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Intels Chipfabrik-Desaster: Das hätte mit den 10 Milliarden Euro passieren können

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr staatliche Hilfen von knapp zehn Milliarden Euro für die Ansiedlung von Intels Chipfabrik in Magdeburg in Aussicht gestellt. Daraus wird nun erstmal nichts – aber wir haben Ideen, wo das Geld nun hingehen könnte.

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Scheinen recht ideenlos: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, l), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, auf dem Podium beim Startup Germany Summit 2024 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. (Foto: picture alliance/dpa | Carsten Koall)

Intel hat finanzielle Probleme. So sehr, dass selbst knapp zehn Milliarden Euro Subvention für den Bau einer Chipfabrik in Magdeburg nicht ausreichen, um das Vorhaben zeitnah umzusetzen. Die Planungen für den Bau wurden verschoben – und das bereitgestellte Geld ist jetzt wieder frei.

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Die Bundesregierung ist sich in gewohnter Form uneins darüber, was mit den knapp zehn Milliarden Euro nun geschehen soll. Robert Habeck von den Grünen will es im Klimafonds belassen, Christian Lindner von der FDP will damit Lücken im Haushalt schließen.

Aber auch wir haben einige Ideen, wo in Deutschland gerade zehn Milliarden Euro gut zu gebrauchen wären – auch wenn es in vielen Bereichen deutlich mehr bräuchte.

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Wissenschaftlicher Nachwuchs und KI-Infrastruktur (Wolfgang Stieler)

Dass Studierende, die in der Forschung arbeiten wollen, sich mühsam jahrelang von einem befristeten, unterbezahlten Job zum nächsten durchschlagen müssen, um dann am Schluss oft genug doch auf der Straße zu stehen, ist nicht nur für die Betroffenen blöd. Es ist auch eine gigantische Verschwendung von Zukunftspotenzial. Zehn Milliarden Euro könnten 10.000 Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs über zehn Jahre mit je 100.000 Euro finanzieren. Setzt man die Finanzierung niedriger an, reicht es für mehr Menschen – oder entsprechend länger.

Und natürlich müssten wir endlich Geld für KI-Infrastruktur in die Hand nehmen. Sich nur darauf zu verlassen, dass OpenAI und Co. den Fortschritt schon „zum Wohle der Menschheit“ in die richtige Richtung treiben, scheint mir mehr als naiv. Wir brauchen eigene, nach Möglichkeit öffentlich finanzierte und kontrollierte KI-Modelle. Ein Rechenzentrum, auf dem ein deutsches LLM trainiert werden kann: Kostet um die 500 Millionen Euro.

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Dazu kommen noch Trainingskosten von vielleicht 200 Millionen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Kosten seit der Machbarkeitsstudie von 2023 stark gestiegen sind, dürfte das Projekt nicht mehr als eine Milliarde kosten. Mit den restlichen neun Milliarden würde ich weitere regionale KI-Rechenzentren und vor allem Bildung, Weiterbildung und Ausbildung in Sachen KI finanzieren.

Die Bahn und das Deutschlandticket (Claudia Wieschollek)

Die frei gewordenen Subventionsgelder sollten unbedingt so vielen Menschen wie möglich zugutekommen – was bietet sich da besser an als mobile Infrastrukturprojekte? Nehmen wir zum Beispiel das Deutschlandticket: Nach erbitterten Streits haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, es mit jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr zu bezuschussen. Allerdings nur bis Ende 2025 – wie es danach weitergeht, soll Ende dieses Jahres besprochen werden. Verkehrsminister Volker Wissing hat mehrfach betont, dass vom Bund keine weiteren Zuschüsse zu erwarten seien.

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Noch kann niemand genau sagen, welche Gesamtkosten das Deutschlandticket wirklich verursacht – glaubt man den Verkehrsverbünden, reichen auch die zugesagten drei Milliarden Euro im Jahr nicht aus, um die Verluste auszugleichen. Die zehn Milliarden Euro aus der geplatzten Intel-Subventionierung würden vermutlich nicht ausreichen, um den Preis des 49-Euro-Tickets stabil zu halten oder die Gesamtkosten über mehrere Jahre zu decken. Doch sie könnten wertvolle Zeit erkaufen, in der Bund, Länder und Verkehrsverbünde mit neuen Daten ein nachhaltiges Konzept auf den Weg bringen könnten.

