Das Imperium schlägt zurück: Amazon löscht zehntausende kommerzielle Bewertungen

(Screnshot: Amazon Montage: Jochen G. Fuchs)
Amazon kämpft seit einiger Zeit darum, den Status der Bewertungen für seine Kunden zu erhalten. Bei vielen Kunden ist eine unvoreingenommene Bewertung immer noch maßgeblich an der Kaufentscheidung beteiligt. Doch genau in dem Wort „unvoreingenommen“ liegt das Problem, das Amazon bekämpft. Eine gut gemeinte Richtlinie erlaubte noch bis Ende letzten Jahres das Tauschen von Testexemplaren gegen Rezensionen. Dann schaffte Amazon die Richtlinie ab. Jetzt hat das US-Unternehmen die logische Konsequenz aus dem Entschluss des letzten Jahres gezogen und in einer ersten Löschwelle die betroffenen Rezensionen rigoros aus dem Marktplatz entfernt. Mit Folgen für Kunden, Händler und die Bewertungsindustrie.
Amazon löscht Bewertungen
Das Blog Wortfilter.de des Marktplatz-Experten Mark Steier hat kürzlich nach ersten Meldungen von Händlern in Verkäufer-Facebookgruppen analysiert, wie stark die Bewertungen von Händlern in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vereinzelte Händler berichteten von einem Verlust von gut einem Drittel ihrer Bewertungen.
Laut Steier sind über Nacht zehntausende Bewertungen verschwunden, besonders die Gruppe der Private-Label-Händler sei stark betroffen. Als Private-Label-Händler bezeichnet die E-Commerce-Branche Händler, die Produkte unter eigenem Label vertreiben. Die Spanne der Händler reicht hier von simplen Umettikettierern von generischer Standardware aus Fernost bis hin zu Inhabern einer echten Handelsmarke, mit eigens entwickelten Produkten.
Der Grund für die immense Vernichtung von Rezensionen ist Amazons anhaltender Kampf gegen gekaufte Bewertungen.
Amazons Kampf gegen die schleichende Erosion der Bedeutung von Rezensionen

Beratung in Filialen leistet Amazon zwar mittlerweile auch, aber im Onlineshop übernehmen die Amazon-Bewertungen oft diesen Job. (Screenshot: Amazon)
Amazon scheint ein sinkendes Vertrauen in Kundenbewertungen zu spüren und reagiert darauf – von den Dächern gepfiffen, wie die sprichwörtlichen Spatzen: Produktbewertungen im Tausch gegen kostenlose oder stark vergünstigte Produkte zuzulassen, führt zu einer ausgeprägten und ungewöhnlich hohen Anzahl positiver Produktbewertungen.
Zwar sah die entsprechende Amazon-Richtlinie für Händler schon immer vor, dass die Produkttester unvoreingenommen bewerten müssen und auch nicht beeinflusst werden dürfen. Aber wie unvoreingenommen ist ein Kunde, der ein Produkt geschenkt bekommen hat? Die Frage ist rhetorisch, die Antwort liegt auf der Hand: Überhaupt nicht unvoreingenommen.
Dass Amazon diese Bewertungspraxis in der Vergangenheit überhaupt zugelassen hat, könnte eventuell an der Dualität von Amazons strategischen Entscheidungen liegen: Auch wenn der Kunde immer im Mittelpunkt steht, sind auch die Belange von Händlern zu beachten. Gerade neu startende Händler haben es schwer, ohne ausreichende Produktbewertungen einen attraktiven Verkaufsrang zu erreichen. Außerdem ist es erfahrungsgemäß in den letzten Jahren immer schwerer geworden, Kunden zum Bewerten zu animieren. Diese Form der Starthilfe war vermutlich ein gut gemeintes Experiment, das jetzt endgültig begraben wurde. Mit einer Ausnahme: Amazons eigene Produkttester aus dem sogenannten Vine-Programm – und Buchrezensionen.
