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Interview

Aktien vom Arbeitgeber: „Wir hatten mit weniger Beteiligung gerechnet“

Das eigene Team als Anteilseigner? Darauf setzen laut Branchenverband Bitkom 44 Prozent der deutschen Startups. Aber auch größere Unternehmen machen mittlerweile Mitarbeitende zu Aktionär:innen. Wir haben bei einer IT-Beratung nachgefragt, wie deren frisch eingeführtes Modell funktioniert.

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Verena Deller verantwortet bei codecentric den Bereich „Menschen & Kommunikation“. (Foto: codecentric)

Unternehmensanteile an Mitarbeitende ausgeben: Das ist gerade für Startups eine attraktive Möglichkeit, das eigene Team am gemeinsamen Erfolg zu beteiligen, ans Unternehmen zu binden und zu motivieren. Aber auch kleine und mittelständische Player setzen mittlerweile auf entsprechende Modelle.

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So auch codecentric: In einem Pilotprojekt konnten im Sommer 2024 die ersten Mitarbeitenden der deutschlandweit vertretenen IT-Beratung Unternehmensanteile erwerben. Anders als bei vielen ESOP- oder VSOP-Modellen steht der Aktienkauf bei Codecentric in keiner direkten Verbindung zum monatlichen Gehalt, sondern erfolgt schlicht aus dem Privatvermögen.

Über die nächsten Schritte und die Frage, was eigentlich mit den Aktien passiert, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, haben wir mit Vorstandsmitglied Verena Deller gesprochen. Mitarbeiterin Bea Kusnitzoff hat bei der ersten Runde Anteile gekauft – von ihr wollten wir wissen, was sie sich vom Projekt erhofft.

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Mitarbeiterbeteiligung per Aktie: Von der Idee zur Umsetzung

Verena Deller war lange Jahre als Führungskraft bei der Boston Consulting Group tätig und ist seit gut einem Jahr Vorstandsmitglied bei codecentric. Sie verantwortet bei der IT-Beratung den Bereich „Menschen & Kommunikation“. 

t3n: Frau Deller, seit Kurzem können die Teammitglieder von Codecentric Anteile am Unternehmen erwerben. Wie kam es dazu?  

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Verena Deller: Die Idee, dass wir so etwas machen wollen, ist schon ein bisschen älter. Wir haben grundsätzlich sehr flache Hierarchien, möchten auf Augenhöhe kommunizieren und wollen als Vorstand immer ansprechbar sein. Für diesen Austausch gibt es die Möglichkeit, einen informellen Coffee Talk einzustellen. Weil die Firma aber gewachsen ist und das bei 600 Menschen nicht mehr so gut funktioniert, wollten wir etwas Neues etablieren. Und irgendwie hat es einen ganz eigenen Charme, tatsächlich ein Stück der Firma in Form einer Aktie zu besitzen, wortwörtlich etwas in der Hand zu haben.  

Bis wir das Beteiligungsprogramm umgesetzt haben, hat es dann aber noch einmal eineinhalb Jahre gebraucht. Wir mussten ja auch die Aktionäre einbinden, die einen Teil ihrer Aktien einbringen. Mein Kollege Richard, der bei uns für das Beteiligungsmanagement zuständig ist, hat sich richtig reingefuchst und in Absprache mit Finanzamt und Co. ein Konzept erarbeitet. Das hat er dann in einer Roadshow den Mitarbeitenden an unseren unterschiedlichen Standorten erklärt. Und am 1. Juni sind wir mit der ersten Zeichnungsrunde gestartet.  

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t3n: Wie viele Mitarbeitenden haben in dieser ersten Runde Unternehmensanteile erworben?  

Verena Deller: Knapp 90. Manche haben erstmal nur eine Aktie gekauft, andere direkt mehrere. Ich glaube, dabei stand gar nicht so sehr die Investment- und Wertentwicklungskomponente im Vordergrund, sondern eher ein Commitment, „ich befürworte das und möchte da gerne mitmachen“. 

t3n: Gibt es denn ein bestimmtes Muster, wer da Anteile gekauft hat?  

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Verena Deller: Nein, tatsächlich nicht. Es gibt Führungskräfte, die gekauft haben, junge Talente, die erst ein Jahr oder wenige Monate dabei sind, bunt gemischt und teilweise wirklich überraschend. Die Motivation dahinter ist wahrscheinlich ganz unterschiedlich.   

t3n: Und was hält Menschen noch davon ab, sich eine Aktie zuzulegen? 

Verena Deller: Zum einen hat einfach nicht jeder eine Affinität für Aktien. Ich glaube aber auch, dass viele erst einmal beobachten wollen, wie das Projekt anläuft. Wenn das Unternehmensparlament mit der inhaltlichen Beteiligung dann erst einmal funktioniert und man zum Beispiel auch sieht, welche Wertentwicklung es gibt, ist das für manche vielleicht auch schlicht überzeugender als Erklärungen und theoretische Berechnungen. 

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t3n: Ein Teil der Belegschaft hat direkt mehrere Aktien gekauft. Gibt es denn eine Deckelung nach oben, wie viele Anteile man erwerben darf?  

Verena Deller: Grundsätzlich Nein. Allerdings ist die Summe der Aktien, die wir insgesamt an Mitarbeitende ausgeben, begrenzt. Wir handeln nicht öffentlich, also waren wir darauf angewiesen, dass unsere bisherigen Aktionäre einen Teil ihrer Anteile verkaufen. 

 Insgesamt stehen über das Beteiligungsprogramm etwas weniger als 10 Prozent der gesamten Unternehmensanteile bereit. In der ersten Zeichnungsrunde wurden zwar weniger als ein Prozent verkauft, aber das hat unsere Ziele schon übertroffen. Wir hatten mit weniger Beteiligung gerechnet, weil das Thema eben noch sehr neu ist.  

