Stell’s dir einfach bildlich vor: Dein Kollege oder deine Kollegin räumt noch kurz den Arbeitsplatz auf, Rechner aus, Wasserflasche in die Kiste und dann – schönen Abend, ciao. Und du weißt: Diese Person arbeitet hier offiziell, aber innerlich? Schon lange nicht mehr. Quiet Quitting heißt das Phänomen. Die Menschen sehen keinen Grund für eine Kündigung, denn der Job ist irgendwie okay. Und sie haben es aufgegeben, etwas bewirken zu wollen. Und du ärgerst dich. Aber die eigentliche Frage lautet:
Willst du etwas bewirken?
Wenn Quiet Quittung für dich ein Fehler der Angestellten ist, dann geh bitte und lies etwas anderes. Ich habe mich nicht durch die Wissenschaft gewühlt, damit du mir dann sagst, das sei alles nicht deine Verantwortung. Denn du kannst etwas bewirken. Wenn du willst.
Quiet Quitting ist eine Folge der Orientierungslosigkeit
Wer innerlich gekündigt hat, der spürt keine emotionale Verbindung mehr zum Job. Mit Faulheit hat das in der Regel wenig zu tun, berichtet das Meinungsforschungsinstitut Gallup. Es sind Menschen, die das Gefühl haben, dass sich in ihren Firmen kaum jemand für sie oder ihre Arbeit interessiert. Viele von ihnen wissen nicht einmal genau, was von ihnen erwartet wird. Sie wissen nicht, wie sie lernen und wachsen sollen. Und aus der Hoffnung, dass dieser Job richtig gut wird, ist irgendwann die Resignation geworden: dann halt nicht.
Und natürlich kann die Antwort auf diese Probleme lauten: Dann müssen sie sich halt aktiv bemühen. Nur: Wer sagt, dass sie das nicht getan haben? Und auch die Haltung, dass nur die Lauten in der Arbeitswelt bestehen können, hat sich selbst überlebt. Deshalb ist die innere Kündigung ja so ein leiser Akt. Quiet Quitting kann den Menschen angelastet werden, die ihre Arbeit aufgeben haben. Aber damit ist nichts gewonnen. Mehr erreicht, wer das Engagement der Mitarbeitenden als Führungsaufgabe betrachtet.
Der große Zweck? Das sind nicht nur die ehrenvollen Dinge
Es ist Zeit für den etwas überstrapazierten Begriff des Purpose: Warum machst du, was du machst? Warum machen die Leute in deinem Team, was sie machen? Die wissenschaftliche Basis für dieses Konzept ist breit, deshalb lohnt es sich, noch einmal genauer draufzuschauen. Die Berkeley-Professoren Morten Hansen und Dacher Keltner benennen verschiedene Faktoren, die gegen Quiet Quittung helfen, indem sie der Arbeit einen Sinn geben:
- Hilfe für andere
- die Gelegenheit, zu lernen
- Ziele erreichen
- Status
- Macht
- Zugehörigkeit
- Bedeutung für das Team
- Selbstbestimmung
Nicht alle diese Faktoren entsprechen einer selbstlosen Idee von Sinn, wie sie heute oft propagiert wird. Aber auch das ist ein Teil der Wahrheit: Sinn ist persönlich. Jede:r hat eine eigene Idee davon. Und jede dieser Ideen kann das Engagement beleben. Hansen und Keltner schreiben in einem Essay: „Wenn du keinen dieser Faktoren erlebst, dann solltest du vielleicht einen wählen und anfangen, ihn zu entwickeln. Und das in Zusammenarbeit mit deinem Boss oder den Kolleg:innen.“
Start with Bäm!
Wer der Arbeit der Menschen einen Sinn gibt, den sie selbst spüren, macht das Quiet Quitting damit nahezu unmöglich. Natürlich fühlt sich ein Mensch bei der Arbeit wenig wertvoll, wenn bei der Präsentation alle auf die Smartphones schauen und den Bericht hinterher niemand liest. Dieses Gefühl ändert sich, wenn kurz vor Feierabend jemand hingeht und sagt: Dass du diesen Job so gut gemacht hast, hat meine Arbeit heute erleichtert, vielen Dank.
Oder stell dir vor, eine Person, die keinerlei Einfluss empfindet – und ihn, sei ehrlich, deiner Meinung nach auch nicht verdient –, bekommt plötzlich einen eigenen Verantwortungsbereich. Jemand, den du bisher gemicromanagt hast, bekommt mehr Raum für eigene Lösungen. Trau dich! Start with Bäm!
Dies sind keine Heilmittel. Aber sie sind Anfänge. Quiet Quitting lässt sich verhindern und es lässt sich auch rückgängig machen. Das ist eine Führungsaufgabe. Wer das Quiet Quitting als Fehler der Betroffenen abtut, sollte sich fragen, ob er damit nicht seine Führungsrolle ganz quiet gequittet hat.