Mit „America’s Army“ hat das Militär Gamer rekrutiert – bald hat das ein Ende
Zwischen Videospielen und dem Militär gibt es seit jeher unübersehbare Schnittstellen – in den Games selbst, in denen immer wieder originalgetreue Fahrzeuge oder Waffen aufgefahren werden, um in vermeintlich authentischen Schlachten anzutreten, oder durch Gaming-Engines, die vom Militär genutzt werden, um Szenarien zu simulieren oder sogar Kriegsgerät zu steuern.
Vor 20 Jahren schon hat das US-Militär aber das Medium Videospiel direkt nutzen wollen, um Menschen für den Dienst zu rekrutieren. „America’s Army“ ist eine vom Militär entwickelte Spielereihe, die Einblick in die Aufgaben von Soldat:innen geben will – und dabei Daten derer sammelt, die eventuell selbst Teil des Militärs werden wollen. Am 5. Mai soll das jedoch ein Ende haben.
Spieltechnologie zur Rekrutierung
Kürzlich gab die US-Armee auf der Seite von „America’s Army“ bekannt, dass das Spiel in wenigen Wochen eingestellt werden soll. Aktuell ist es noch für die Playstation 4 über den PS-Store und für den PC über Steam kostenlos erhältlich. Während die Onlineserver abgestellt werden, soll es aber weiterhin möglich sein, das Spiel offline zu spielen. „Das Free-to-Play-Spiel ‚America’s Army‘ war der erste groß angelegte Einsatz von Spieltechnologie durch die US-Regierung als Plattform für strategische Kommunikation und Rekrutierung und der erste Einsatz von Spieltechnologie zur Unterstützung der Rekrutierung durch die US-Armee“, heißt es auf der Seite.
Erstmals gestartet war „America’s Army“ im Juli 2002, kurz vor dem Irakkrieg, der im März 2003 begann, und mitten im Einsatz in Afghanistan, der im Herbst 2001 startete. Zunächst war das Spiel auf eine Spanne von sieben Jahren angelegt gewesen, doch der große Erfolg sorgte für zwei Fortsetzungen und eine Laufzeit von nun 20 Jahren. Hauptsächlich sollte „America’s Army“ ein positives Bild der Armee vermitteln. Es ging um Teamplay, übermäßige Gewalt oder Blut wurden gänzlich ausgeblendet. Darüber hinaus konnte die Armee die für die Account-Erstellung hinterlegten Daten nutzen, um vor allem junge Menschen aktiv für einen möglichen Dienst zu rekrutieren.
Das Interesse wird bleiben
Laut der US-Armee sollen insgesamt 20 Millionen Spieler:innen das Game zumindest ausprobiert haben. Steam-Zahlen aber zeigen, dass die Beliebtheit des Spiels schon seit Monaten konstant abnimmt. Das dürfte ein Grund für das Abschalten der Server am 5. Mai sein. Offiziell heißt es lediglich, man wolle den „Fokus auf neue und innovative Wege verlagern, um die Armee bei der Kommunikation und Rekrutierung zu unterstützen.“
Doch es ist davon auszugehen, dass nicht nur das US-Militär weiterhin großes Interesse an dem Medium Videospiel haben wird. Durch Immersion, Daten-Sammeln und Community-Arbeit sind Games besonders gut geeignet, um Menschen für das Militär einzunehmen. Hinzu kommt, dass große Publisher auch oft mit Armeen zusammenarbeiten, um etwa auf Daten von Waffen und Fahrzeugen zugreifen und sie originalgetreu nachbauen zu können.
Die Bundeswehr mischt ordentlich mit
Auch die Deutsche Bundeswehr hat bereits seit längerem das Videospiel für sich entdeckt. So hatte sie vor der Corona-Pandemie regelmäßig einen Stand auf der Gamescom. Hier wurden junge Menschen angesprochen, Teil der Armee zu werden. Neben Anspiel-Stationen standen echte Panzer. Neben virtuellem Krieg wurde der reale Krieg als eine weitere Möglichkeit angepriesen, sich selbst zu verwirklichen. Auf kontrovers diskutierten Plakaten wurde diese Nähe von Game und Armee noch stärker hervorgehoben.
Ebenso nutzt die Bundeswehr aber Videospiele selbst, um Soldat:innen auf bestimmte Szenarien vorzubereiten. „Santrain“ etwa soll die taktische Verwundetenversorgung trainieren. Auch hier werden Videospiele also als adäquates Mittel gesehen, um kriegerisches Geschehen möglichst realistisch und immersiv erlebbar zu machen. Die Stärke des Videospiels also: Die Spieler:innen reinzuziehen und eine in sich schlüssige Welt erleben zu lassen; sie ausprobieren und experimentieren zu lassen; eigene Wege der Problemlösung entdecken zu lassen – all das kann auch vom Militär zu Rekrutierung und Propaganda genutzt werden. Im besten Fall, wie bei „Santrain“, werden Games genutzt, um Soldat:innen in sicherer Umgebung zu trainieren. Im schlimmsten Fall aber wird durch Videospiele vermittelt, dass Krieg eigentlich auch Spaß machen kann – man darf eben nur nicht getroffen werden. Moralische Fragestellungen gehören kaum zu diesen Rekrutierungs-Games.