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t3n: Wie geht es nach der ersten Zeichnungsrunde weiter?  

Verena Deller: Im nächsten Schritt geht es daran, Geschäftsführer zu wählen für die neu gegründete Kommanditgesellschaft, die die Interessen aller beteiligten Mitarbeitenden bündelt. Über den Namen der Gesellschaft wurde abgestimmt: Am Ende ist es die „Cody McCodeface GmbH&Co KG” geworden. 

Und wir gründen das Unternehmensparlament, in dem sich Vorstände, Aufsichtsrat, Aktionäre und Mitarbeitende austauschen und beraten. Die nächste Zeichnungsrunde beginnt dann im Herbst, vom 1. bis 31. Dezember. Letztendlich planen wir zwei Zeichnungsrunden pro Jahr, bis das Maximum erreicht ist. Und natürlich kann man auch untereinander handeln.  

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Die Sicht aus dem Team: Es geht auch um Gestaltungsspielraum

Eine, die seit Kurzem Firmenanteile der Codecentric AG besitzt, ist Bea Kusnitzoff. Sie ist seit etwas mehr als vier Jahren im Unternehmen, mittlerweile betreut sie als Teil der Standortleitung München ein Team mit etwa 70 Beschäftigten. Die Entscheidung, Unternehmensanteile zu kaufen, hat sie gemeinsam mit ihrem Mann getroffen. Der arbeitet zwar in einer anderen IT-Firma, hat dort aber auch vor Kurzem die Möglichkeit bekommen, Unternehmensanteile zu kaufen. Jetzt sind beide mit dem gleichen Betrag ganz offiziell in ihre Arbeitgeber investiert. 

Für Kusnitzoff sind es nicht die ersten Aktien. „Ich glaube auch – da kann ich jetzt allerdings nur für meine Kollegen und mich sprechen –, dass dadurch, dass wir IT-Consultants sind, viele von uns eher affin sind, was digitale Finanzprodukte und den Handel damit angeht. Wenn man sich zum Beispiel mit neuen Kryptowährungen beschäftigt, probiert man auch mal etwas aus und hat dementsprechend insgesamt eine relativ hohe Awareness.“

Bei der Beteiligung an Codecentric stehen aus ihrer Sicht aber nicht die potenziellen finanziellen Gewinne im Fokus, sagt Kusnitzoff im Gespräch mit t3n. „Es geht eher um dieses Gefühl, noch mal mehr ein Teil der Firma zu sein“ – und um zusätzlichen Gestaltungsspielraum.

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Die IT-Beratung durchläuft derzeit unabhängig vom Beteiligungsprogramm einen internen Reorganisationsprozess. „Jetzt noch mal auf eine Unternehmensebene gehen zu können und dort mitgestalten zu können, das finde ich schon extrem spannend“, erklärt die Münchner Standortleiterin. 

Keine externen Investoren: Wer kündigt, muss verkaufen

t3n: Gehen wir mal ins Detail: Was bringt so eine Aktie den Beschäftigten abseits der idealistischen Komponente?  

Verena Deller: Unser Unternehmen hat über die letzten 20 Jahre ein Umsatzwachstum im zweistelligen Millionenbereich verzeichnet. Unsere Mitarbeitenden profitieren, wenn sie Aktien halten, wie alle anderen Aktionäre von der Gewinnentwicklung. Es gibt also einmal im Jahr eine Dividendenausschüttung und der Wert der Aktie entwickelt sich auch, das ist zum Beispiel interessant, wenn man überlegt, damit zu handeln.  

Es ist schwierig, da konkrete Zahlen zu nennen. Man kann sich Berechnungen zur Wertentwicklung aus der Vergangenheit anschauen, aber da kommt es immer darauf an, wie die einzelnen Jahre gelaufen sind. Unser Ziel ist es natürlich, weiterzuwachsen, sodass die Mitarbeitenden davon profitieren. 

t3n: Stichwort Unternehmensparlament: Dort soll ein konkreter Austausch stattfinden. Worum geht es dabei?  

Verena Deller: An dieser Stelle muss ich kurz dazu sagen: Ich spreche jetzt so ein bisschen in die Zukunft. Wir haben uns natürlich überlegt, wie das Gremium funktionieren soll, wie es dann tatsächlich läuft, wird sich zeigen.  Die Idee ist, dass die Mitarbeitenden Themen sammeln, die sie gerne mit dem Aufsichtsrat und dem Vorstand besprechen wollen. Auf der anderen Seite versuchen wir, sie mehr in Strategiefragen einzubinden und Feedback einzuholen.  

Das Ganze soll mehr sein als ein Betriebsrat, es ist ein gewolltes Organ, weil Feedback für uns sehr wichtig ist. Wir haben so viele schlaue Leute, die gute Impulse haben, das wollten wir bündeln und besser nutzen.  

t3n: Sie haben vorhin die Möglichkeit erwähnt, mit den Aktien zu handeln. Was passiert, wenn jemand das Unternehmen verlässt?  

Verena Deller: Grundsätzlich kann man seine Aktien jederzeit verkaufen, wenn sich ein Käufer findet. Wer das Unternehmen verlässt, muss aber tatsächlich seine Anteile verkaufen. Schließlich hängt da auch die Mitbestimmung im Unternehmensparlament dran und wir wollen keine externen Finanzinvestoren.

Wir achten aber auch darauf, dass in so einem Fall niemand auf seinen Aktien sitzen bleibt, sondern sich beispielsweise ein Einkäufer aus dem Kreis der bestehenden Aktionäre findet.  

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