X oder Y? Warum Motivation keine Frage der Gene ist
„Nur den bösen Wolf, den lade ich nicht ein“, ist sich Jakob Bär ganz sicher, als er seine Einladungsliste für die Weihnachtsfeier aufstellt. Der Wolf, traurig, dass ihn keiner mag, schleicht trotzdem später zum Bärenhaus. Und als alle „Oh Tannenbaum“ anstimmen, singt er mit. Und siehe da, er kennt alle Strophen! Die Runde drinnen lauscht überrascht. Und lädt ihn schließlich ein, dazuzustoßen. Schaden nimmt niemand. Und trotzdem, in Kinderbüchern ist es gesetzt: Der Wolf ist böse. Immer.
Doch ist er das wirklich? Nun, wenn er Hunger hat, geht er auf die Jagd. Und: Wenn ihn alle mit Gewehren und Stöcken bedrohen, schlägt er aus. Würde jeder von uns auch so machen. Vielleicht ist seine „Schublade“ doch falsch beschriftet?
Die Fleißigen und die Faulen
Wenn es um moderne Unternehmensführung geht, lässt eine Aussage in der Regel nicht lange auf sich warten – nämlich, dass ein Unternehmen dafür ja bestimmte Menschen braucht. Das ginge nun mal nicht mit allen.
Geht nicht mit allen … Hinter dieser Aussage steckt die Idee, dass es manche Menschen gibt, die intrinsisch motiviert sind und Lust auf Leistung haben – und andere eben nicht. Die hängen lieber ab und handeln nur, wenn sie dafür explizit eine Aufforderung erhalten.
Zwei Menschenbilder also. Vielleicht kennst du sie noch – aus der Uni oder von diversen Management-Ausbildungen. Zu verdanken haben wir sie einem gewissen Douglas McGregor. Er hat vor 55 Jahren zwei verschiedene Typen identifiziert: den X- und den Y-Menschen. Y-Menschen sind von Natur aus motiviert. Sie geben immer Gas, suchen Arbeit, wollen Wirkung zeigen, kommen gerne auf neue Ideen und setzen diese um. X-Menschen sind so ziemlich das Gegenteil. Sie sind nicht motiviert, sie meiden Arbeit wo es geht und wollen auch nichts Neues in die Welt bringen.
Motivation genetisch bedingt?
Hand auf’s Herz: Bist du ein X- oder ein Y-Typ? Vermutlich hältst du dich für einen Eins A Y-Menschen. Du hängst dich rein, machst einen richtig guten Job. Dein Chef kann mit dir rundum zufrieden sein. Aber die anderen, die meisten deiner Kollegen, die sind X-Typen, oder? Faszinierend. Quasi jeder sagt von sich selbst, er sei ein Y-Typ. Und quasi auch jeder sagt, dass er ziemlich viele X-Typen kennt. Jeder ist Y, kennt aber jede Menge X-Typen … Geht nicht wirklich zusammen, oder?
Der unsichtbare Rahmen
Woher rührt diese Wahrnehmung? Schauen wir dafür mal auf die Faktoren, die das menschliche Verhalten beeinflussen. Zunächst einmal ist Verhalten ein Resultat der Persönlichkeitsstruktur. Das verwundert nicht weiter. Es sind die Gene, klar. Aber – und das blenden wir oft aus – nicht nur. Der viel größere Einflussfaktor auf das menschliche Verhalten ist der Kontext!
Der Kontext, das ist vor allem so etwas wie die Unternehmenskultur. Was gehört sich hier? Was darf man hier? Wie benimmt man sich hier? Die Krux: Solche Rahmenbedingungen stehen nicht dran. Auf keiner Stirn steht geschrieben: „Ich verhalte mich so, weil das hier Usus ist“. Den Kontext kannst du also nur schwer erkennen. Du nimmst nur das Verhalten wahr. Du siehst, wie sich jemand benimmt – und schreibst das direkt seinem Wesen zu. Dabei verhält sich dieser jemand nur systemkonform, er befolgt die Regeln. Dieses unsichtbare Kraftfeld bestimmt also ganz wesentlich sein Verhalten. Viel, viel mehr, als wir oft denken.
Wenn du diesen Kontexteinfluss nicht berücksichtigst und dann noch die beiden Menschentypen im Kopf hast, dann ist der Schritt zum Etikett nicht mehr besonders groß. Du siehst etwas und beschriftest die Schublade mit „X“ oder „Y“. Fertig.
