CDO des ADAC im Changerider: „Der Chief Digital Officer ist kein Solist“
Die Mobilität der Zukunft ist ein Thema, mit dem sich das Land der Autofahrer schon länger beschäftigt. Wie werden wir uns fortbewegen? Und für Europas größten Verkehrsclub stellt sich dann die Frage: Wie sieht der Pannenservice der Zukunft aus? Gerrit Pohl ist Chief Digital Officer und Prokurist beim ADAC, einem Traditionsunternehmen, das nun schon über 100 Jahre besteht. Er ist angetreten, um eine übergreifende Datenstrategie zu etablieren. Wie ihm das gelingt und welche digitalen Fortschritte der ADAC bereits gemacht hat, verrät Gerrit Pohl im Gespräch mit Philipp Depiereux im virtuellen Changerider-Interview.
„Als ich in meine neue Abteilung kam, habe ich von vornherein gesagt: Macht euren Job, mir ist egal wo. Sprecht das einfach mit eurem Teamleiter ab.“ New Work ist Gerrit Pohl nicht erst seit der Coronakrise ein Begriff. Ganz im Gegenteil – als der CDO vor über drei Jahren seine Position beim ADAC antrat, war er schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr. Pohl hatte bereits einige Jahre erfolgreiche Digitalerfahrung im Gepäck. Über zehn Jahre war er Digital Director bei Axel Springer, hat zwei Jahre bei Gruner+Jahr sein Digitalwissen zum Besten gegeben und schließlich als Director für Cloud Innovation bei Microsoft gearbeitet, um nun den ADAC wieder auf die Überholspur zu bringen.
Pohl bezeichnet sich selbst als „die digitale Klammer um das Haus“ und ist für die übergreifende digitale Transformation zuständig. Er selbst sieht seine Arbeit dabei in einer Querschnittsfunktion, in der er nur etwas erreicht, wenn es ihm auch gelingt, sich mit seinen Fachbereichen und Vorstandskollegen auf eine Strategie festzulegen. „Der CDO ist kein Solist. Und wenn er ein Solist ist, dann spielt er in der Regel nicht mehr in Orchester. Und das wäre schade. Alles was ich tue, hat immer einen Impact auf alle möglichen Bereiche.“
„Der ADAC ist das nutzerzentrierteste Unternehmen, das ich kenne“
Um den Verkehrsclub zu digitalisieren, hat er sich einiges vorgenommen: angefangen vom Kultur- und Changemanagent über Datensicherheit und datengetriebene Effizienzmodelle, Plattformökonomie, digitale Services für Mitglieder bis hin zu F&E Innovationsmanagement. Seine Themen bezeichnet er dabei als „Schweizer Taschenmesser“ mit ein paar scharfen Klingen. „Der Vorteil ist: Ich bin nie alleine. Der Nachteil ist manchmal auch: Ich bin nie alleine. In der Geschwindigkeit der Transformation muss ich mich auch auf die anderen Bereiche einlassen.“ Er selbst bezeichnet den ADAC als das nutzerzentrierteste Unternehmen, das er kenne: „Als ich hier reingekommen bin, dachte ich, dass ich über das Thema Nutzerzentrik bereits bei Microsoft, Springer oder Gruner schon viel gelernt habe. Aber dann habe ich den ADAC kennengelernt, mit seinen 21 Millionen Mitgliedern und habe festgestellt: Alle Leute arbeiten hier für die 21 Millionen Mitglieder. Das ist denen richtig was wert und bedeutet den Leuten hier auch richtig viel. In diesem Mindset steht das Mitglied im Mittelpunkt und dominiert.“
Und trotz über 100 Jahren Erfahrung im Bereich Pannenhilfe muss auch ein Urzeit-Gestein und Traditionsunternehmen wie der ADAC sich mit der Zukunft alternativer Antriebsstoffe befassen: „Wir werden uns mit den alternativen Antrieben – die wir sehr begrüßen, sehr positiv finden und explizit unterstützen – ganz genau beschäftigen und prüfen, welchen Service wir dort bringen können. Der ADAC ist der Garant für Service auf sehr hohem Niveau und wir müssen mit alternativen Antrieben genauso mitwachsen, wie es jedes andere Unternehmen tun muss, wenn sich die Marktgewohntheiten ändern“, so der CDO. Doch er weiß auch, dass alternative Antriebsstoffe nicht die einzige Disruptionen sein können, die dem Unternehmen lauern. Auch das Thema Shared Economy, also einer Welt, in der die Menschen weniger Autos besitzen und mehr leihen, kann für den Club eine enorme Umstellung bedeuten.
