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Biocomputing: Forscher züchten Computer mit menschlichen Gehirnzellen – ethische Fragen inklusive

Was, wenn wir nicht nur KI programmieren, sondern mit echten Gehirnzellen interagieren könnten? Ein australisches Startup macht diesen Gedanken nun für Forscher:innen als reales Produkt zugänglich.

3 Min.
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In diesem Computergehäuse stecken echte Hirnzellen. (Bild: Cortical Labs)

Der CL1 ist da: Seit diesem Frühjahr macht das Unternehmen Cortical Labs aus dem australischen Melbourne mit diesem System eine Vision greifbar, denn der CL1 ist der erste kommerziell bestellbare Biocomputer, der auf lebenden menschlichen Gehirnzellen basiert.

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Die Plattform, die rund 800.000 aus Stammzellen gezüchtete Neuronen mit Siliziumchips verbindet, wurde bereits im März 2025 der Öffentlichkeit vorgestellt. Allerdings ist sie erst jetzt in nennenswerten Stückzahlen für den Einsatz in Laboren weltweit verfügbar, um – wenn es nach Cortical Labs geht – an der Schnittstelle von Biologie, Informatik und Medizin Forschung und Entwicklung neu zu definieren.

Direkte Interaktion statt Auslesen: Reverse Neuralink

Der Ansatz von Cortical Labs, den CEO Dr. Hon Weng Chong in der Vergangenheit als eine Art „Reverse Neuralink“ bezeichnet hat, zielt darauf ab, die Umwelt direkt für die Neuronen erfahrbar zu machen, anstatt Schnittstellen aus dem Gehirn herauszuführen. Die Zellen leben in einem integrierten Bioreaktor mit einem Lebenserhaltungssystem für bis zu sechs Monate und interagieren mit dem von Cortical Labs entwickelten „Biological Intelligence Operating System“ (biOS).

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Dieses System erlaubt es, den Neuronen Reize oder Daten einzuspeisen und ihre Reaktionen sowie Lernprozesse in Echtzeit zu beobachten und zu steuern. Frühere Forschungsarbeiten des Unternehmens, bei denen etwa menschliche Zellkulturen das Videospiel Pong erlernten, legten hierfür wichtige Grundlagen.

Ein Werkzeug für die Neurologie

Eine einzelne CL1-Einheit kostet laut Heise rund 35.000 US-Dollar. Cortical Labs bietet zudem einen Cloud-Zugang namens „Wetware-as-a-Service“ (WaaS) für etwa 300 Dollar pro Woche und Einheit an. Dies soll Forscher:innen den Einstieg erleichtern, ohne direkt Hardware anschaffen zu müssen.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Im Fokus steht die Beschleunigung der Medikamentenentwicklung, insbesondere für neurologische Erkrankungen wie Epilepsie oder Alzheimer. So könnten patienteneigene Zellen im CL1 kultiviert und zur Testung individualisierter Therapieansätze genutzt werden, wie Denise Holt, Gründerin von AIX Global Media und bekannte Tech-Vordenkerin, in einem Interview mit Cortical Labs’ Chief Scientist Brett Kagan berichtet.

Dieser Ansatz verspricht nicht nur relevantere Ergebnisse als Tierversuche, sondern könnte die personalisierte Medizin entscheidend voranbringen. Cortical Labs selbst hat bereits in einer Studie gezeigt, wie mithilfe des Systems Funktionen in geschädigten epileptischen Zellkulturen wiederhergestellt werden konnten.

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Biologische Intelligenz als KI-Inspiration

Doch auch für die Grundlagenforschung und die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) verspricht der CL1 entscheidende neue Impulse. Statt Algorithmen nur zu simulieren, ermöglicht das System direkte Experimente mit der biologischen Lernfähigkeit selbst. Die Neuronen im CL1 können sich selbst organisieren und lernen, Aufgaben auch ohne explizite Programmierung für jeden einzelnen Schritt zu bewältigen.

Dabei werden sie geleitet durch Prinzipien wie das von Professor Karl Friston vom University College London in Großbritannien beschriebene Free Energy Principle, das besagt, dass biologische Systeme durch Minimierung von Unsicherheit lernen. Dies eröffnet Perspektiven, um fundamental zu verstehen, wie biologische Systeme beispielsweise mit wenigen Daten lernen oder sich robust an neue Situationen anpassen, woran heutige KI-Modelle oft noch scheitern.

Der potenziell erheblich geringere Energieverbrauch ist ein weiterer Schlüsselfaktor: Ein Rack mit CL1-Einheiten soll, wie IEEE Spectrum berichtet, mit 850 bis 1.000 Watt auskommen. Das ist ein Bruchteil dessen, was für das Training und den Betrieb großer KI-Modelle heute erforderlich ist.

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Professor Friston, dessen Arbeiten die Forschung von Cortical Labs maßgeblich beeinflusst haben, sieht im CL1 zwar den „ultimativen neuromorphen Computer“, betont aber, dass sein größter unmittelbarer Nutzen der experimentellen Neurowissenschaft gelte. Diese Grundlagenforschung, so die Hoffnung, liefert jedoch die Blaupausen für zukünftige, von der Biologie inspirierte KI-Architekturen.

Dazu könnten auch Konzepte wie das von Cortical Labs verfolgte „Minimal Viable Brain“ gehören – kleine, effiziente und inhärent lernfähige biologische Module, die demonstrieren, wie schon minimale Verbünde von Neuronen spezifische kognitive Basisfunktionen, etwa die Mustererkennung, erlernen können.

Ethische Leitplanken und der Blick nach vorn

Die Kommerzialisierung einer solchen Technologie wirft unweigerlich ethische Fragen auf, die über die bereits in früheren Forschungsphasen aufgeworfene Frage nach einem möglichen Bewusstsein der Zellkulturen hinausgehen. Käufer:innen eines CL1 müssen ethische Genehmigungen für die verwendeten Zelllinien vorweisen und über geeignete Laboreinrichtungen verfügen.

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Die Fachwelt, wie Frontiers in Cellular Neuroscience zeigt, fordert bereits proaktive Diskussionen über ethische Rahmenbedingungen und Governance-Strukturen für diese neue Klasse kommerzieller Biocomputer.

Unterstützt von namhaften Investoren wie Horizons Ventures aus Hongkong und dem US-amerikanischen Risikokapitalgeber In-Q-Tel, sieht Cortical Labs den CL1 als „einen entscheidenden ersten Schritt auf dem Weg zur Bioengineered Intelligence“. Es geht darum, die fundamentalen Prinzipien biologischen Lernens und Denkens nicht nur zu verstehen, sondern sie für möglichst bahnbrechende Anwendungen direkt nutzbar zu machen.

Wie schnell und auf welche Weise sich diese Vision nun in konkrete Durchbrüche – sei es in der personalisierten Medizin oder für gänzlich neue KI-Architekturen – übersetzen lässt, dürfte mitentscheiden, ob aus Biocomputing mehr wird als eine faszinierende Forschungsnische.

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