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Porträt

Air Up: Gründerin will neue Produkte für eine neue Generation

Lena Jüngst glaubt, dass sich Marketeers mit den Prinzipien des lebenszentrierten Designs auseinandersetzen müssen. „Wer innovativ sein will, muss Risiken eingehen“, ist sie überzeugt. Die Reihe Next Level CMO stellt Marketeers und CMOs mit neuen Ansätzen vor. 

Von Martin Recke
9 Min.
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Lena Jüngst

Brand ist das größte Schlagwort aller Zeiten. So viele Leute sprechen über Marken, besonders im Marketing. Und doch glaubt Lena Jüngst, dass dies das am meisten unterschätzte Thema in der deutschen Unternehmenswelt ist: „Ich denke, dass Start-ups oft aus Versehen eine gute Marke entwickeln“, sagt sie.

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Das gilt allerdings nicht für ihr eigenes Start-up, das sie in ihren Zwanzigern mitgegründet hat. air up produziert ein innovatives Trinksystem, das Wasser durch Duft aromatisiert – ohne Zucker oder künstliche Inhaltsstoffe. Möglich machen das sogenannte Aroma-Pods, die auf die Flasche gesteckt werden, und dann beginnt der Zauber: Sobald man durch den Strohhalm trinkt, zieht man mit dem Wasser auch aromatisierte Luft in den Mund und anschließend in den Rachenraum.

Von dort aus setzt das psychologische Phänomen des „retronasalen Riechens“ ein, die Aromamoleküle gelangen in unser olfaktorisches System und werden als Geschmack wahrgenommen. Kurz gesagt, unser Gehirn denkt, dass wir Kirsche, Limette oder Apfel schmecken, aber wir trinken tatsächlich reines Wasser. air up hat über 25 dieser Aroma-Pods im Portfolio, um das bestmögliche Sortiment für Verbraucher zu bieten, die mehr Abwechslung und Spaß beim Wassertrinken wünschen.

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Starkes Branding und Design

Im Jahr 2021 belegte air up den ersten Platz in einem Markenranking der Top-50-Start-ups in Deutschland.  Das Ranking attestiert air up ein starkes Branding und Design in einem Markt, der von großen Getränkemarken dominiert wird. Obwohl die Markenbekanntheit von air up noch nicht sehr hoch ist, konnte das Unternehmen in wichtigen Punkten wie Nachhaltigkeit, Einzigartigkeit und Innovation punkten.

Wer Lena zuhört, versteht, dass das kein Zufall war. Ironischerweise räumt sie ein, dass air up am Anfang auch ohne Marke erfolgreich gewesen wäre. Es war und ist ein innovatives, ungewöhnliches Produkt, und das allein reichte aus, um die Neugier der Menschen zu wecken.

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Marke groß und skalierbar machen

Aber dieser Effekt lässt mit der Zeit nach, und selbstredend ist Neugier kein Rezept für dauerhaften Erfolg. Das ist der Moment, in dem die Marke relevant wird. Der schwierige Teil besteht dann darin, diese Marke auf ein neues Niveau zu heben, sie groß zu machen und skalierbar aufzubauen.

„Wenn dieser anfängliche Hype weg ist, passen viele Start-ups ihre Preise an, aber das ist auch nicht nachhaltig. Dann kommen die Rabattcodes.“ Sie hat schon oft mit Leuten über Branding gesprochen, die letztlich keinen Plan hatten. „Sie sagen, lasst uns eine Marke aufbauen. Und wie willst du das machen? Wir machen irgendwie ein cooles Logo. Und dann bringen wir schöne Fruchtbilder auf unsere Verpackungen und dann ist es eine Marke. Aber das ist keine Marke. Wir können es so machen, aber es wird nicht den Unterschied bringen.“

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Künstler trifft Beamtentyp

In Lenas Familie prallen zwei Seiten aufeinander. Die eine Seite ist extrem künstlerisch, die andere der klassische deutsche Beamtentyp. Sie fühlte sich schon immer zu den Künsten hingezogen und wollte etwas Kreatives studieren. „Ich habe viel gezeichnet, es hätte mir total Spaß gemacht. Es gab die Möglichkeit, Kunst zu studieren. Aber das war zu abstrakt, und ich wollte ein Handwerk lernen. Grafikdesign war meine erste Wahl, dann kam ich zum Produktdesign, was ich super spannend fand. Die Kombination aus Handwerk und Kreativität, mit einem Produkt am Anfang zu stehen und auf kreative, innovative Weise eine Lösung für ein Problem finden zu müssen, das reizt mich immer noch am meisten.“

Sie studierte an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd, die sich als Schule in der Bauhaus-Nachfolge versteht, mit dem ausgeprägten Verständnis, dass beim Design „form follows function“ gilt.

