Agiles Arbeiten: Wie ein Thesenbasar für neue Ideen sorgt
Abschaffung von Hierarchien: Jede*r arbeitet eigenverantwortlich
Als Antwort darauf würde wohl kaum jemand sagen: „Mit Obstkörben und Kickertischen im Büro!“ Vielmehr geht es uns Menschen auf der Suche nach Erfüllung in unserer Arbeit um Entscheidungsfreiheit, Autonomie – und Verantwortung. Und so haben wir uns nach monatelanger Vorbereitung anhand dieser Prinzipien neu organisiert. Teamleiter*innen und Titel gibt es nicht mehr, Hierarchien wurden abgeschafft: Entschieden wird seither eigenverantwortlich oder beim Thesenbasar.
Jede*r Einzelne muss ihre/seine Aufgaben jetzt selbst priorisieren. Das ist für viele ungewohnt und herausfordernd. Wo früher Direktiven von Vorgesetzten oder ein demokratisches Voting für Orientierung gesorgt haben, muss jede*r nun für sich entscheiden, welche Tasks wann zu erledigen sind, um ein Projekt zum Erfolg zu führen. Da „ohne Hierarchie“ aber nicht bedeutet, „ohne Hilfe“ oder gar „ohne Plan“ zu arbeiten, unterstützt das Team sich weiter gegenseitig, sollten Entscheidungen schwierig sein.
Thesenbasar: Jede*r kann Ideen einbringen
Und einmal im Monat kommen alle zum Thesenbasar. In diesem Meeting kann jede*r ein Thema vorschlagen, an dem sie/er gern arbeiten möchte. Das können technische Änderungen im Backend, gänzlich neue Produkt-Features oder Projekte im Marketing sein. Die einzige Bedingung dabei ist, dass das Thema auf unsere Vision – Menschen zu finanziellem Wohlbefinden zu verhelfen – einzahlt beziehungsweise uns helfen soll, unsere strategischen Ziele zu erreichen.
Natürlich ist der Thesenbasar als Präsenzveranstaltung konzipiert. In einer idealen Welt kommen wir dazu im Büro zusammen und können mit vollem Körpereinsatz für unsere Anliegen werben. Aber auch vom Homeoffice aus und per Video-Konferenz geht das Konzept auf: Wird eine Idee vorgestellt, gibt es eine „Fist to Five“-Runde sowie zwei inhaltliche Feedback-Runden. Bei „Fist to Five“ zeigt jede*r mit der Hand an, wie sie/er zu der Idee steht. Die Faust deutet auf totale Ablehnung, die Fünf auf totale Begeisterung. Das dient als erster Lackmus-Test, aber ist niemals als finale Abstimmung zu deuten.
„Mit den Füßen abstimmen“: Jede*r darf und soll Feedback geben
In der ersten Feedback-Runde sagt reihum jede*r im Team, warum diese Idee nicht funktionieren kann, welche Risiken sie birgt und was gegen die Umsetzung spricht. In der zweiten Runde sagt reihum jede*r, wie aus dieser Idee eine noch viel, viel bessere Idee – vielleicht sogar ein „Moonshot“ – werden kann. Die/der Ideengeber*in nimmt das kritische wie bestärkende Feedback mit, passt die Idee an und stellt sie beim nächsten Thesenbasar wieder vor.
Dann wird – aktuell im übertragenen Sinne – „mit den Füßen abgestimmt“: Wer das Thema in den kommenden Wochen und Monaten bearbeiten will, geht auf die Seite von der/dem Initiator*in. Kommen genügend Leute zusammen, kann das Projekt gemeinsam in Angriff genommen werden. Das ist alles, ein anderes Entscheidungsgremium gibt es nicht. Im Umkehrschluss kann das aber auch bedeuten, dass laufende Projekte zum Erliegen kommen, wenn etwa Entwickler*innen „abwandern“. Weil innerhalb der Projektteams wiederum mit konkreten (Teil-)Zielen an der Mission gearbeitet wird, kommt es hin und wieder auch dazu, dass sich Teams selbst auflösen. Das ist nicht schön, gehört aber dazu und ist extrem lehrreich.
Lösungsansätze provozieren, die noch nicht erprobt sind
Der Thesenbasar ist für uns ein wesentliches Instrument geworden, um nicht nur inkrementelle Optimierungen, sondern echte Innovationen anzugehen. Nachahmer*innen sollten jedoch ihre Erwartungen an das Modell Thesenbasar zurückschrauben: Anfangs waren die meisten Ideen doch eher vom alten Schlag, also kaum innovativ. Das lag vor allem daran, dass jede*r im Team erstmal die psychologische Sicherheit spüren musste, dass alles geht. Mit der Zeit aber trauen sich alle Beteiligten immer mehr, auch größer –sogar in komplett neuen Geschäftsmodellen – zu denken.
Bewusst lassen wir beim Thesenbasar übrigens nicht demokratisch über jede Idee abstimmen. Warum? Weil die besten Ideen oft nicht die sind, die spontan und initial die meisten Stimmen bekommen. Gute Ideen hinterfragen Bewährtes und provozieren Lösungsansätze, die noch nicht erprobt sind. Das löst oft Zurückhaltung oder gar Ablehnung aus. Demokratische Verfahren führen daher oft zu „Durchschnittslösungen“, nicht zu echter Innovation. Bei uns bekommt jede*r die Chance, gute Ideen auch in die Tat umzusetzen – selbst wenn nur Teile des Teams dahinterstehen. Beweisen müssen sich die Ideen dann ohnehin am Markt.
Muss das ganze Gendern im Text wirklich sein? Kaum bin ich im Lesefluss drinn, bin ich auch schon wieder raus. Ist ja schrecklich