„Für uns ist eine coole Innovation manchmal auch, auf ein Marktniveau zu kommen“
Aktuell, so Pohl, werde man erst mal das Bestandsgeschäft optimieren und verteidigen. Services, die früher noch über das Telefon funktionierten, werden nun auf eine App umgestellt. „Für uns ist eine coole Innovation manchmal auch, auf ein Marktniveau zu kommen, Dinge nachzuholen, die wir über Jahre verpasst haben.“ Es gehe nicht darum, einfach nur „Crazy Shit“ zu innovieren, wenn das Unternehmen etwas ganz anderes braucht. „Wir müssen erstens in die Cloud gehen, wir brauchen eine Multi-Cloud-Lösung für unsere IT. Zweitens müssen wir einige Sachen dringend mal automatisieren. Und drittens müssen wir das ganze Thema Daten in den Griff kriegen, aber auch da sind wir schon sehr erfolgreich dran. Wir haben beispielsweise eine Pannenhilfe-App. Die gab es vorher in einer rudimentären Version. Mittlerweile macht sie eine komplett digitale Abarbeitung der Panne, von der unsere Kunden als auch wir selbst profitieren.“
Doch auch wenn das Kerngeschäft für die aktuellen Digitalisierungsvorhaben im Mittelpunkt steht, geht es für den ADAC langfristig auch darum, die Zukunft durch neue Geschäftsmodelle zu sichern. „Natürlich schauen wir trotzdem, welche Märkte für den ADAC noch interessant sind. Wir haben beispielsweise einen Schlüsselnotdienst ins Leben gerufen, der bald deutschlandweit ausgebreitet wird. Der ADAC hilft dir also, deine Tür zu einem Festpreis zu öffnen. Wir haben die Idee in München und Hamburg getestet und sie ist sehr, sehr gut angekommen. Also rollen wir das jetzt aus.“ Damit will sich der Verkehrsclub mit seiner Marke und dem Vertrauen der Kunden weiter ausweiten. Pohl hat ein ganzes Forschungs- und Entwicklungsteam, das sich mit zahlreichen Fragestellungen beschäftigt. Dennoch betont er auch, „nur, um sich cool zu fühlen“, brauche es keine neuen, hippen Startup-Kooperationen und Modelle. Es gehe schlichtweg um die Sinnhaftigkeit dahinter und ob ein neues Geschäftsmodell zum Unternehmen passt.
Gegen Ende des Talks appelliert Gerrit Pohl nochmal an die Menschlichkeit, wenn es darum geht, die eigenen Mitarbeiter gut durch die Digitalisierung zu führen: „Digitalisierung und neue Herausforderungen brauchen Respekt und Wertschätzung, um sie zu erreichen. Und wenn man das den Menschen wirklich entgegenbringt, hat man auch eine gute Chance, das hinzukriegen. Man kann aus jedem noch ganz viel rausholen und dabei sollte man sich selbst nicht so wichtig nehmen. Man sollte zwar der verantwortungsvolle Kapitän sein, aber die anderen auch Sub-Kapitäne sein lassen, wenn man ein Unternehmen führt. Hierarchie ist wichtig in Sachen Verantwortung, sollte aber nicht die Empathie und den Respekt ersetzen.“
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