Computerspiel-Förderung (Matthias Kreienbrink)

Es mag zunächst unwichtig klingen: Geld für Computerspiele? Aber zwei Gründe sprechen dafür, aktuell mehr Geld in diese Branche zu stecken. Sie schwächelt nämlich derzeit: hunderte Menschen haben auch in Deutschland in den vergangenen Monaten ihre Arbeitsplätze verloren. Studios wurden geschlossen. Eine finanzielle Förderung, die deutlich breiter aufgestellt und sicherer als die aktuelle wäre, könnte neue Arbeitsplätze schaffen und auch internationale Fachkräfte aus IT und Games-Entwicklung nach Deutschland holen.

Gleichzeitig fördert man mit der Games-Industrie sowohl technische als auch kulturelle Innovationen. Seien es künstliche Intelligenz, virtuelle Interaktion oder der Einsatz in Bildungseinrichtungen: die Videospiel-Entwicklung trägt zu vielen Neuerungen in etlichen Branchen bei. Das hier investierte Geld kann einen Impact auf den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland als Ganzen haben. Getragen von vielen mittelständischen Unternehmen, die eine verlässliche Förderung gut gebrauchen könnten.

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Rente nach norwegischem Modell (Tobias Weidemann)

Schon heute fließen jährlich Milliardenbeträge aus dem Staatshaushalt in die Renten in Deutschland – Tendenz steigend. Dass das auf Dauer nicht gut geht, ist jedem klar, der die Alterspyramide lesen kann und die Grundrechenarten beherrscht. Das alte Solidarsystem wird spätestens in 20, vielleicht 30 Jahren nicht mehr finanzierbar sein und schlimmstenfalls in der heutigen Form kollabieren. Was wir benötigen, ist daher ein beherzter Schritt, ähnlich dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds. Der investiert seit Mitte der 90er Jahre global diversifiziert in Aktien und Anleihen und beschert der norwegischen Bevölkerung damit ein vernünftiges Rentenniveau. Doch im Gegensatz zu Norwegen verfügt Deutschland nicht über bedeutende Rohstoffreserven, aus denen kontinuierliche Einnahmen kommen können.

Insofern sind die frei gewordenen zehn Milliarden Euro aus dem gescheiterten Intel-Deal eine historische Chance, die wir nutzen sollten. Auch wenn das angesichts der deutlich größeren Bevölkerung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, kann es die Grundlage für einen neuen Rentenbaustein sein. Hinzu kommen müssen aber dennoch regelmäßige weitere Milliardenzahlungen. Je nach (langfristiger) Anlagepolitik kann man mit einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von etwa sechs bis acht Prozent rechnen. So könnte der Fonds im Laufe der Zeit wachsen, sodass spätestens nach zehn bis 15 Jahren nennenswerte Erträge zur Entlastung des Rentensystems herangezogen werden könnten.

Klimageld (Gregor Honsel)

Derzeit müssen Bürgerinnen und Bürger 45 Euro pro Tonne CO2 bezahlen. Das eingenommene Geld sollte laut Koalitionsvertrag eigentlich zumindest teilweise als „Klimageld“ in Form einer Pro-Kopf-Pauschale zurückgezahlt werden. Das würde dem sozialen Ausgleich dienen: Ärmere Haushalte geben tendenziell einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie aus. Sie leiden also stärker unter den CO2-Abgaben. Andererseits ist aber ihr absoluter Energieverbrauch niedriger. Deshalb profitieren sie unter dem Strich stärker von einer pauschalen Rückzahlung.