X-Typen brauchen Antreiber. Oder umgekehrt?
Ist die Schublade beschriftet, kommt es zur schönsten selbsterfüllenden Prophezeiung. Denn jetzt behandelt der Vorgesetzte die X-Typen auch X-entsprechend. Er überwacht sie. Er treibt sie an. Dem Y-Typen hingegen lässt er ordentlich Freiraum, weil er es ihm schlicht zutraut.
Die Konsequenz: Der X-Typ fühlt sich eingeengt und kontrolliert. Und weil er weiß, dass eh immer nochmal einer drüber schaut, leistet er zwangsläufig weniger. Der „Überwacher“ fühlt sich bestätigt. Ganz anders der Y-Typ. Er genießt die Freiheit und den Rückhalt, den sein Chef ihm spendiert. Er schwingt sich auf zu wahren Höhenflügen. „Sieh‘ste, den kann‘ste schicken“, weiß dann auch sein Chef.
So, wie der Wolf böse wird, wenn der Mensch mit allem, was er greifen kann, auf ihn zu rennt, so wird auch ein scheinbar antriebsloser Mitarbeiter erst so, weil er gegängelt wird. Die Sache mit dem X ist also eine Mähr. Wir sind von Natur aus Y-Typen! Alle. Das ist unsere Werkseinstellung. Sonst hätten wir nämlich nie Laufen und Sprechen gelernt, hätten keine Legotürme gebaut und nicht versucht, mit anderen Kindern Ballons aufzupusten. Wenn wir X wären, hätten wir ohne Anweisung und ohne Belohnung keinen Finger gerührt.
„Ja aber…“, heißt es dann, „wenn man manchen Menschen eine Aufgabe gibt, dann haben die doch darauf manchmal einfach keine Lust. Und was bleibt mir denn dann anderes, als sie anzureizen?“ Klar, nicht jede Aufgabe macht Spaß. Lager-Aufräumen, Datenbank-Sortieren oder einen schwierigen Kunden anrufen, versetzt den Mitarbeiter womöglich nicht in große Begeisterung. Das ist kein Grund, ein Anreizsystem zu entwickeln. Da müssen dann alle einfach durch. Weil es eben dran ist. Wenn dir die Aufgaben im Unternehmen aber grundsätzlich keinen Spaß machen, dann ist das nicht so, weil du ein unmotivierter X-Typ bist, sondern du hast schlicht den falschen Job.
Motiviert in die 4-Tage-Woche
Menschen sind zwar alle Y. Das heißt aber nicht, dass sie auch alle gleich sind. Was den einen glücklich macht, muss den anderen noch lange nicht begeistern. Schließlich hat jeder Mensch neben seiner Werkseinstellung auch ganz persönliche Lebensmotive. Die passionierte Kite-Surferin beispielsweise macht sich schon Donnerstagabend auf den Weg in Richtung Meer. Weil ihre Firma diese Leidenschaft berücksichtigt, ist sie an vier Tagen in der Woche gern bei der Sache. Oder der Entwicklungsingenieur, der ein erklärter Morgenmuffel ist und erst gegen Mittag warmläuft. Wenn die Firma ihn dazu verdonnert, morgens um neun im Büro zu sein, wird da nicht viel kommen. Das hat mit X oder Y nichts zu tun.
Und dann beschweren sich die mit den XX-Chromosomen, dass sie angeblich zu wenig Bezahlung bekommen würden.
Du hast den Artikel wohl nicht verstanden. „X“ und „Y“ sollen nicht der Hinweis auf das Geschlecht sein, sondern sind dumm gewählte Bezeichnungen für unterschiedliche Motivationstypen.
„Die mit den XX-Chromosomen“ werden im Durchschnitt schlechter bezahlt, weil sie teilweise
(a) in schlechter bezahlten Jobs (Dienstleistungssektor) und weniger (Teilzeit) arbeiten – wer hier „leisten“ heraushört, ist vom Twitterfeminismus mit seiner Patriarchat- und Diskriminierungsleier so verblendet, dass sie sich permanent für ein Opfer hält – und
(b) sich selbst unter Wert verkaufen.
Siehe auch https://www.heise.de/tp/features/Ten-Years-Gender-Pay-Gap-Mistake-Ein-Irrtum-wird-zehn-Jahre-alt-3652060.html.