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Interview

Isabell Welpe über Token Economy: Corporate Germany läuft – wieder einmal – hinterher

Mit Token Entscheidungen im Unternehmen fällen: In dezentralen autonomen Organisationen, kurz DAOs, könnte Arbeit ganz anders organisiert sein. Wissenschaftlerin Isabell Welpe forscht zur Arbeitswelt und wie sie sich verändern könnte.

4 Min.
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Prof. Dr. Isabell Welpe (Foto: Privat)

Auf der Suche nach mehr Sinn und Identifikation mit der eigenen Arbeit stellt sich unweigerlich die Frage nach der besseren ­Organisation von Arbeit. In der Krypto­szene meint man, bereits eine Antwort gefunden zu haben: DAO. Doch gehört dezen­tralen ­Organisationen wirklich die Zukunft? Unser Arbeiten wird auf jeden Fall projektbasierter, sagt Isabell Welpe. Sie forscht an der Technischen Universität München (TUM) zu ­Arbeitsorganisation und ­Digitaler ­Transformation, hat das TUM ­Blockchain ­Cluster ­mitgegründet und ist Academic ­Director des Center for Digital Technology and Management.

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t3n: Die Kryptoszene bastelt nicht nur an Metaverse und NFT, sondern auch an neuen Unternehmensformen – dezentralen autonomen Organisationen, kurz DAO. Sie werden über Smart Contracts gesteuert, die auf der Blockchain gespeichert sind. Dieses Computerprotokolle führen automatisch zuvor festgelegte Aktionen aus, dass zum Beispiel Betrag X in Projekt Y investiert wird. Mit Token wird über Unternehmensentscheidungen abgestimmt, Arbeitsleistung in Kryptowährung bezahlt. So sollen demokratischere ­Organisationen entstehen. Wie sehen Sie das als Arbeitsforscherin, ist das die Zukunft?

Isabell Welpe: Sagen wir so, es werden sicherlich mehr Menschen in DAO ­arbeiten. Aber natürlich wird es weiter traditionelle Unternehmen geben. Wir befinden uns aktuell noch in einem sehr frühen Stadium, sowohl was die Entwicklung des dezentralen Web3 angeht als auch die Anwendungsfälle zu denen auch DAO gehören. Wenn man das mit der Entwicklung des Web 2.0 vergleicht, sind wir höchstens im Jahr 1998. Es gibt noch nicht die Anwendungen, die die Web3-Technologie für die Masse an Anwendern erschließt. Es ist die Zeit der Frühanwender – erst wenige Menschen besitzen überhaupt eine Blockchain-Wallet und der rechtliche Status von DAO und Token ist zudem noch nicht abschließend geklärt.

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t3n: Lohnt es sich dann überhaupt, sich zum jetzigen Zeitpunkt mit einem so abstrakten und komplexen Konzept wie DAO auseinanderzusetzen?

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Der Antrieb für Neues ist in der Regel, dass man mit dem Ist­zustand unzufrieden ist. Und das sind bei Web 2.0 zum einen die Datensilos mit der Machtkonzentration auf wenige zentralisierte Plattform­anbieter und zum anderen die Abschöpfung eines beträchtlichen Teils der Wertschöpfung als Vermittlungsgebühr durch diese großen Firmen. Web3 ermöglicht statt zentraler ­Datenspeicher eine dezentrale Daten­speicherung und größere Kontrolle über die eigenen Daten sowie die Möglichkeit, ohne Zwischenhändler direkt miteinander Geschäfte zu machen. In DAO können sich Menschen zusammenschließen, die dieselben Interessen verfolgen. Sie wollen über die ­Governance die Anreize und Regeln einer Organisation mitbestimmen und von der ­Organisationsentwicklung direkt profitieren, indem sie Anteile in Form von Token halten.

t3n: Bei einer DAO mitzumachen, erfordert aber auch Spezial­wissen und viel Zeit. Ist das also erstmal einer durch Krypto­investments reich gewordenen Tech-Elite vorbehalten?

