Quiet Quitting, Blind Signing und Co: Karriere-Trends, die (noch) keine sind

Quiet Quitting. Blind Signing. Career Cushioning. Job Crafting. Noch nie gehört? Kann gut sein, denn die Begriffe schwirren erst seit wenigen Monate oder Wochen durch die Timelines und Newsseiten im Internet. Werfen wir einen Blick auf die Flut an neuen Begriffen und Trends.
So viel sei bereits zu Beginn des Artikels verraten: Es folgt keine Reihe an Definitionen und Erklärungen, wie die Begrifflichkeiten einzuordnen sind. Vielmehr dreht sich der Artikel um die Frage, woher diese Entwicklungen stammen und wie es damit weitergeht.
Eine Einordnung
Ein bisschen Definition muss allerdings doch sein. Ohne weit auszuholen und jeden der Begriffe im Detail zu erklären, hilft ein kurzer Blick auf deren Bedeutung für das, was im Beitragsverlauf folgt.
Quiet Quitting beschreibt die Einstellung und Arbeitsweise von Mitarbeitenden, nicht über das vertraglich Vereinbarte hinaus Leistung zu erbringen.
Blind Signing ist die Beschreibung für einen Schnellschuss nach dem Bewerbungsgespräch. Verträge werden unterzeichnet, offene Fragen weggewischt und Zweifel beiseitegelegt. Hauptsache, der Bewerber oder die Bewerberin unterzeichnet – oder umgekehrt aus Sicht der Kandidatin oder des Kandidaten: Job gesichert! Nicht selten erfolgt nach kürzester Zeit Ernüchterung, wenn nicht alles so kommt, wie es besprochen war.
Der dritte Begriff im Bunde, der immer wieder fällt: Career Cushioning – was sich am ehesten mit „Karriere abfedern“ sinngemäß übersetzen lässt. Dabei geht es um den berühmten „Plan B“, den Menschen sich in die Tasche stopfen, wenn es um die berufliche Zukunft geht. Das kann die Suche nach dem möglichen nächsten Job sein oder ein Nebenverdienst. Der Hintergrund: So wird vorgebeugt, falls im aktuellen Beruf plötzlich Schluss ist.
Bleibt noch Job Crafting. Und Great Return. Und Rage Applying. Und, und, und – die Liste lässt sich zwar nicht endlos, aber um einige Begriffe mehr ergänzen. Sie alle zu erläutern, sprengt den Rahmen des Artikels und ist auch gar nicht das Ziel. Vielmehr stellt sich die Frage: Woher kommen diese Trends so geballt in letzter Zeit?
Globalisierung lässt grüßen
Zum einen ist klar, dass die Trends nicht unter den Namen „stilles Aufgeben“, „blindes Unterschreiben“ oder „große Rückkehr“ wie Dampfwalzen durch das Internet pflügen würden. Die englische Sprache rückt immer mehr in den Fokus, in der Geschäftswelt und jüngeren Generationen ist es längst mehr erwartete Voraussetzung als beeindruckende Qualifikation, dem Englischen in Wort und Schrift mächtig zu sein.
Beschleuniger für die Verbreitung der Begriffe sind zwei Entwicklungen, die Hand in Hand gehen: Zum einen junge Menschen, die Nachrichten und Entwicklungen anders konsumieren. Vor allem schneller, direkter, digitaler. Der zweite Grund: Plattformen wie Tiktok, aber auch Linkedin oder Instagram wirken wie ein Katalysator für die Verbreitung eben jener News und Informationen.
So weit, so gut – verwunderlich oder neu ist es nicht, dass Social Media für die rasante Verbreitung von Information sorgt. Interessanter wird es, wenn die Begriffe genauer unter die Lupe genommen werden.
Altes in neuem Gewand
Im Kern sind die Bedeutungen nämlich Umschreibungen für Umstände, Zustände und Entwicklungen, die auf dem Arbeitsmarkt schon immer da waren. Ob es das bewusste Gedankenspiel ist, sich mit anderen Optionen neben dem aktuellen Job zu befassen (Career Cushioning) oder das Bewerben bei zig anderen Unternehmen aus Unzufriedenheit über die jetzige Arbeitsstelle (Rage Applying) – das alles gab es schon.
Es entwickelt sich jedoch eine neue Sprache. Dass die sich über die Generationen verändert, ist normal. Jüngere Menschen fällt es offenbar leichter, bestimmte Sachverhalte mit kurzen, prägnanten Worten zu beschreiben und definieren.
Gleichzeitig nimmt das auch den Kritikern und Kritikerinnen den Wind aus den Segeln, die in den „Trends“ Entwicklungen sehen, die sie der viel zitierten „Gen Z“ zuschieben – oftmals mit negativem Subtext. Nicht selten fallen Sätze, die behaupten, dass Quiet Quitting & Co das Ergebnis einer unmotivierten und arbeitsscheuen jungen Generation sind, der Arbeit nichts mehr wert ist.
Ein Beispiel: Ist es nicht in unser aller Sinne, nicht bis zur Erschöpfung und Burnout-Symptomen Überstunden zu leisten und den Job über Familie, Freunde und die eigene Gesundheit zu stellen? Ist es nicht vernünftig, sich Gedanken zu machen, welche Optionen nach einer Kündigung warten – und diese vorzubereiten? Ist es nicht üblich, dass auch in der Probezeit ein Vertrag gekündigt wird, da es einfach nicht passt?
Die genannten Begriffe und eine Vielzahl derer, die sich ebenfalls ins Rampenlicht drängen, sind keine neuen Entwicklungen. Es sind lediglich prägnante, extrem kurze und pointierte Formulierungen für schon immer Dagewesenes. Das zeigen übrigens auch die harten Fakten, beispielsweise beim Blind Signing. Zumindest in Deutschland hat die Fluktuationsrate nicht nennenswert zugelegt über die letzten Jahre – müsste sie aber, wäre es ein realer Trend.
(Noch) viel Wirbel um nichts
Was bleibt als Fazit? Es entbehrt jeglicher Grundlage, irgendjemandem aus solchen Begriffen einen Strick zu drehen, wie es an der ein oder anderen Stelle gemacht wird. Gleichzeitig ist es erstaunlich, wie stark über den ein oder anderen Begriff berichtet wird – nicht zuletzt dreht sich auch genau dieser Artikel darum.
Interessant wird zu beobachten sein, ob sich die Begriffe im Sprachgebrauch etablieren. Eines muss man ihnen lassen: Auch wenn sie nichts Neues beschreiben, so bringen sie doch Sachverhalte treffend auf den Punkt, für die sonst mindestens einige Zeilen Erklärung nötig wären.
Auch möglich, dass sich mit neuen Generationen eben jene immer dagewesenen Sachverhalte verstärken. Ob das bereits in den letzten Monaten oder im letzten Jahr der Fall war, wurde – zumindest flächendeckend – noch nicht untersucht. Es bleibt weiter spannend.