Arbeitsplatz: Kompromisse sind Doppelniederlagen – mit dieser Strategie geht es besser
Kompromissfähigkeit wird überschätzt. Und wo ich schon dabei bin: Kompromisslosigkeit sowieso. Beide Eigenschaften beziehen sich auf ein bestimmtes Verhalten im Streitfall. Und je nach gesellschaftlicher Position oder Geschlecht wird von Menschen erwartet, kompromisslos aufzutreten – das nennt man dann Klarheit und Führungsstärke – oder eben kompromissfähig zu sein.
Kompromissfähigkeit meint eigentlich nur, artig von der eigenen Position abzurücken, auch wenn sie wohlüberlegt und gut begründet ist. Das hat Folgen: Wer lernt, dass Kompromisse im Streitfall gute Lösungen anbieten, der lernt auch, dass die eigene Sichtweise wenig wert ist. Auf Dauer führt Kompromissfähigkeit zu zwei Problemen:
- Die einen steigen grundsätzlich mit Extrempositionen ein, um am Ende wenigstens irgendwo in ihrer Zielzone anzukommen. Was sie dabei übersehen: Sie werden unglaubwürdig.
- Die anderen steigen mit weicheren Positionen ein, um schneller zu einem Ergebnis zu kommen. Und auch sie werden unglaubwürdig.
Am Ende sind Kompromisse immer Doppelniederlagen. Beide haben nachgegeben. Und es ist gut, sich dessen bewusst zu sein.
Kompromisslosigkeit hingegen kann nur wirken, wenn sie aus einer Position der Macht heraus angewandt wird. Auch sie führt zu suboptimalen Ergebnissen, in der Regel aber mit dem Vorteil, dass der:die Entscheider:in das wenigstens nicht merkt.
Mythos Konfliktfähigkeit: Du traust dich nicht
Der große Mythos der Konfliktfähigkeit ist es, dass sie auf das Ergebnis bezogen sein soll. Das ist sie nicht. Konfliktfähigkeit ist auf das eigene Vorgehen im Streitfall bezogen.
Kompromissfähigkeit ist etwas völlig anderes. Sie bezieht sich rein auf das Ergebnis. Das klingt effizient, ist aber ein Problem, weil sie Prozesse zu stark verkürzt und dabei Beziehungen außer Acht lässt.
Wer sich für kompromissfähig – oder eben: kompromisslos – hält, der denkt über den Streit gar nicht mehr nach. Beide Eigenschaften sind Merkmale dafür, dass die Person einem Konflikt nicht gewachsen ist und sich nicht traut, daran etwas zu ändern.
Konfliktfähigkeit: Das hilft
Klassischerweise wird jetzt geraten, herauszufinden, was die Konfliktparteien eigentlich wollen und zack: Alles ist gut. Das ist genauso hilfreich wie ein Erziehungsratgeber, bei dem am Ende immer alle glücklich sind. So funktioniert die Welt halt nicht. Weder die der Fünfjährigen noch die der Kolleg:innen.
Gehen wir also von einem ganz normalen Streit aus: Eine Person will noch hundert Millionen Stunden fernsehen – Moment, neuer Versuch. Also: Eine Person will ein möglichst großes Budget für das Firmenevent, die andere Person will sparen. Ich könnte jetzt eine supersmarte Out-of-the-Box-Lösung erfinden; aber wir wissen alle: Sie wäre erfunden.
Nachdem klar ist, dass die Positionen unvereinbar sind, gibt es jetzt die Chance, sie zumindest aufeinander zuzurücken. Dafür müssen beide Seiten ihre Gründe offenlegen.
- Wer will wen beeindrucken?
- Was haben beide davon, wenn sie sich aneinander annähern?
- Was verlieren beide Seiten, wenn sie nachgeben?
- Wäre überhaupt eine der beiden Personen glücklich, wenn man sich in der Mitte träfe?
- Und wie soll die zukünftige Zusammenarbeit aussehen?
Besonders der letzte Punkt ist wichtig. Denn nach einem Streit ist der Kontakt in der Regel nicht beendet. Teil dieses Gesprächs muss trotzdem die Erkenntnis sein, dass eine vollständige Einigung nicht denkbar ist. Am Ende werden nicht alle glücklich sein. Wer diese Wahrheiten vorwegnimmt, dem wird es leichterfallen, umzudenken.
Mit diesen Überlegungen könnte der Konflikt plötzlich zu einem Problem werden, das gemeinsam gelöst werden muss. Beide achten auf das Budget und beide wollen eine tolle Party. In einer Verhandlung würden jetzt Angebote gemacht. Bei einer gemeinsamen Herausforderung passiert etwas viel Besseres: Beide suchen Lösungen.
Egal, wie es ausgeht: Die Zusammenarbeit wird darunter nicht leiden. Und das sollte das eigentliche Ziel der Konfliktbearbeitung sein.