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Wann hatten wir denn je zuvor mehr Möglichkeiten, uns zu ­informieren? Zugang zu Bildung und Wissen ist durch das ­Internet so verfügbar wie noch nie in der menschlichen Geschichte geworden. Der Innovations- und Veränderungsdruck auf Unternehmen ist derzeit enorm. Die Konsumenten fordern individuelle Lösungen anstelle von „One Size fits all“-Angeboten. Etablierten Organisationen, die teils Hunderttausende Menschen beschäf­tigen, fällt es schwerer, sich an die aktuellen Veränderungen anzupassen. In einem Moment braucht es Entwickler, die klassische Programmiersprachen beherrschen, und im nächsten welche, die Solidity zur Programmierung von Smart Contracts können; da stehen Unternehmen mit den althergebrachten Organisations-, Arbeits- und Führungsmodellen vor einer Herausforderung.

t3n: Gerade für den Kryptohandel stehen die Zeichen auf ­Regulierung, und Hacks sorgen immer wieder für Negativ­schlagzeilen. Könnte ein Verbot von Kryptowährungen nicht dem Ganzen schnell den Garaus machen? Ohne handelbare Token gibt es auch kaum Anreiz, für eine DAO zu arbeiten.

Die Dezentralisierung von Zentralbanken gefällt Letzteren natürlich nicht unbedingt. Daher besteht durchaus ein gewisses Risiko, aber ich sehe nicht, dass ein Totalverbot in allen Ländern kommt. Sie können ja in ein anderes Land ausweichen, dort Ihre App herunterladen und solange Sie ihre Passphrase erinnern, ist ihr Kryptovermögen für Sie verfügbar. Das ist der Vorteil eines dezentralen Netzwerks. In ­Amerika zum Beispiel ist Sprache geschützt und Bitcoin ist Code und damit nichts anderes als Sprache – also viel Glück dabei, das verbieten zu wollen.

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„Künftig werden viele ­Menschen nicht sechs Jobs in ihrem Leben ­haben, sondern eher sechs Jobs ­parallel.“

t3n: Wie sieht es in der deutschen Wirtschaft aus? Sind deutsche Nachwuchstalente und Unternehmen bereit, sich auf die Token-Ökonomie einzulassen?

Corporate Germany läuft – wieder einmal – hinterher, wie schon länger beim Thema digitale Transformation. Ich habe am Center for Digital Technology and Management mit vielen talentierten Studierenden zu tun; manche von ihnen haben später Unicorns gegründet. Viele streben nicht danach, Dax-Vorstand zu werden, sondern wollen in Private Equity und Entrepreneurship ­ar­beiten. Wenn ich sie frage, wonach sie sich ihre Jobs aussuchen, ant­worten sie, dass sie bei Unternehmen dabei sein wollen, die ganz vorne mit dabei sind. Aber die deutschen Firmen er­kennen ­mehrheitlich leider derzeit noch nicht mal das Potenzial von NFT.

t3n: Wie wird die Organisation der Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?

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Wir werden neue Organisationen mit veränderter Struktur und veränderten Prozessen sehen, in denen eher projektbasiert ­gearbeitet wird. Es werden durchlässigere Organisationen entstehen, in denen Menschen, die einen Arbeitsvertrag bei einer Organisation haben, mit Menschen, die keinen Arbeitsvertrag bei der Organisation haben, flexibel und selbstorganisierter ­zusammenarbeiten. Künftig werden viele Menschen nicht sechs Jobs in ihrem Leben haben, sondern eher sechs Jobs ­parallel, bei denen sie ihre Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen.

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Dein t3n-Team

Me

Krypto-Tech macht mit Mühe und Not Sinn für 2% aller Anwendungen. Es ist einfach nur Quatsch davon auszugehen, dass diese Technologie auf lange Sicht grundlegend alles verändern wird.

Es ist ungefähr genauso unsinnig wie die Bezeichnung Web 2.0. Zwischen 2.0 und 1.0 gibt es keinen technischen Unterschied.

Stumpfe Buzzwords ohne jede Substanz.

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