„Das hat mich manchmal etwas eingeschränkt, aber andererseits finde ich es immer noch bewundernswert, dass sie den Studenten vermittelt haben, dass man bestimmte Ideale und Werte in seine Arbeit einbringen kann und sollte.“

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Die Universität Lund, an der sie ein Auslandssemester verbrachte, ist bekannt für ihre enge Verbindung zu IKEA, entwickelt daher viele Möbel und bringt viele Möbeldesignideen hervor. Als gelernte Produktdesignerin hat Lena ein klares Verständnis für das sensible Zusammenspiel von Produkt und Marke. Über das Produktdesign kam sie zum Thema Markenaufbau.

„Als ich die Verpackung entworfen habe, ging es darum, wie wir unsere Grafik gestalten, wie wir kommunizieren wollen, wofür wir als Marke stehen, wen wir ansprechen wollen und welche positive Wirkung wir in die Welt bringen wollen.“ Darüber hinaus übernahm sie Kommunikation und PR, weil dies ebenfalls eng mit Markenaufbau verbunden ist.

Life-Centered Design als zukunftsfähiger Ansatz

Das dritte Thema – ihr Lieblingsthema – ist die Produktvision. „Ich denke darüber aus der Perspektive des Unternehmens und der Marke nach. Wo kann es in Zukunft hingehen? Wir gehen jetzt sozusagen aus Produktsicht die nächsten logischen Schritte. Und dort sind auch die Teams. Aber diese Vision aufzubauen – Wo könnte die Reise noch hingehen? Was würde aus verschiedenen Perspektiven Sinn ergeben? Wo ist das Potenzial? –, das ist es, was ich herauszufinden helfe.“

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Heute ist die größte Käufergruppe von air up die Gen Z, die junge Generation zwischen 18 und 25 Jahren. Sie wissen sogar, dass sie eine starke Käuferschicht haben, die jünger als 18 Jahre ist, auch wenn es dazu keine konkreten Daten gibt. „Der Grund, warum sie uns kaufen, ist, dass unser Produkt einen verantwortungsvollen Konsum mit einem guten Erlebnis- und Convenience-Faktor verbindet, was normalerweise unmöglich erscheint. Ich denke, es gibt ein unglaubliches Potenzial für die Produktentwicklung in der Zukunft, die Bedürfnisse der Verbraucher mit dem zu verbinden, wie wir heute Produkte mit einem stärkeren Verantwortungsbewusstsein entwickeln sollten.

Aber sie meint auch, dass die Technologie, die air up entwickelt hat,  bis jetzt nur an der Oberfläche gekratzt hat. „Es gibt noch unglaublich viel Potenzial. Aber die langfristige Vision ist es, neue Produkte für eine neue Generation zu entwickeln.“ Als Leitprinzip verwendet Lena den Ansatz des Life-Centered Design. Sie hat den Begriff erst vor ein paar Jahren entdeckt und festgestellt, dass er gut beschreibt, was wir heute von der Produktentwicklung erwarten können.

Life-Centered Design berücksichtigt die Bedürfnisse der Konsumenten, aber anders als Customer Centricity oder Human-Centered Design auch die Auswirkungen, die das Produkt letztlich auf Umwelt und Gesellschaft hat. Human-Centered Design hat ihrer Ansicht nach dazu geführt, dass Produkte immer Convenience-orientierter werden. Die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher haben dramatisch zugenommen, sodass es zig Millionen Variationen einzelner Produkte gibt. Das schafft Umweltprobleme und führt dazu, dass wir viele Dinge tun, die für uns selbst nicht mehr unbedingt gesund sind.

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Lena hält Life-Centered Design für einen viel zeitgemäßeren Ansatz zur Produktentwicklung, da der größte Hebel am Ursprung des Produkts liegt. Doch bei ihren Praktika während des Studiums stellte sie fest, dass Produktdesigner normalerweise nicht die Entscheidungsgewalt haben, diesen Hebel in Bewegung zu setzen. Es gibt ein finanzielles Konzept, und gewisse Rahmenbedingungen sind so stark ausgearbeitet, dass die Kreativen nur einen engen Rahmen haben und nicht viel ändern können.

„Man kann höchstens noch ein bisschen versuchen, über das Material zu entscheiden. Aber wenn die Herstellung auch nur einen Cent mehr kostet, dann wird das Konzept leider gekippt. Ich glaube, das entspricht einfach nicht mehr unserer Zeit.“ Lena räumt gerne ein, dass es unglaublich komplex ist, lebenszentrierte Designprinzipien in die Praxis des Produktdesigns umzusetzen. Am Anfang muss man Produkte auf Grundlage von Hypothesen entwerfen. Im Fall von air up kann man jetzt mit einem Pod fünf Liter Wasser aromatisieren, was deutlich weniger Plastik bedeutet, als wenn man andere aromatisierte Getränke trinken würde.

