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Wirecard: Warum der Skandal eine bittere Pille für die deutsche Fintech-Szene ist

Der Fall Wirecard ist mehr als nur ein Wirtschaftskrimi, der fast zu verrückt klingt, um ein glaubwürdiger Filmstoff sein zu können. Es ist ein Fall, der gerade Startups in der Fintech-Szene noch negativ treffen könnte.

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In Aschheim wehen die Fahnen heute wohl auf Halbmast, bestenfalls. (Foto: dpa)

Es ist ja jetzt nicht so, dass wir mit Wirecard nicht schon ein paar Peinlichkeiten erlebt hätten, den einen oder anderen kleineren oder größeren Skandal. Doch das, was sich das Unternehmen in den letzten Tagen leistet, ist selbst für alle, die die Dotcom-Ära erlebt haben, bemerkenswert: Ein Unternehmen, das Deutschlands Top-30-Index angehört, das zu den Großkonzernen der Republik zählt, hat offenbar nicht unbeträchtliche Ungereimtheiten in seiner Bilanz. Die Rede ist von 1,9 Milliarden Euro, die – das hat das Unternehmen inzwischen eingeräumt – in der Kasse fehlen könnten (von überwiegender Wahrscheinlichkeit ist die Rede) und nie auf den philippinischen Treuhandkonten angekommen sein sollen, wo sie eigentlich hingehören. Die Bewertung des Unternehmens wurde zwischenzeitlich von Moody’s drastisch heruntergestuft, inzwischen sogar ausgesetzt, weil man sich nicht in der Lage zu einer profunden Bewertung sehe. Die Konzernmanager Markus Braun und Jan Marsalek müssen nach Berichten der Süddeutschen wohl außerdem mit Haftbefehlen rechnen.

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Über die Entstehungsgeschichte – inklusive „Schmuddelgeschichten“ und „dubiosen Deals“, wie es bereits im Einstieg des Artikels heißt – hat die Wirtschaftswoche bereits ausführlich berichtet. Doch in den letzten Jahren war Wirecard vor allem eines: ein aufstrebender, international erfolgreicher und zunehmend respektierter Payment-Konzern, der sein Geld hierzulande vor allem mit Business-Lösungen für den E-Commerce verdient und erst so langsam und nebenbei auch mit Endkunden Erträge erzielen will. Mit Boon sollte das auch in Deutschland klappen. Doch mit dem Vertrauen der Verbraucher dürfte jetzt schwierig werden.

1,9 Milliarden Euro gibt es höchstwahrscheinlich nicht

Die Ungereimtheiten bei Wirecard sind nicht eindimensional. Im vergangenen Jahr hatte die Financial Times dem Unternehmen diverse Finanzmanipulationen unterstellt, in deren Folge eine Sonderprüfung der Bilanz anstand. Die Bilanz sollte nun am vergangenen Donnerstag vorgestellt werden – was erneut verschoben wurde. Am Freitag erklärte die philippinische Bank, dass besagte 1,9 Milliarden Euro nicht dort seien, es folgte der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Markus Braun. Geradezu popcorn-verdächtig auch eine Formulierung, die das Unternehmen heute genutzt hat: Die entsprechenden Gelder auf den Konten gebe es mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ gar nicht.

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Für Felix Hufeld, den Chef der Finanzaufsichtsbehörde Bafin, ist all das eine Schande. Allerdings eine, bei der die Finanzaufsicht offenbar auch nicht ausreichend hingesehen und geprüft hat. Während der Behörde der Ruf vorauseilt, bei kleinen Fintechs genau hinzusehen, haben sie beim großen Dax-Konzern Wirecard, der vor zwei Jahren sinnigerweise auch noch parallel zum Ausscheiden der Commerzbank in Deutschlands Top-Index aufrückte, offenbar einiges übersehen. Immerhin hat die Bafin 2019 zum ersten Mal in ihrer Geschichte bei einem Unternehmen die Leerverkäufe vorübergehend ausgesetzt – also verboten, dass auf deren Kursverluste Wetten abgeschlossen werden. Wollte die Behörde verhindern, dass Wirecard zum Spielball der Märkte wird oder ahnte sie da bereits mehr, als man sagen wollte?

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Während sich zu vielen aktuellen Ereignissen in der Finanzwelt oft Führungskräfte aus anderen Unternehmen oft sogar ungefragt äußern, halten sich die üblichen Verdächtigen hier inzwischen bemerkenswert zurück. Selbst auf Anfrage will sich heute niemand mehr namentlich zitieren lassen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es dann allerdings, dass davon vor allem die etablierten Banken mit einem gesunden Misstrauen gegenüber Fintechs profitieren könnten, während das Zutrauen in Fintechs (insbesondere bei den Endkunden) weiterhin angespannt bleiben werde.

Fall Wirecard beschädigt die Bafin und die Fintech-Szene

Der Fall Wirecard ist nämlich mehr als nur eine filmreife Geschichte über ein Unternehmen, das in den letzten zwanzig Jahren vieles erreicht hat, manchem suspekt blieb, zugleich aber auch insbesondere in den letzten fünf Jahren als eine deutsche Erfolgsgeschichte galt. Jetzt könnte Wirecard zu einem Imageschaden für die deutsche Finanz- und Bankenszene führen, insbesondere auch Investoren abschrecken, die in den letzten Jahren die Startups der Finanztechnologie als durchaus interessante Spielwiese sahen.

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Beschädigt ist aber auch der Ruf der deutschen Finanzaufsicht, die zumindest in der internationalen Fintech-Szene einen Ruf als gerechte Aufsichtsbehörde genoss. Die Bafin gilt als weniger pingelig, als es der britischen Financial Conduct Authority (FCA) nachgesagt wird – und dadurch in Maßen auch aufgeschlossen für Unternehmen der Fintech-Szene, die in den letzten Jahren weltweit einen bemerkenswerten Aufstieg erlebte. Hier gilt es, in Zukunft fein zu trennen: zwischen technologischen und bilanziellen Themen. Denn unterm Strich könnte der Fall Wirecard in ähnlicher Form auch in anderen (komplexen) Branchen passieren.

Zunächst leidet vor allem die Wirecard-Aktie: Rund 14 Euro ist das Papier derzeit an den Märkten wert, mehr als 190 Euro wurden vor gerade einmal zwei Jahren aufgerufen, als die Wirecard die Commerzbank aus dem Dax stieß – welch symbolträchtiges Bild. Sieht so aus, als ob der Traum des Payment-Vorzeigeunternehmens erst einmal ausgeträumt ist. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich ein Teil der Vorwürfe als nicht ganz so gravierend herausstellen würde, wird Wirecard ein Unternehmen bleiben, dem diese Skandal auf Dauer anhaften wird. Hoffen wir, dass Fintechs mit interessanter Technologie und sauberer Bilanz nicht ebenfalls darunter leiden müssen.

 

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Kommentare (1)

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Ricardo

Es ist wirklich absolut heftig was bei Wirecard in den letzten Tagen geschehen ist. Ich erinnere mich hier an den Bilanzskandal von Steinhoff International, bei welchem unter anderem einige Luftbuchungen die Bilanz deutlich aufgebläht haben. Es bleibt abzuwarten, OB das Geld, das ursprünglich auf den Treuhandkonten liegen sollte, überhaupt je existierte. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die aktuell finanzierenden Banken ihre Kredite fällig stellen… Eine Zahlungsunfähigkeit von Wirecard und die daraus resultierenden, unvorhersehbaren Auswirkungen dürften in keinermanns Interesse sein.

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