„Im vierten Berufsjahr sind sie noch Baby-Anwälte“, schrieb dieser Tage jemand im Internet. Derweil sucht eine Beratungsfirma Junior-Consultants mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung. Selbst mit inzwischen mehr als 15 Jahren Berufserfahrung würde ich sagen: Das ist respektlos. Und in einem Arbeitsmarkt, in dem junge Expertinnen und Experten zunehmend mehr Macht bekommen, ist es ein ziemlich unglücklicher Move.
Junior ist das lateinische Wort für „Jünger“, das macht die Bezeichnung auch nicht besser. In einer Familie bezeichnet es Söhne, die den Namen ihres Vaters aufgedrückt bekamen. In Deutschland gibt es noch eine Kinder-Zeitschrift und einen Kinder-Fernsehsender dieses Titels.
Irgendwas müssen die Einsteiger:innen ja machen
In die öffentliche Debatte gebracht hat das Thema Nina Weise, Expertin für politische Kommunikation. Sie kritisierte eine Stellenanzeige im Bereich Public Affairs, ausgeschrieben mit Junior-Titel. Voraussetzung: zwei bis vier Jahre Berufserfahrung. Ein fatales Signal, schreibt Weise. „Es geht um das Signal an Berufseinsteiger in unserer Branche.“ Denn auch diese müssten adäquate Stellen finden. Und nicht alle guten Leute bringen die geforderten Berufsjahre mit.
Eine Branche, die verhindern will, dass sich ihre Nachwuchskräfte anders orientieren, muss also erreichbare Einsteigerjobs schaffen – Praktika sind nicht gemeint. Und sie muss gleichzeitig für jene, die Erfahrung mitbringen, angemessene Positionen bereithalten. Die Menschen werden sonst gehen.
Junior-Titel: Wo ist die Grenze?
Wie grenzt man die Titel also ab? Auf Nachfrage schreibt mir Nina Weise: „Aus meiner Sicht liegt die Grenze zwischen Junior und Senior nicht unbedingt in der rein fachlichen Kompetenz.“ Insbesondere in schnelllebigen Berufsfeldern nähmen sich Junior und Senior im fachlichen Know-how nicht viel. Weise hat beobachtet: „Oft sind es auch die Junioren, die Formate konzipieren, Texte schreiben oder Videos schneiden.“
Die Grenze zum Senior liege bei Kompetenzen, die erst mit einer gewissen Berufserfahrung aufgebaut werden können. „In der Kommunikation sind das übergreifende Themen wie Kampagnensteuerung, Projektverantwortung – oft verbunden mit Kundenbetreuung oder Teamführung.“
Gebt euch mehr Mühe!
Frei assoziiert würde ich sagen: Beim Junior-Titel denken wir an absolute Anfänger, schlecht bezahlt und wenig respektiert. Wie der Titel gemeint ist, ist damit unerheblich. Es gilt, was er transportiert. Und er transportiert nichts Gutes. Nicht umsonst bekommen heutzutage auch Teammitglieder Management-Titel, wenn sie eben genau das tun: managen.
Wer dieses Problem darauf reduziert, dass junge Leute „nur“ Titel wollen würden, der übersieht die Wirklichkeit: Titel zählen, denn Titel wirken sich auf die Wahrnehmung aus. Von innen und nach außen. Sie wirken sich auch auf die Bezahlung aus. Aber Menschen mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung können zu Recht mehr als ein Taschengeld verlangen.
Wenn die Botschaft lautet, dass Kolleginnen und Kollegen mit weniger Erfahrung als die ganz alt-eingesessenen im Titel abgegrenzt werden sollen, dann wäre meine Antwort: Macht das. Aber macht es besser. Das Internet ist voll mit Consultants. Eine:r von denen hat bestimmt eine Idee, wie man Menschen mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung nennen kann, ohne sie zu verniedlichen.
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