Wer nach acht Stunden Regelarbeitszeit nach Hause geht, wird schief angeguckt. Überstunden und Extraarbeit gehören in vielen Unternehmen zum guten Ton. Damit soll jetzt Schluss sein. Der Internet-Trend Quiet Quitting stellt die mentale Gesundheit über die Arbeit.
Dabei ist Quiet Quitting keine „stille Kündigung“. Die Idee hinter dem Trend ist viel simpler: Man tut nur das, was im Vertrag festgelegt ist. Nicht mehr und nicht weniger.
Was ist Quiet Quitting?
Quiet Quitting ist ein neuer Trend aus dem Netz, der mit der Überstundenkultur in vielen Unternehmen bricht. Der Fokus wird auf eine gesunde Work-Life-Balance gesetzt. Etwas, das in der heutigen Arbeitswelt häufig hintangestellt wird. Die mentale Gesundheit steht im Vordergrund und löst die Annahme ab, immer eine Extrameile gehen zu müssen, um beruflich erfolgreich zu sein.
Unbezahlte Überstunden adé: Wer Quiet Quitting betreibt, der arbeitet nicht mehr, als vertraglich vereinbart ist. Keine Sonderaufgaben. Keine Bereitschaft im Urlaub. Fragen wie „Könntest du das noch schnell erledigen?“ werden mit „Nein“ beantwortet. Es wird nur so viel gearbeitet, wie für den Job nötig ist.
Dazu gehört auch das Verzichten auf Extrabemühungen. Du kommst nicht eher, als du musst, nur weil dein Chef dich darum bittet. Auch an Meetings, die nicht verpflichtend sind, nimmst du nicht teil. Schließlich steht das nicht in deinem Arbeitsvertrag.
Quiet Quitting ist eine stille Grenzziehung zwischen dem, was zu deinem Aufgabenbereich gehört, und dem, was nicht dazugehört.
Wer hat Quiet Quitting erfunden?
Viral gegangen ist der Quiet-Quitting-Trend durch einen Clip auf Tiktok, den Zaid Kahn (@zaidlepplin) hochgeladen hat. Darin erklärt der New Yorker seine Idee des Arbeitens: „Du gibst die Idee auf, mehr zu tun, als du willst. Du erfüllst immer noch deine Pflichten, aber du folgst nicht mehr der Mentalität der Hustle Culture, dass die Arbeit dein Leben sein muss.“
Laut der Los Angeles Times wurde der Begriff „Quiet Quitting“ erstmals von Bryan Creely genutzt. Der Karrierecoach soll bereits am 4. März 2022 ein Video zu dem Thema auf Tiktok und Youtube hochgeladen haben.
Ist Quiet Quitting ein echter Trend?
In Deutschland gehören Überstunden zum Berufsalltag dazu. 2021 haben durchschnittlich 4,5 Millionen Arbeitnehmer:innen mehr gearbeitet, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) hervor. 22 Prozent der Mehrarbeit wurden dabei in Form von unbezahlten Überstunden geleistet.
Die Grundlage für den Quiet-Quitting-Trend ist also auch in Deutschland gegeben. Die Idee durch den Dienst nach Vorschrift einen beruflichen Burn-out zu vermeiden und dem persönlichen Wohlbefinden mehr Aufmerksamkeit zu schenken, könnte für viele Arbeitnehmer:innen ein Anreiz sein, den Tiktok-Trend mal auszuprobieren. Besonders junge Menschen stellen die klassischen Arbeitsmodelle immer häufiger infrage und setzen den Fokus auf eine gesunde Work-Life-Balance.
Welche Kritik gibt es am Quiet-Quitting-Trend?
Dem Quiet-Quitting-Trend wird viel Kritik entgegengebracht. Nicht nur von Arbeitgeber:innen. Wer was erreichen will, muss auch mal eine Extrameile gehen und sich von anderen abheben, heißt es oft. So hat es sich zumindest in der Gesellschaft etabliert. Diese Extrameile auf der Karriereleiter gibt es beim Quiet Quitting nicht.
Ein weiterer Kritikpunkt am Tiktok-Trend: Quiet Quitting ist nur für privilegierte Menschen. People of Colour, Menschen mit Behinderung und andere benachteiligte Gruppen werden im Zweifelsfall beim Stellenabbau zuerst gefeuert.
In Zeiten des Fachkräftemangels kommt der Quiet-Quitting-Trend für manche Branchen höchst ungelegen. Schließlich lassen sich in Branchen, in denen zahlreiche Stellen unbesetzt bleiben, Überstunden oft nicht vermeiden. So ist Quiet Quitting beispielsweise in Pflegeberufen wegen der Sorge um Menschen kaum möglich. In systemrelevanten Jobs lässt sich die anfallende Arbeit häufig nicht auf den nächsten Tag verschieben.
Wenn Aufgaben unerledigt bleiben, gibt es meist als erstes einen Leittragenden: die Kolleg:innen. Die müssen die Arbeit im Zweifel übernehmen oder stehen mit den Überstunden alleine da. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, die stille Grenzziehung auch laut zu kommunizieren. Helfen können dabei die folgenden Tipps.
Grenzen im Job setzen
Quiet Quitting bedarf klarer Kommunikation. Wer keine Überstunden machen will, muss klar kommunizieren, was im Rahmen des Möglichen ist. Das ist häufig eine Herausforderung. Aus Angst vor Konsequenzen verzichten viele darauf und nehmen ein paar Extrastunden in Kauf.
Das Nein zu einer Aufgabe sollte gut begründet sein, ohne es ausführlich zu erklären. Dabei helfen Sätze wie „Ich mache das gerne für Sie. Welche andere Aufgabe soll ich dafür weglassen oder später erledigen?“ oder „Das Lob freut mich sehr, trotzdem habe ich momentan leider keine Zeit, das noch zu übernehmen“.
Was ist Soft Quitting?
„Soft Quitting“ wird häufig als Synonym für Quiet Quitting verwendet. Der Begriff spielt auf die seichte Grenzziehung an, die beim Quiet Quitting im Fokus steht.
Man bekommt, was man bezahlt. Ob überhaupt noch festzustellen ist, wer es erfunden hat? Wenn jemand im Supermarkt 5 Flaschen Saft bezahlt, bekommt die Person genau die und wird kaum erwarten stattdessen 7 mitnehmen zu dürfen weil es heiss ist und sich mehr Durst einstellt.
Warum soll das mit Arbeitsstunden anders sein? Klar, die eingekauften Stunden sollten tüchtig mit sorgfältiger Arbeit angefüllt sein. Aber „ich erwarte 45 Stunden und bezahl nur 30“ – wtf? Probier das mal am Saftregal. Wer die Lebenszeit seiner Mitarbeiter*innen so gering einschätzt, steht hoffentlich bald alleine da und ist für Betriebswirtschaftliche- sowie Führungsaufgaben ungeeignet.
Der oben eingeführte Begriff sollte normal akzeptiertes Verhalten für Arbeitnehmer sein.
Das gibt es schon „immer“, nannte sich bisher nur „Dienst nach Vorschrift“.