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Dieses Klimageld sollte ursprünglich aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) stammen, der sich aus dem europäischen Emissionshandel sowie den deutschen CO2-Abgaben speist. Doch dessen aktuell 49 Milliarden Euro sind längst anderweitig verplant. 4,8 Milliarden davon sollten beispielsweise die Halbleiter-Produktion fördern. Das hat sich jetzt offenbar weitgehend erübrigt. Die Summe wäre als Klimageld besser angelegt. Zwar werden Bürger:innen schon jetzt indirekt aus dem KTF unterstützt, zum Beispiel durch Entlastungen beim Strompreis. Doch eine direkte Rückzahlung, und seien es nur 50 oder 100 Euro im Jahr, hätte eine ganz andere psychologische Wirkung für die Akzeptanz der Klimapolitik. Und die Koalition hätte ein gebrochenes Versprechen weniger auf dem Kerbholz.

Fachkräfte in Kitas (Marco Engelien)

Viele werdende Eltern teilen ein Problem. Wo soll das Kind später in die Kita gehen? Vielerorts muss man sich früh um einen Platz bewerben, gerne  schon während der Schwangerschaft. Wie groß der Mangel an verfügbaren Plätzen ist, zeigen etwa Zahlen der Bertelsmann-Stiftung von Dezember 2023. Demnach fehlen in Deutschland rund 430.000 Kita-Plätze. 385.900 entfallen dabei auf westdeutsche Bundesländer. Aber auch im Osten gibt es Probleme. Auf einzelne Erziehungskräfte kommen zu viele Kinder. Wie in vielen anderen Branchen herrscht Fachkräftemangel.

Zehn Milliarden Euro würden den zwar nicht sofort beheben. Das Geld kann aber helfen, mehr Einrichtungen aufzubauen und den Job durch ein besseres Gehalt attraktiver zu gestalten. Vielleicht lassen sich damit auch Betriebe unterstützen, die einen eigenen Kindergarten anbieten wollen. Die Theorie: Elternteil und Kind gehen morgens gemeinsam “zur Arbeit”, abends zusammen nach Hause und zwischendurch ist vielleicht noch Platz für eine gemeinsame Mittagspause. Auf diese Weise würden zusätzliche Wege von und zur Kita entfallen. Eltern wäre aber wahrscheinlich schon geholfen, wenn es ausreichend Kita-Plätze geben würde.

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Digitalpakt an Schulen (Elisabeth Urban)

Wohin mit all dem Geld? Würde diese Frage in Deutschland häufiger gestellt, wäre eine meiner ersten Antworten wahrscheinlich jedes Mal: In unser Bildungssystem. Und ja, es gäbe so viele Ecken, an denen eine Finanzspritze nötig wäre, unser Gesundheitssystem zum Beispiel, oder die Digitalisierung von Behörden. Aber all die Menschen, die in den kommenden Jahren als Arbeitskräfte in diese Bereiche nachrücken und die deutsche Wirtschaft mitgestalten, gehen jetzt erstmal zur Schule.

Wie viel digitale Bildung sie dort abbekommen, ist derzeit je nach Schule und Bundesland ganz unterschiedlich. Eine länderübergreifende Initiative wollte das in den letzten Jahren ändern.  Im „Digitalpakt“ stellte der Bund seit 2019 insgesamt 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung von Schulen bereit. Im Frühjahr 2024 ist das Projekt allerdings ausgelaufen, beim Blick in die Zukunft stellt sich für Schulen und Lehrkräfte die Frage, mit welchen Mitteln die angeschaffte Infrastruktur weiterhin betreut und ausgebaut werden soll.

Zwar ist ein „Digitalpakt 2.0“ bis 2030 in Planung, noch wird er allerdings hart zwischen der Kultusministerkonferenz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung verhandelt. Zehn Milliarden Euro zusätzlicher Spielraum könnten die Entscheidungsfindung hier vermutlich beschleunigen – und damit den Weg ebnen für mehr digitale Bildung in Deutschland.

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Diese CEOs sind aus ihren eigenen Unternehmen rausgeflogen:

Diese CEO sind aus ihren eigenen Unternehmen rausgeflogen Quelle: jamesonwu1972 / Shutterstock

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