Amazon Webstore im Test: Das kann der E-Commerce-Mietshop
Anders als bei einem „Amazon-Shop“, den Händler direkt innerhalb der Amazon Website betreiben, handelt es sich beim „Amazon Webstore“ um ein eigenständiges Shopsystem, das lediglich auf den Servern von Amazon gehostet wird. Die Lösung führt alle verfügbaren E-Commerce-Dienstleistungen von Amazon an einer Stelle zusammen. Ein Online-Händler kann dabei auswählen, welche der Dienstleistungen er nutzen möchte und welche nicht. Die Grundausstattung besteht in jedem Fall aus dem gehosteten Onlineshop und dem Zahlungsabwicklungsservice Amazon Payments, die Nutzung anderer Zahlungsmethoden ist nicht möglich.
Amazon Webstore Einrichtung und Inbetriebnahme
Die Bestellung verläuft relativ zügig, nach Eingabe (Tipp: Datum im US-Format) der Firmendaten und der Bankverbindung ist der Account direkt verfügbar und die Einrichtung kann direkt in der sogenannten „Seller-Central“ beginnen. Die Seller-Central dient bereits Verkäufern im Amazon Marketplace als Schaltzentrale, das ist auch im Webstore so. Im Internet ist vereinzelt zu lesen, das bestehende Nutzer der Seller-Central Schwierigkeiten haben, den Bestellprozess durchzuführen, wir konnten als Neukunde keine Probleme feststellen. Bevor der neue Onlineshop für die Nutzung zur Verfügung steht, muss der Händler einen Identitätsnachweis erbringen. Zuerst durch einen automatischen Telefonanruf, dann durch Eingabe der Personalausweisdaten. Amazon holt zudem unter Umständen eine Kreditauskunft über den Händler ein. Im letzten Schritt muss der Händler sein Produktsortiment einstellen, da Amazon sich das Recht vorbehält, das Sortiment zu prüfen. Dabei sollte man die bei Amazon verbotenen Artikel genauso berücksichtigen wie die Tatsache, dass gebrauchte Artikel nicht zulässig sind.
Login: Amazon-Account oder eigenes Kundenkoto?
Sollen Kunden im Shop ihr vorhandenes Amazon-Kundenkonto nutzen dürfen oder sollen sie ein eigenes Kundenkonto zum Einkauf eröffnen? Dies ist die erste zentrale Entscheidung, die ein Händler bei der Einrichtung eines Webstores treffen muss. Ein „Zurück“ gibt es nicht, ein Wechsel zwischen den beiden Log-in-Methoden ist nicht möglich. Dazu müsste man einen komplett neuen Webstore eröffnen und den bisherigen Store wieder löschen.
- Login über das Amazon Kundenkonto.
Vorteil: Der Kunde nutzt bereits hinterlegte Zahlungsdaten und Versandadressen und kann die Amazon A-Z Garantie nutzen.
Nachteil: Die Zahlungsabwicklung erfolgt über eine Seite mit Amazon Branding, es wird lediglich zusätzlich das Logo des Online-Händlers eingeblendet.
- Login über ein neu erstelltes Kundenkonto
Vorteil: Die Zahlungsabwicklung ist komplett im Design des Onlineshops gehalten.
Nachteil: Alle Zahlungsdaten müssen neu eingegeben werden, treten während der Bestellung Probleme mit der Zahlung auf, kontaktiert nicht mehr Amazon den Kunden, sondern den Händler. Das bedeutet Mehraufwand.