Was das bedeutet: Mehr Vertrauen für Kunden, weniger Rezensionen für Händler und das Aus für die Bewertungsindustrie
Für Kunden ist Amazons entschlossenes Handeln ein deutliches Zeichen dafür, dass der US-Konzern Bewertungen für genauso wichtig hält wie seine Kunden – und nicht davor zurückschreckt, rigorose Maßnahmen zu ergreifen, um den Wert der Bewertungen zu erhalten.
Steier führt auf Wortfilter aus, dass betroffene Händler durch die Löschungen hart getroffen werden: Die Anzahl der Bewertungen habe einen direkten Zusammenhang mit der Position im Ranking der Amazon-Suchergebnisse. Entsprechend dürften Händler im Ranking abgestraft werden, die eine signifikante Anzahl an incentivierten Bewertungen verloren haben.
Für die Bewertungsindustrie, die bisher incentivierte Bewertungen im Rahmen von „Werbekampagnen“ an Händler verkauft hat, dürfte es das Aus bedeuten. Zwar behaupten die Anbieter, sie könnten irgendwie eine Amazon-konforme Bewertungsvergabe ermöglichen – tatsächlich lassen die neuen Amazon-Richtlinien aber keine Schlupflöcher für solche Dienste zu.
Jeder Händler, der solche Bewertungen in Auftrag gibt, riskiert diese gekauften Bewertungen später wieder zu verlieren und in Folge im Ranking abgestraft zu werden. Neben dem Marketingbudget kann im schlimmsten Fall auch der Händleraccount wegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen von Amazon verloren gehen.
@JochenG.Fuchs
Richtig so; ich hatte Amazon, seinerzeit, wiederholt auf entsprechende Kommentare aufmerksam gemacht, um Löschung selbiger gebeten – Resultat: Ersuchen abgelehnt.
Nun wird seitens Amazon endlich umgesetzt was ich schon lange monierte – denn solche Kommentare verleiteten mich dazumal zu Fehlkäufen …, Bücher erstehe ich ausschließlich im stationären Handel, da Buchsendungen i. d. R. beschädigt zugehen.
Ciao, Sascha.
Schade. Es gibt einige richtig gute Self Publisher auf Amazon :) Habe ich im letzten Jahr lieben gelernt und würde ich jetzt nicht mehr missen wollen. Man muss suchen, aber das macht mehr spaß als den hundertsten 0815 Dan Brown Roman oder Game of Thrones zu lesen.
Das Problem für Amazon ist, und hier ist im Grunde nur der verifizierte Kauf eine recht hohe Hürde, dass die „Bewertungsindustrie“ mittlerweile solche Ausmaße angenommen hat, dass man mit manuellen Prüfungsmethoden bei der Sparmaxeinstellung von Amazon nicht weit kommen wird.
Oder: Finde heute mal eine Agentur/Contentprovider/Texter, der nicht (und wenn nur inoffiziell) als Dienstleistung Fakerezensionen anbietet. Im EN/US Raum dürfte daraus ein Großteil des BSPs ganzer „sh*thole countries“ bestehen. ;)
Eine gute, richtige und sehr wichtige Entscheidung. Echte Kommentare sind äußerst wichtig und entscheidend für den Kunden wie auch für den Kunden. Bei unserem Käseshop http://www.alpensepp.com bitten wir von Zeit zu Zeit einzelne Kunden nach der Lieferung um eine Kommentar zur Bestellung.
Und sobald eingetroffen verifizieren wir die Echtheit damit es keinesfalls künstliche Fake-Wertungen gibt. Für uns ist dies sehr wichtig!
https://alpensepp.com/kaeseshop/bregenzerwaelder-bergkaese-wuerzig-gereift-8-monate#tab-reviews
Eine gute, richtige und sehr wichtige Entscheidung. Echte Kommentare sind äußerst wichtig und entscheidend für den Kunden wie auch für den Händler. Bei unserem Käseshop Alpen Sepp bitten wir von Zeit zu Zeit einzelne Kunden nach der Lieferung um eine Kommentar zur Bestellung.
