Den ganzen Tag Reibereien in der Firma, alle sind gegen dich. Zu Hause fällst du aufs Sofa und die toxische Arbeitskultur hat Feierabend. Aber wer ist jetzt toxisch? Die? Oder du? Oder ihr alle zusammen? Wahrscheinlich ist es euer Verhältnis. Natürlich gibt es Menschen, die eine gute Arbeitskultur zerstören. Sie lästern, sie spielen Menschen gegeneinander aus, sie halten Informationen zurück und fördern Konkurrenz. Das sind die offensichtlichen Fälle.
Doch eine toxische Arbeitskultur kann auch subtiler entstehen. Das passiert, wenn du selbst ein Teil des Problems bist. Stanford-Professor Robert Sutton erforscht toxische Kulturen und hat den Kern des Ganzen in einem Interview mit dem Greater Good Science Center der UC Berkeley so formuliert: „Wir sind nicht fähig, unsere eigenen Schwächen zu sehen. Wir können nur hoffen, dass wir Menschen in unseren Leben haben, die sie uns sagen.“
Sutton spricht von „certified jerks“. Man erkenne sie daran, dass sie eine Spur von Betroffenen hinter sich zurücklassen, die sich erniedrigt, ausgelaugt und verletzt fühlen. Und noch dazu sei toxisches Verhalten anstrengend.
Diese Fragen stellt „Arschloch“-Forscher Sutton ihnen:
- Wie sehr leidest du?
- Wie geht es dir körperlich?
- Wie geht es deiner mentalen Gesundheit?
- Wirst du selbst toxisch?
Vielleicht liest du diesen Text, weil du in einem toxischen Umfeld arbeitest. Hier ist deine Frage: Wann warst du zuletzt selbst das Gift?
Warum wir eine toxische Arbeitskultur übersehen?
1. Weil sie so schön ist … wenn du ein Teil davon bist!
Es tut mir ein wenig leid, das so hart zu schreiben. Aber das schönste Arbeitsumfeld ist die größte Gefahr. Manche Teams sind tolle Gemeinschaften. Sie stehen fest zusammen. Die Mitglieder trösten einander. Sie verstehen einander. Solche Teams arbeiten besser zusammen und ihre Mitglieder sind zufriedener bei der Arbeit. Sie bleiben seltener der Arbeit fern und sie sind nicht so häufig emotional erschöpft, berichten Sozialforschende nach einer Langzeitstudie in einer Pflegeeinrichtung. Das dient den Patient:innen: Auch bei ihnen war die Stimmung besser.
Es zeigte sich allerdings eine Kehrseite: Teams, die sehr fest zusammenhalten, tun dies auch bei Fehlern. Probleme werden eher vertuscht. Und wer nicht zur etablierten Kultur passt, hat es schwer, reinzukommen. Am Schluss steht der Effekt, dass das Team und die Firma weniger ethisch handeln – sie können sich ihr Verhalten schließlich schönreden, alle gemeinsam.
2. Weil sie zum Erfolg führt!
Nein, natürlich führen sie nicht zum Erfolg. Im Gegenteil: Managementforschende der Oxford Saïd Business School und des MIT berichten nach einer Studie, dass glückliche Mitarbeitende 13 Prozent erfolgreicher sind. In anderen Studien wurde berichtet, dass Mitarbeitende seltener kündigen, das spart dem Unternehmen Geld. Und doch: Das Gerücht, Konkurrenz belebe das Geschäft und führe zum Erfolg, hält sich hartnäckig. Wer Wirtschaft studiert hat, lernt das im ersten Semester in der ökonomischen Theorie: Konkurrenz fördert Innovation und Leistungsbereitschaft.
Das Problem an dieser Theorie ist, dass sie sich in der Realität nicht bestätigt. Sie ist eine Annahme, anhand derer Forschende ihre Modelle entwickeln, um Vorhalten vorherzusagen. Sie tun dies, weil sie davon ausgehen, dass die Mitglieder einer Gruppe von Menschen im Durchschnitt egoistisch handeln werden. Nur stimmt das nicht. Menschen arbeiten gern zusammen. Sie brennen aus, wenn sie gegen Menschen arbeiten sollen, die eigentlich ihr Team sein sollten.
So viele Jobs hängen heute an Kreativität und Information. Beides funktioniert nicht, wenn Führungskräfte eine Kultur der Einzelkämpfer:innen zementieren. Sie mögen Ellenbogenmentalität belohnen – das Team bleibt damit aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das gilt insbesondere, wenn die Chef:innen narzisstische Persönlichkeitsmerkmale haben, berichtet ein Team von Organisationsforschenden der Business Schools von Stanford und Berkeley. Die Führungskräfte haben dann übrigens ein höheres Einkommen – weil sie die Erfolge anderer als ihre eigenen verkaufen. Schön für sie, aber dadurch sinkt die Performance der Abteilung. Schlechte Führungskräfte sind das Ergebnis einer schlechten Führungsleistung der nächsthöheren Ebene.
3. Weil sich die Guten verdrücken!
Das Homeoffice war für einige Menschen eine Erleichterung. Sie waren den Spitznamen nicht mehr ausgesetzt, den kleinen Spitzen, als Humor getarnt und doch schmerzvoll. Sie konnten in Ruhe arbeiten. Meetings blieben, aber in eine Kamera vor anderen zu beleidigen ist etwas anderes, als es locker-lässig auf dem Flur zu tun.
Gehen jene Menschen, denen an einer freundlicheren Kultur gelegen ist, nicht mehr in die Firma, dann verfestigt sich der toxische Umgang. Quiet Quitting ist dann nicht mehr fern. Also: Bist du öfter im Homeoffice, weil du den Umgang in deinem Team nicht erträgst? Oder arbeitest du mit Menschen, die du als zu weich empfindest, um in deinem Umfeld zu arbeiten?
Das könnte eine Spur sein, dass bei euch etwas schiefläuft.
Veränderung ist ein langsamer Prozess
Eine toxische Arbeitskultur kostet die Firma Geld und versaut den Beteiligten das Leben und die Karriere – such dir aus, was dir wichtiger ist. Und selbst, wenn jene Menschen, die diese Kultur gefördert haben, nicht mehr da sind, bleibt der giftige Beigeschmack erhalten. Es dauert eine Weile, sich zu verändern, Vertrauen aufzubauen, Zusammenhalt zu lernen.
Veränderung gelingt „Arschloch“-Forscher Sutton zufolge nur, wenn unethisches oder toxisches Verhalten klar sanktioniert wird, während Zusammenarbeit belohnt wird. Ein positives Arbeitsumfeld kann beschlossen und verkündet werden. Aber wenn die neue Kultur nicht jeden Tag gelebt wird, dann wird sie sich niemals festigen.