Klotzen statt dieselgipfeln: So hängt China die deutschen Autohersteller ab

Während sich die deutschen Autohersteller mit der Politik ein Scharmützel nach dem anderen leisten, wird China zum globalen Innovationstreiber in der Automobilindustrie, berichtet die Unternehmensberatung Roland Berger in der aktuellen Ausgabe des „Automotive Disruptive Radar“.
„Die meisten traditionellen Auto-Nationen stagnieren.“
In der ersten Jahreshälfte 2018 sei jedes zweite verkaufte Elektroauto an einen Kunden in China geliefert worden, heißt es. Gleichzeitig habe das Land seine Ladeinfrastruktur in den vergangenen zwölf Monaten „massiv ausgebaut“ und neue Teststrecken für autonomes Fahren eingerichtet. Chinesische Konsumenten würden den Fortschritt „mittragen“ und Mobilitätsangebote wie Carsharing und Mitfahrgelegenheiten nutzen.
China als „Labor der Industrie“
„Kein anderes Land ist so fortschrittlich und offen für neue Technologien und Mobilitätsdienste. Die meisten traditionellen Auto-Nationen stagnieren dagegen oder bewegen sich nur langsam“, kommentiert Wolfgang Bernhart die Lage. Er ist Partner bei Roland Berger.
China, sagt er, sei nicht nur der weltweit größte Absatzmarkt für Autos und ein wichtiger Produktionsstandort. Es habe sich längst „von der Werkbank zum Labor der Industrie entwickelt“.
Die Führungsrolle Chinas zeigt sich unter anderem beim Ausbau der Infrastruktur für batteriebetriebene Fahrzeuge. So hat das Land seine Kapazitäten trotz des großen Straßennetzes in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt, und zwar von 2,5 auf 5,7 Ladestationen pro 100 Kilometer. Zum Vergleich: Deutschland hat derzeit 4,5, Frankreich 2,3 und die USA sogar nur 0,3 Stationen pro 100 Kilometer.
Grundsätzlich gehören die Chinesen offensichtlich zu den Verbrauchern mit dem größten Vertrauen in Elektromobilität: Immerhin 65 Prozent der Befragten können sich vorstellen, als nächstes ein Auto mit E-Antrieb zu kaufen. Damit sind sie deutlich innovationsfreudiger als die Verbraucher in Westeuropa, wo das Interesse bei 30 Prozent stagniert.
China als globales Testgelände
Der schnelle Wandel ist wenig überraschend auch von staatlicher Seite gewollt: Auf der Agenda der politischen Führung rangiert innovative Mobilität „ganz oben“, heißt es in der Studie. Mit standardisierten Richtlinien und der grundsätzlichen Offenheit für selbstfahrende Autos hat sich das Land inzwischen zum globalen Testgelände und Zukunftsmarkt auch für große ausländische Hersteller entwickelt.
Erst vor Kurzem haben deutsche Autokonzerne die Erlaubnis für den Testbetrieb von autonomen Fahrzeugen auf den Straßen von Peking und Shanghai erhalten. Parallel treibt die Regierung Initiativen zur Vernetzung von Fahrzeugen sowohl mit anderen Fahrzeugen als auch mit mobilen Endgeräten und elektronischen Straßenschildern voran. Damit will Peking den amerikanischen IT-Anbietern die Technologieführerschaft offensichtlich streitig machen.
Doch nicht nur die politische Seite sei „stark engagiert“, wie die Studienautoren von Roland Berger feststellen. Auch die chinesische Industrie, und zwar Autohersteller wie Technologiekonzerne, hätten ihre Aktivitäten in den vergangenen Monaten „intensiviert“ und Kooperationsabkommen „geschlossen oder vertieft“.
Kein globaler Markenführer in Sicht
Trotz des fleißigen Wettrüstens der Technologiegiganten sowie der Automobilhersteller bei disruptiven Mobilitätskonzepten sieht man bei Roland Berger allerdings noch kein Unternehmen auf Platz eins: „Obwohl die Aufmerksamkeit für Themen wie autonomes Fahren, Konnektivität und Elektromobilität in der weltweiten Öffentlichkeit sehr groß ist, gibt es immer noch keine internationalen Markenführer“, sagt Bernhart.
Klar angeführt wird das aktuelle Ranking von Uber (USA), das allerdings auch „nur“ 46 Prozent der Befragten kennen, gefolgt von Blablacar (Frankreich) mit 20 Prozent und Car2go mit neun Prozent. Das Rennen um die Position des innovativsten Mobilitätsdienstleisters sei dementsprechend noch offen, sagt Bernhart.
Vielen Dank für diesen Artikel. Ihr macht euren Job grundsätzlich echt gut und ich kann mit eurer Aktualitat auch das eine oder andere Mal meine Professoren überraschen
Eine Kleinigkeit hätte ich hier allerdings anzumerken: Die Grafik für die Anzahl der Ladestationen pro 100km ist irreführend, da der Balken für die 5,7 nicht massstabsgetreu ist. Ich sehe, dass die Quelle die Studie ist (was mich ein wenig an der Studie zweifeln lässt), aber die Grafik ist auf eurer Seite zu sehen und die es wird wohl einige Leser geben, die diese subjektive Färbung der Ergebnisse übersehen würden und dadurch selber ein verfälschtes Bild der Situation bekommen.
Sorry für die Wall of Text. Ich bereite selber viele Zahlen grafisch auf und bei solchen (unter Umständen gewollten) Ungenauigkeiten krieg ich immer nen Hals
Grundsätzlich bin ich mehr als zufrieden mit eurer Arbeit!
Tolle Statistik, die eleganterweise die Netzdichte des Straßennetzes unterschlägt. Die Zahlen sind somit nicht vergleichbar.
Wenn man sich https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fennetz#Stra%C3%9Fennetzl%C3%A4nge anschaut, erkennt man, dass Deutschland eine 4,5-mal höhere Netzdichte als China hat, d.h. es existieren pro Quadratkilometer über 4,5 mal so viele Straßen wie in China. Und trotzdem ist der Wert der Ladestationen pro 100 km nur um 1,2 niedriger! Wer ist hier also der Vorreiter?