Und sobald eingetroffen verifizieren wir die Echtheit damit es keinesfalls künstliche Fake-Wertungen gibt. Für uns ist dies sehr wichtig!
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Wenn man Faketester/Fakeprofile Kommentare spammen lässt, dann Vorsicht bei der Listenvergabe: Sonst wird man schnell zum Alpendepp, wenn der Kommentarbereich durch so eine Schlamperei zugemüllt wird. ;)
Was hat es mit den Buchrezensionen auf sich? In wiefern kann man noch Bewertungen für Bücher bei Amazon generieren?
Wichtige Anmerkung hierzu: Von der Löschung betroffen sind die Bewertungen von bestimmten Produkttestern, die eben den Hinweis „ich habe das Produkt in Form eines Gutscheincodes kostenlos / verbilligt erhalten“ etc., weil hier eben immer wieder von „Fakebewertungen“ die Rede war.
Diese wurden nicht ASIN-bezogen gelöscht und somit muss sich auch kein Händler bzgl. Kontolöschung Sorgen machen.
Die meist chinesischen Accounts die munter weiter versuchen „echte“ Bewertungen aufzubauen indem sie das Geld für die eingekauften Artikel per Paypal zurück überweisen (nachdem der Produkttester für den vollen Betrag den Artikel eingekauft hat), dagegen schon. Das sind Blackhat-Methoden die Amazon sicherlich nicht dulden wird.
Es gibt trotzdem noch weitere, legale Methoden Rezensionen zu generieren. Die haben aber sehr viel mit gutem Service und Aufwand zu tun – dafür sind das dann eben echte Bewertungen :)
In meiner Bewertungsregerge fange ich grundsätzlich bei den 1- oder 2Stern-Bewertungen an, da hier die relevantesten Informationen zu erwarten sind. Wer auf die 5Stern-Bewertungen steht, kann auch gleich bei den Werbeversprechen bleiben und mit 1Click kaufen.
@FatmesBurnie
Dass handhabe ich ähnlich …; die ’echten‘ zufriedenen Käufer rezensieren leider wenig in Relation zu den bezahlten Rezensenten … und den verärgerten Käufern, welche aus Frust ihren Fehlkauf bewerten.
Somit ergibt sich in der Gesamtschau aller Bewertungen ein verfälschter Durschnitt.
Dennoch schreiben enttäuschte Käufer die Wahrheit und zwar ungeschönt – im Vergleich zu anderen Käufern.
Ciao, Sascha.
Die Käufer schreiben nicht unbedingt „die Wahrheit“ – denn auch 5 Sterne Bewerter können ja so begeistert von einem Produkt sein, dass das deren Wahrheit war.
Aber ja, ich mache es ähnlich: Wenn ich Schwächen eines Produktes wissen möchte, lese ich mir zuerst die „negativen“ Bewertungen durch. Stärken erfahre ich ja schon aus der Eigenwerbung.
Ich war selbst eine ganze Weile lang einer dieser Bewerter, habe das immer durch einen deutlichen Hinweis gekennzeichnet, und tatsächlich ehrlich bewertet – da finde ich es jetzt schon etwas lächerlich, wenn (am Beispiel eines ziemlich schlechten Handy-Headsets) meine 2-Sterne-Bewertung gelöscht ist, während haufenweise 5-Sterne-Bewertungen von Leuten, die den Hinweis auf das kostenlose Testprodukt irgendwo im ellenlangen Fließtext versteckt haben, erhalten bleiben.
Es wurden großteils nur negative Bewertungen gelöscht, da Amazon mittlerweile 50% FBA macht, also für Marketplace-Verkäufer den Versand abwickelt, hält es den Kunden nur vom Bestellen ab.
Amazon verdient bei FBA-Retoure trotzdem, und bekommt dann sogar noch kostenlose Bewertungen von Kunden die wirklich die Ware mal in den Händen hatten und nicht wie diese Fake-Test Nischenseiten.
