird sich die Produktion von Serien und Filmen vermehrt an den Bedürfnissen nachträglicher Hinzufügung von Werbung orientieren. Der kreative Prozess wird beeinflusst. Das beginnt bei der Bildaufteilung, die neben dem streitenden Schauspielerpaar genug Platz für eine Werbetafel an der Wand lässt. Und es endet noch nicht bei Mindestlängen für bestimmte Kamera-Einstellungen, damit der auserkorene Werbungsbereich lange genug im Bild bleibt. Auch auf die Handlung kann sich die Technik direkt auswirken. Wenn Forrest Gumps Pralinenschachtel, ein emotionales Symbol in der Geschichte, eine ideale Projektionsfläche für Werbung abgibt, gibt es Anreize, so etwas häufiger in den Plot einzubauen. In der Serienhandlung spielt eine Flasche Whiskey eine besondere Rolle, die der Kommissar für einen besonderen Moment aufhebt? Der Name der Destillerie auf der Flasche ist je nach Ausstrahlung ein anderer. Ein Auto zeigt sich bei einer Verfolgungsjagd als besonders schnell, wendig oder sicher? Je nachdem, wo, wann und wer die Szene betrachtet, handelt es sich um einen Toyota, BMW oder Tesla. Im Englischen spricht man hier nicht mehr nur von reinem Product-Placement, sondern von der komplexeren Product-Integration.
Kein Ende des Werbeblocks
Angesichts der Vorzüge von Produktplatzierungen wollen manche schon einen Abgesang auf unterbrechende Werbeclips anstimmen. Tschüss, Werbeblock? Dafür gibt es keinen Grund. Werbende wünschen sich nach wie vor Formate, in denen ihr Produkt der einzige Star ist und nicht nur nebenbei wahrgenommen wird. Der wachsende Online-Werbemarkt hat uns in den letzten Jahren zudem gezeigt: Neue Möglichkeiten zur Ausspielung von Werbung führen nicht dazu, dass etablierte Formate ausgedünnt werden. Sie kommen einfach zusätzlich drauf. Digitale Produktplatzierung wird dafür sorgen, dass Nutzer stärker als bisher Werbung ausgesetzt sind.
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Wäre immerhin weniger nervig als Pop-Ups, diese behinderten Lücken im Text, diese tollen Balken, die den halben Content verdecken oder im Web mein absoluter Favorit, komplett Magentafarbene Hintergründe, bei denen ich spontan zum Kübeln neige (war mal der Grund warum ich 2 Monate nicht auf spiegel.de war).
Und nun zurück zum Thema: fände ich gut, wenn es gut passt, warum sollte Tim Taylor nicht das t3n Magazin lesen?
Na das wird lustig. T-Online Werbung in knalligem Magenta, künstlich hinzugefügte Plakatwände, wo früher Aussicht oder Leere war (beides kann im Film ja wichtig sein) und ein BMW der penetrant auf der Straße steht, inklusive Werbeschild im Hintergrund. Das Showreel macht etwas Angst. Bei kleineren Objekten wie Laptops oder Kaffeebecher, verstehe ich das noch, alles andere wirkt einfach zu heftig.
Das verändert den Look und Stil einer Szene dann schon ziemlich stark. Passt allerdings zu unserer Zeit und da Filme eh nur noch Spekulationsobjekte sind, keine Kunst mehr (zumindest der Großteil), juckt mich das persönlich auch nicht. Sollen sie die schwachsinnigen Filme eben noch mehr abwerten, indem neben den üblichen Produktplatzierungen jetzt auch noch automatisch generierte hinzukommen.
Wenn wir zu dem Preis endlich Werbeblock freies Fernsehen bekommen, würde ich vielleicht sogar Mal wieder den Fernseher einschalten, denn mein passiver TV Konsum übersteht die langen Pausen nicht.
Als Contentproduzent sehe ich aber rechtliche Probleme, denn bei zielgruppenspezifischer Werbung denke ich an Pornos am Abend platziert in meinem FSK0 Inhalten oder bei YouTube im Tutorial finde ich kann es sehr negativ wirken.
Journalisten sollten immer etwas vorsichtig sein, welche Behauptungen der Industrie oder ihrer „Experten“ genannten Lobbyisten und Verkäufer sie für bare Münze nehmen und in den Fließtext übernehmen statt sie als Zitate zu verarbeiten.
Man sollte bedenken: So ziemlich jede Technologie landet früher oder später in den Händen der Endverbraucher. Besonders natürlich softwareseitig. Und da sehe ich überhaupt kein größeres Problem darin, mit genau der gleichen Technologie nachträglich eingefügte Werbeinhalte zu überschreiben. Da wird es, analog zu Untertiteln, einen Markt geben und genug Freiwillige. Dann wird die Coca-Cola-Werbung in Mad Max eben durch eine Pip-Boy Anzeige im 60erjahre-Stil überschrieben, und die Wahlwerbung für die CSU in 1984… wobei, nee, das passt dann eigentlich auch wieder ganz gut…
Solange man sich Werbeblöcke spart, warum nicht. Markentreue ist spätestens seit der roten Reichsflagge eh in Frage zu stellen, aber wenn die glauben nur zu.
Und zum BMW am Straßenrand habe ich direkt gedacht: „Schaut Mal an, selbst im Film gibt es behinderte BMW Fahrer die allen auf den Sack gehen und keine Verkehrsregeln kennen…“ Ob das so wirklich die Message sein soll?
Oder man schaut in die leere und da hängt auf einmal so ein …was machen die in Pink nochmal? Reiseveranstalter? Und man denkt doch glatt an Thomas Cook…
Das ist auf jeden Fall ein ganz interessantes neues Gebiet der Werbung, mal schauen, was da noch kommt….
Das klingt super interessant und könnte das Thema Produktplatzierungen in dem nächsten Jahrzehnt revolutionieren. Was wäre, wenn eingebundene Produktplatzierungen nicht mehr permanent sind, sondern sich alle paar Jahre mal ändern? Sowohl für den Werbeanbieter als auch für den Werbetreibenden entstehen hier Chancen.