Die CDU, Wahlkampf-Apps und Strafanzeigen: Einmal Shitstorm reicht wohl nicht
Erst im Mai geriet die CDU mit ihrer Wahlkampf-App CDU Connect in die Schlagzeilen. Die IT-Sicherheitsexpertin Lilith Wittmann hatte eine gravierende Sicherheitslücke in der Software entdeckt. Sie meldete die Schwachstelle der CDU, dem BSI und dem Berliner Datenschutzbeauftragten. Im Anschluss veröffentlichte sie Details dazu in einem Blogpost. Responsible Disclosure wird die von ihr befolgte Praxis genannt, eine Lücke erst zu veröffentlichen, wenn die Gefahr für die Betroffenen gebannt ist.
Die Partei hatte Wittmann im Zuge der Gespräche über die Schwachstelle offenbar eine Beratertätigkeit angeboten. Wittmann hat das Angebot wohl abgelehnt – und Parteivertreter:innen drohten daraufhin offenbar mit rechtlichen Konsequenzen für das Offenlegen der Sicherheitslücke.
Ein Drama in 3 Akten
Am Dienstag bekam sie dann tatsächlich Mail vom LKA. Es liege Strafantrag gegen sie vor. Wittmann veröffentlichte einen Screenshot der Mail auf Twitter. Es folgte ein Drama in drei Akten: Der Chaos Computer Club gab am Mittwochmorgen bekannt, künftig keine Sicherheitslücken mehr an die CDU melden zu wollen. In Sozialen Medien trendete der Hashtag #cduconnect, große Medien griffen das Thema auf. Am Mittwochnachmittag ruderte CDU-Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig via Twitter zurück. Der Strafantrag sei aus Versehen gestellt worden. Man habe die Anzeige zurückgezogen und sich bei Wittmann entschuldigt.
Nur: Damit herumärgern muss sie sich leider immer noch. Nur weil die CDU die Anzeige zurückgezogen hat, heißt das nicht, dass deshalb auch das Verfahren eingestellt ist, schreibt sie auf Twitter.
Davon abgesehen ist die Signalwirkung an andere Sicherheitsexpert:innen katastrophal. Wer künftig mit einer versehentlichen Anzeige – die möglicherweise vorher schon angedroht wurde, upsi – rechnen muss, wird wahrscheinlich einen Teufel tun, noch einmal die eigene Freizeit zu opfern, um eine solche Software künftig auf Lücken zu überprüfen.
Einer geht noch!
Die CDU zeigt mit diesem Verhalten – der unsicheren App, der Drohung, der versehentlichen Anzeige und der halbgaren „Entschuldigung“, die erst auf ein entsprechendes Medienecho folgte – nicht nur, dass ihre Mitglieder seit Laschets Hacker-Ausrutscher im Mai offenbar nichts gelernt haben. Sie zeigt auch, wo ihre Prioritäten liegen. Bei IT-Sicherheit und -Expertise und einer vernünftigen Fehlerkultur offensichtlich nicht. Sonst hätte man sich ja auch einfach mal aufrichtig entschuldigen können. Nicht nur bei Wittmann übrigens. Auch bei den knapp 20.000 Wahlkampfhelfer:innen und Supporter:innen, mit deren Daten geschlampt wurde. Sonst hätte man sich spätestens nach besagter Blamage Laschets bei Zervakis auch einfach mal kollektiv weiterbilden und informieren können, wie das mit diesem Internet so funktioniert.
Vielleicht ist das auch wirklich zu viel verlangt. Aber selbst dann hätte sich die CDU zumindest eine:n Kommunikationsberater:in gönnen können, der oder die mal erklärt, wie man nicht von einem verdienten Shitstorm in den nächsten stolpert. Eigentlich haben Fehler schließlich immer auch etwas Gutes. Man macht sie – und kann daraus lernen. Das hat nur die CDU offenbar nicht verstanden. Stattdessen scheint hier die Devise zu sein: „Fehler machen und am besten nochmal nachlegen, weil schlimmer geht immer“.
Die CDU gilt laut Umfragen unter Wähler:innen als Partei mit der höchsten Digitalkompetenz in Deutschland. Dass das eine gravierende Fehleinschätzung ist, hat die Partei jetzt einmal mehr unter Beweis gestellt. Wann kommen eigentlich die Konsequenzen?
Die Sicherheitslücken bei der CDU sollte man einfach ausnutzen
Leider sind es nicht nur Parteien, sondern auch z.B. Universitäten in Deutschland, welche Studenten verklagen, wenn diese Sicherheitslücken auf deren Servern aufdecken und an die Administratoren melden. Hier wird versucht Unfähigkeit durch Anzeigen zu kompensieren.