Gestaltung und Pflege des Onlineshops
Das Design des Shops ist flexibel anpassbar. Händler ohne Programmier- bzw. HTML-Kenntnisse können auf die hinterlegten Vorlagen zurückgreifen und mit Hilfe einer grafischen Benutzeroberfläche Änderungen vornehmen, Seiten hinzufügen oder löschen. Versiertere Benutzer können das Layout via HMTL und CSS direkt verändern oder gleich eine eigene Vorlage, einen Seiten-Master, anlegen. Zusätzlich bietet Amazon kleine Programmbausteine, Widgets genannt, die an jeder beliebigen Stelle eingefügt werden können. Dazu gehören zum Beispiel die Bestseller im Shop oder „kürzlich angesehene Produkte“. Von Amazon entwickelte neue Funktionen und Leistungsmerkmale können unter dem Punkt „Webstore-Upgrades“ durch einen Klick hinzugefügt werden. Im Moment wird dort vor allem das Feature „Kundenrezensionen“ angeboten.
Nach der Gestaltung des Webstores lassen sich beliebige Produktkategorien, Unterkategorien und neue Artikel zum Verkauf über Eingabemasken im Administrationsbereich eingeben. Bildmaterial wird dabei auf die Amazon-Server hochgeladen und dort ebenfalls gehostet. Sonderangebote können zum Beispiel über die oben erwähnten Widgets integriert werden.
Zahlungsabwicklung im Amazon Webstore
Alle Zahlungen werden über Amazon Payments abgewickelt, zusätzliche Zahlungsmethoden können nicht hinzugefügt werden. Damit entfallen nicht nur beliebte Bezahldienste wie Paypal, Sofortüberweisung oder Click & Buy, sondern auch ein Kauf auf Rechnung wird unmöglich. Amazon Payments bietet Käufern lediglich die Möglichkeit, per Kreditkarte oder via Lastschrifteinzug zu bezahlen.
Laut Amazon verringert die Nutzung von Amazon Payments erheblich die Betrugsrate und bietet dem Händler somit zusätzliche Sicherheit. Rückbelastungen wegen eines Widerspruchs im Rahmen der Amazon A-Z Garantie gehen grundsätzlich zulasten des Händlers. Das Forderungsausfallrisiko trägt in jedem Fall der Händler, falls Amazon ausnahmsweise einzelne Ausfälle übernimmt, wird die Forderung automatisch an Amazon abgetreten. Das Zahlungskonto des Kunden wird erst belastet, sobald der Händler die Bestellung in den Status „versandt“ umgewandelt hat. Einen positiven Kontostand vorausgesetzt, überweist Amazon die Einnahmen dann im 14-Tages-Rhythmus an den Online-Händler.
Bestell- und Kundendaten
Händler können alle Bestellungen direkt in der Seller-Central verwalten. Der Kontakt zum Kunden per E-Mail ist grundsätzlich nur über Amazon möglich, die E-Mail-Adresse des Kunden wird dem Händler nur anonymisiert zur Verfügung gestellt. Amazon kann so die Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer dokumentieren und einsehen. Bestellungen müssen innerhalb von 30 Tagen als „versandt“ markiert werden, sonst wird der Einkauf storniert.
Bestellungen, die Händler über andere Verkaufskanäle erreichen, kann er oder sein Kundenservice über eine webbasierte Anwendung namens AOA (Assisted Ordering Application) aufgeben. Um Fragen und Probleme im Zusammenhang mit Bestellungen zu bearbeiten, steht dem Händler das Modul CSW (Customer Service for Webstore) zur Verfügung. Dort sind alle bisherigen Transaktionen des betroffenen Kunden aufgelistet.
Versand durch Amazon und Verkauf auf den Amazon Marktplätzen
Seine größte Stärke spielt Amazon Webstore im Zusammenspiel mit den anderen erhältlichen Dienstleistungen von Amazon aus. So können Händler ausgewählte oder auch alle im Webstore angebotenen Produkte bei Amazon lagern und direkt durch Amazon versenden lassen. Zusätzlich lassen sich alle im Webstore verfügbaren Produkte bei Amazon.de und allen weiteren europäischen Marktplätzen von Amazon zum Verkauf anbieten. Kunden, die sich bei Amazon für einen kostenlosen Versand qualifizieren (Prime-Account, bei Büchern oder ab 20 € Bestellwert), können sich bei Amazon eingelagerte Produkte aus dem Webstore des Händlers ebenfalls kostenlos zusenden lassen. So kann ein verkaufsfördernder Effekt entstehen.
