Belastung für die Bahn und kein Verzicht auf’s Auto – trotzdem zeigte das 9-Euro-Ticket ein Killer-Feature
Unser schönes 9-Euro-Ticket, das Sommermärchen von 2022, das glänzende Beispiel dafür, dass hierzulande auch mal was klappt: alles nur wirkungsloser politischer Aktivismus? Zu diesem Urteil kommt jedenfalls eine Studie des ifo-Instituts. Sie hat das Verkehrsverhalten der Deutschen in den drei Sommermonaten ausgewertet, in denen das Ticket gültig war. Dazu nutzte sie Daten des O2-Mobilfunknetzes, verschiedener Verkehrszählstellen und der Deutschen Bahn. Als Kontrollzeitraum diente der Sommer 2019.
9-Euro-Ticket als Instrument der Verkehrslenkung?
Die Ergebnisse: Die Zahl der Zugfahrten nahm zwar im Schnitt um 34 Prozent zu, allerdings sank die Zahl der Autofahrten nur um vier bis fünf Prozent. Besonders stark wurden die Züge an Wochenenden und in ländlichen Urlaubsregionen genutzt. Das Ticket hat offenbar vor allem zusätzlichen Freizeitverkehr angeregt, statt Autofahrer:innen zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen. Kein Wunder: Wenn es für Pendler:innen keine vernünftigen Verbindungen gibt, bringt auch eine Preissenkung nichts. Überfüllte Züge führten laut Studie zudem zu einem Anstieg der Verspätungen, was viele potenzielle Bahnkund:innen vergrault haben dürfte.
Als Instrument der Verkehrslenkung hat sich das Ticket also nicht bewährt. Aber es hatte ja noch ein zweites Ziel: Die steigenden Lebenshaltungskosten nach Beginn des Ukraine-Kriegs dämpfen. Möglicherweise nutzten viele arme Menschen das Ticket für Ausflüge, die sie sich sonst nicht hätten leisten können. Ob das der Fall war, hat die Studie allerdings nicht untersucht.
Das Argument der sozialen Teilhabe
Der zunehmende Freizeitverkehr muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Um mehr soziale Teilhabe zu ermöglichen, gäbe es allerdings auch preiswertere Lösungen – etwa gezielte Sozialtarife oder -Zuschüsse. Vom 9-Euro-Ticket hingegen profitierten hingegen auch Menschen, die sich den normalen Tarif locker leisten könnten.
Der Nachfolger, das 49 Euro teure „Deutschlandticket“, dürfte nach Ansicht der Autor:innen noch weniger dazu beitragen, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Sollten wir es also schleunigst wieder einstampfen und mit dem Geld stattdessen den Service der Bahn verbessern? Verkehrspolitisch klingt das sinnvoll. Trotzdem halte ich es für falsch. Wir sollten das eine tun, ohne das andere zu lassen. Denn die größte Errungenschaft des 9-Euro-Tickets war es, überhaupt einen bundesweit einheitlichen Tarif zu bieten, hinweg über die ganze Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde. Einfachheit, nicht niedriger Preis – das ist das eigentliche Killer-Feature des Deutschlandtickets. In diese Richtung sollten wir weiterdenken.