Toll, dass Amazon endlich gegen die incentivierten Bewertungen vorgeht. In bestimmten Produktkategorien haben die Topseller nur incentivierte Rezensionen.
Leider ist uns aufgefallen, dass jetzt einige Rezensionen auftauchen, in denen jetzt nicht mehr angegeben wird, dass ein Produkt zum Testen zur Verfügung gestellt wurde.
Hersteller, die aus den Bewertungen lernen und ihr Produkt ständig verbessern werden langfristig erfolgreich sein.
Manchmal muss ich mich echt fragen!?! Für „Sascha“ habe ich heute speziell einen Arikel veröffentlicht https://www.content-werkstatt.com/blog/100e-belohnung-bewertungen/
Leute, schon mal darüber nachgedacht, was Bewertungen wirklich sind? Es sind M-E-I-N-U-N-G-E-N!!! Und wenn ich für Meinungen anderer Leute, die ich nicht mal kenne und die vermutlich sogar unter einem Pseudonym veröffentlichen, Geld rauswerfe und mich dann noch als Opfer fühle, dann weiß ich ja auch nicht. Über die Tatsachen – sofern es überhaupt welche gibt – bin ich mir immer erst im Klaren, wenn ich das Produkt in der Hand halte. Und auch der „echte“ Bewerter kann aus seiner Meinung keine Tatsachen zaubern. Ja ist das jetzt so schwer zu begreifen?
content-werkstatt
Da Händler auch heute noch über Facebook-Gruppen & Co. viele Produkttester beeinflussen, indem sie deren Amazon-Bewertungsprofil verlangen, direkten Kontakt haben, Produkte rausgeben um eine Bewertung zu erhalten, zum Teil soweit gehen, dass die Tester zum Normalpreis kaufen und dann per paypal das Geld zurück erhalten usw. – hat sich diesbezüglich nicht ganz so viel geändert.
Grundsätzlich will Amazon Bewertungen auf deren Produkten, nur eben unabhängige Meinungen die nicht „gesteuert“ werden.
Auf unserer Plattform – https://shopdoc.deals/ – haben die Händler weder Kontakt mit dem Produkttester, noch können sie prüfen wer was bekommen und bewertet hat (oder nicht), können keinen Einfluss auf den Produkttester nehmen und geben die Artikel nicht mal als Bedingung eine Bewertung zu bekommen, heraus.
Einige Händler pushen z.B. bei einem Produkt-Launch damit ihre Sales und Rankings – auch das wird oft vergessen.
Damit die Händler hier nicht benachteiligt werden, haben wir einen Zuverlässigkeitsindex eingeführt mit welchem die Produkttester auch außerhalb des Deals dem Händler wertvolles Feedback z.B. für deren Listings geben können, Bilder beurteilen, über die Plattform mitteilen können, wie sie z.B. deren Produkte auf Amazon suchen würden usw., so ne Art Win-Win-Situation für Händler und Produkttester.
„Zwar behaupten die Anbieter, sie könnten irgendwie eine Amazon-konforme Bewertungsvergabe ermöglichen – tatsächlich lassen die neuen Amazon-Richtlinien aber keine Schlupflöcher für solche Dienste zu.“
Natürlich lassen Sie das. Nur wird es deutlich komplizierter und Händler sowie Produkttester bzw. „Käufer mit anschließender externer Rückerstattung“ müssen schon fast auf Verschwörungsniveau agieren.
„Neben dem Marketingbudget kann im schlimmsten Fall auch der Händleraccount wegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen von Amazon verloren gehen.“
Gerade die kleinen Seller, die nur am Labeln sind, sind da wenig erschrocken. Macht man eben einen neuen Account auf – neues Spiel, neues Glück. Das ist aber auch nicht wirklich Neues in deren Kreisen…
Die Initiative von Amazon geht klar in die richtige Richtung, schließlich werden „Produkttester“, abgesehen von der sowieso positiven Vorlage „Gratisitem“, ohnehin schon stark dazu angehalten, unkritisch zu bewerten. Siehe die Vergabe von Tests an kritische und unkritische Tester…