„Natürlich muss man sich am Ende den gesamten Prozess im Detail anschauen. Leider kann man das nur wirklich sagen, wenn man die Lieferkette, die Logistik, die Endmaterialien und so weiter im Blick hat. Die vollständige Ökobilanz über den Materialeinsatz, die Emissionen der Produktion und die Recyclingfähigkeit des Produkts hinweg wird unglaublich komplex.“

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Ohne Risiko geht es nicht

Die Arbeit mit Hypothesen bringt die Herausforderung mit sich, Risiken eingehen zu müssen, und dies erfordert den Aufbau des notwendigen Rahmens um sie herum, um Sicherheit zu haben. Die Produktentwicklung muss Wetten eingehen, aber sie müssen auf eine bestimmte Fallhöhe begrenzt sein.„Wie kann man Risiken eingehen, ohne Risiken einzugehen? Das ist Wunschdenken. Wer innovativ sein will, muss Risiken eingehen. Es geht nicht anders. Aber man kann es begrenzen. Und das ist die große Herausforderung.“

Aber wie groß ist am Ende der Hebel, wenn man es mit einer Lieferkette zu tun hat? Und wenn es um Skalierungsfragen geht, wie viel Raum bleibt dann noch für Optimierungen? Lena beteuert, dass die Prozesse einfach viel länger dauern. Am Anfang konnte air up aus finanziellen Gründen nicht in Europa produzieren, aber auch weil es keine Produktionsstätten in Europa gab, die mit den gewünschten Materialien produzierten. Was aus Nachhaltigkeitssicht freilich nicht so cool war.

„Wir haben immer gesagt: Wir wollen das so schnell wie möglich ändern. Und das tun wir gerade. Obwohl es uns erst seit drei Jahren gibt, sind wir dabei, unsere Produktion näher an unsere Kunden zu bringen. Den ersten Schritt haben wir bereits Ende 2021 getan, als wir eine Pod-Produktionsstätte in der Türkei eröffnet haben. Eine weitere ist in den Niederlanden geplant. Und das ist erst der Anfang: Bis Ende 2022 wollen wir den Großteil unserer Produktion nach Europa holen.“

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Stabile Marke, stabiles Marketing, stabile Produktion

Lena sieht es als Vorteil an, dass sie in ihrem Gründerteam unterschiedliche Sichtweisen und Hintergründe haben. Von Anfang an konnten sie den Fortschritt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und jeder konnte sein Fachwissen einbringen. Das ist ihrer Meinung nach der Grund, warum air up nicht nur eine stabile finanzielle Situation aufbauen konnte, was einer einzelnen Person niemals möglich gewesen wäre, sondern auch eine stabile Marke, stabiles Marketing, stabile Produktion und Logistik.

„Dass dies parallel passiert, ist selten, denn in der Start-up-Welt gibt es den Mythos, dass man mit kleinen Teams startet. Diese kleinen Teams bestehen in der Regel aus Personen mit ähnlichen Profilen. Normalerweise haben sie einen kaufmännischen Hintergrund und möchten unbedingt gründen. Das birgt die Gefahr, extrem einseitig zu denken. Der Vorteil, kreative Leute im Team zu haben, ist, dass sie eine viel stärkere Verbindung zum Kunden haben.“

Der Vorteil von air up ist also, dass sie kundenorientiert denken. Und ja, das ist nur ein Teil des lebenszentrierten Designs. Branding wird aus Lenas Sicht wichtiger und relevanter, weil Verbraucher nicht mehr das Billigste oder Praktischste bevorzugen, sondern Produkte kaufen wollen, mit denen sie sich identifizieren können und die ihren Werten entsprechen. Und diese Identifikation bekommen Marken nur, wenn sie sich entsprechend positionieren und stringent kommunizieren.

„Wie wichtig das ist, wird oft unterschätzt. Vor allem in Deutschland, wo es einen extremen Fokus auf Technologie gibt. Ich habe überhaupt nichts gegen die deutsche Unternehmerkultur. Sie macht vieles richtig, es wird oft viel mehr nachgedacht und werteorientierter entschieden. Aber es gibt eine gewisse Skepsis gegenüber dem ganzen Thema Marketingentwicklung, warum auch immer. Ich verstehe es nicht, aber es wird nicht ernst genommen. Wenn ich das höre, zucke ich mit den Schultern und denke: ‚Ja, das kann man machen, aber dann bleibt man auf der Strecke.‘“

Lenas Grundsatz lautet: Marke ist keine Meinung. Wenn man etwas entwirft, sagen die Leute gern, was sie schön finden. Solche Meinungen interessieren sie wenig, solange sie nicht von der Zielgruppe geäußert werden. Einen visuellen Auftritt zu gestalten und mit den Grundwerten, Prinzipien, der Herkunft des Unternehmens und der Unternehmenskultur zu verknüpfen, ist ein äußerst abstrakter Prozess. Es ist nicht immer einfach und der Erfolg stellt sich erst mit langer Verzögerung ein.

Next Level CMO – das Buch

Dieser Beitrag stammt aus dem Buch Next Level CMO. Es stellt Marketeers und CMOs von führenden Marken wie Banana Republic, Bayer, Generali, Gucci, Jägermeister, Katjes, Oatly, smart, Tony’s Chocolonely, Unilever, Zalando und vielen mehr vor. Wie sehen sie das heutige Marketing und ihre Rolle darin und welche Fähigkeiten braucht jeder CMO, um die Herausforderungen des Marketings in der Zukunft zu meistern?

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