Webstore-Händler, die es vorziehen ihre Produkte selbst zu versenden, unterstützt Amazon durch die Integration eines DHL-Frankierungsdienstes.
Daten Import/Export und Austausch mit anderen Systemen
Amazon verspricht, dass sich nahezu jedes externe System anbinden lässt. Das Unternehmen weist jedoch darauf hin, dass es ratsam ist, für die Realisierung einen zertifizierten Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Wer darauf verzichten möchte, kann erfahrungsgemäß auch einfach darauf warten, dass einer der vielen Abwicklungsdienste Amazon Webstore bei sich integriert. Der Anbieter von Cloud-basierten E-Commerce-Lösungen Channeladvisor bietet beispielsweise bereits eine Anbindung an den Webstore an.
Exportmöglichkeiten im Amazon Webstore:
- Manueller Im-/Export von Bestellungen und Artikeldaten als CSV- und XML-Dateien
- API – Schnittstelle für automatisierten Zugriff
Kosten für Amazon E-Commerce-Dienste
Zum Start stellt Amazon Services Europe die komplette Lösung drei Monate kostenlos zur Verfügung. Entscheidet sich der Händler dafür, Amazon auch den Versand durchführen zu lassen und verkauft er seine Produkte zusätzlich zum Webshop auch bei amazon.de, lässt sich der Webstore sogar sechs Monate lang kostenlos nutzen. Danach fallen nachfolgende Kosten an:
- Amazon Webstore: 24,99 Euro monatliche Grundgebühr
- Amazon Payments: 1,9 Prozent + 0,35 Euro
- Verkaufen bei Amazon: ab 7 Prozent
- Versand durch Amazon: ab 1,12 Euro
Fazit
Im Vergleich zu einer klassischen Hostinglösung ist Amazons Webstore sehr komplex und „leidet“ an Einschränkungen, aufgrund derer das System als Basis für einen Händler mit vielen Vertriebskanälen nur bedingt geeignet ist. Für diesen Fall ist die Kombination aus einem Onlineshop und einem Abwicklungssystem wie Afterbuy, Channeladvisor oder einem eigenen ERP- bzw. Warenwirtschaftssystem vermutlich besser geeignet.
Sicherlich nicht uninteressant für größere Händler ist die Skalierbarkeit des Systems. Amazon verspricht, das Lastspitzen durch das eigene System abgefangen werden. Ein frei skalierbares Onlineshopsystem mit einer integrierten Lastverteilung dürfte zu diesem Preis bei keinem Hoster verfügbar sein.
Der größten Vorteile von Amazon Webstore sind die Synergie-Effekte, die aus der Verbindung mit Amazon und seinen vielen Marktplätzen entstehen. Gerade für Einsteiger in den E-Commerce liegt die Hürde bei Amazon sehr niedrig, da Händler viele benötigte Bausteine (Versandabwicklung, Payment) direkt nutzen kann. Möchte man diesen Vorteil nicht ausspielen, sondern einfach nur einen alleinstehenden Onlineshop betreiben, sollte man sich die Frage stellen, ob nicht ein anderer Hostinganbieter besser geeignet ist.
[ Update 12.02.: E-Mail Adressen der Kunden sollen doch nicht anonymisiert werden. Entgegen der Beschreibung in der Seller-Central-Hilfe und der telefonischen Auskunft des Amazon-Verkäufer-Service gegenüber t3n, soll die E-Mail Adresse des Kunden doch an den Händler übermittelt werden. Die Amazon.de GmbH legt Wert auf die Feststellung: „Ein Händler erhält für jeden Kunden, der bei ihm einkauft die komplette Emailadresse.“ ]