Wirecard – führte eine Intrige unter Kollegen zum Kursrutsch der Aktie?
Vergangene Woche geriet die Wirecard-Aktie unter Druck: Mehr als dreißig Prozent Kursrutsch und Vorwürfe gegen das Unternehmen. Zwischenzeitlich notierte die Aktie, die im vergangenen Jahr als Aufsteiger in den Dax eintrat, um die 105 Euro, inzwischen liegt der Kurs wieder bei über 130 Euro. Grund für den Absturz in der vergangenen Woche war ein Artikel der Financial Times. Der unterstellte Tochterunternehmen aus Singapur, die Umsätze mittels fingierter Verträge frisiert und aufgehübscht zu haben. Um Transaktionen in der Größenordnung von 37 Millionen US-Dollar gehe es dabei.
Wirecard tat das einzig Richtige – eine sofortige interne Untersuchung und eine externe Aufklärung durch eine Anwaltskanzlei. Die bescheinigt nun, man habe kein strafbares Fehlverhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter der Niederlassung in Singapur gefunden. Ein erster Schritt zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens, das die Börse mit Aufatmen und einem Kurssprung nach oben quittierte. Wirecard-CEO Markus Braun beruhigte in einem Investoren-Call die Aktionäre, man habe alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Wirecard: Bewegte Vergangenheit
Dass die Investoren bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard so empfindlich reagieren, hat Gründe. Einerseits handelt es sich um einen Dax-Wert, der immerhin je nach Tagesform 1,5 Prozent des Dax ausmacht, andererseits gab es in den letzten zehn Jahren immer mal wieder Vorwürfe gegen das Unternehmen: 2016 hatte eine Studie dem Zahlungsabwickler Geldwäsche unterstellt, auch Betrugsvorwürfe gegen die Kreditkartenfirma Mastercard standen im Raum – Vorwürfe, gegen die das Unternehmen mit Recht vorgeht (und für die bisher auch noch keine Beweise erbracht werden konnten). Auch ältere Vorwürfe der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger konnten nicht bewiesen werden, in denen die SdK dem Unternehmen falsche und irreführende Bilanzierung vorwarf.
Die Anfangstage um die Jahrtausendwende waren bei Wirecard indes vor allem geprägt durch „Sex und dubiose Deals“, wie es die Wirtschaftswoche überschreibt. Der Plot ist so komplex und zugleich schillernd, dass er an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden muss – es geht dabei um Dialer, um Bezahlverfahren im Internet für Branchen, die bei den etablierten Partnern eher wenig angesehen waren und um CEO Markus Braun, der mit immensem Ehrgeiz Wirecard zu dem umsatzstarken Zahlungsdienstleister machte, der er heute ist. Klar ist aber, dass die Börse das erfolgreiche Payment-Fintech, das es schon in einer Zeit gab, in der der Begriff Fintech noch nicht mal ansatzweise bekannt war, anders bewertet als etwa eine Bank oder Kreditkartenfirma. Denn ein paarmal zu oft gab es Vorwürfe, die zwar allesamt unterm Strich nicht nachgewiesen werden konnten, aber in Teilen dennoch an Wirecard hängen blieben.
War es nur eine persönliche Fehde bei Wirecard in Singapur?
Die Erklärung, die CEO Markus Braun für die Kursturbulenzen der letzten Woche liefert, klingen nach einer persönlichen Fehde zwischen einzelnen Mitarbeitern aus Singapur. Ein Mitarbeiter soll Bedenken wegen angeblicher Handlungen eines Kollegen gegenüber der Compliance-Abteilung geäußert haben, daraufhin habe es entsprechende Dokumente gegeben, auf denen wiederum der Financial-Times-Artikel beruht und entstanden ist. All das fand offenbar bereits im Frühjahr 2018 statt – ein Abschlussbericht wird allerdings aufgrund der Komplexität des Falls erst demnächst erfolgen, so Braun, der zugleich ein entsprechendes Dokument der beauftragten Anwaltskanzlei öffentlich gemacht hat.
t3n meint: Also alles halb so schlimm? Ja und nein. Denn der Fall zeigt, dass insbesondere in der Digitalwirtschaft ein Unternehmen schnell in Verruf kommen kann und dass sich das möglicherweise auch in Kursabschlägen niederschlagen kann, von denen sich nicht jede Firma so schnell erholt wie der Hoffnungsträger Wirecard. Ohne den Rückhalt der Dax-Notierung hätte man Wirecard sicherlich anders bewertet – ohne ihre Vergangenheit allerdings andersherum auch. Tobias Weidemann
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