CO2 und Methan in Butter verwandeln? So will ein Startup die Welt verändern
Tierische Fette geben vielen Gerichten und Produkten ihr unverkennbares Aroma: Brutzelndes Rinderschmalz macht Burger-Buletten köstlich, Milchrahm sorgt für Cremigkeit der Käsesoße auf Spätzle, und Milchfette machen Schokoladeneis zart schmelzend. Die Geschmacksträger sind schwer durch pflanzenbasierte Fette zu ersetzen, ohne dass sich der Geschmack und auch der Genuss merklich ändern. Selbst die besten Pflanzenburger schmecken immer noch nicht ganz wie die Originale.
Das ist aber nur einer der Gründe, warum das US-Startup Savor, dessen Name „genießen“ bedeutet, tierische Fette nicht einfach durch neue pflanzliche Vertreter ersetzen, sondern von Grund auf chemisch nachbauen will – und zwar mit dem überschüssigen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft als Kohlenstoffquelle. Das alles klinge zugegebenermaßen wenig appetitlich, wie das Startup selbst zugibt. Allerdings sei es, und das ist Savors Hauptgrund, nachhaltiger für Klima und Umwelt.
Klimabilanz von Fetten und Ölen
Savors Berechnungen zufolge macht die landwirtschaftliche Herstellung tierischer und pflanzlicher Fette und Öle knapp acht Prozent (7,9 Prozent) der menschengemachten globalen Klimagas-Emissionen aus. Knapp ein Drittel dieses Anteils entfällt auf die Produktion von Rinderfett und Milchfett. Darüber hinaus benötige die Tierhaltung inklusive Futtermittelgewinnung sehr viel Wasser und Landflächen.
Etwa die Hälfte aller bewohnbaren Landflächen wird bereits für die Agrarwirtschaft genutzt. Das Abholzen von Wäldern für die Schaffung von Weide- und Pflanzflächen aber, das insbesondere durch den Anbau von Pflanzen für die Palmöl- und Kokosölgewinnung befeuert wird, wandelt Kohlenstoffsenken in -Emittenten um. Hinzu kommt die Verunreinigung der Wasserwege etwa durch Düngemittel.
Wie man Fette ganz ohne Landwirtschaft herstellen kann
Deshalb will Savor Fette ohne Landwirtschaft erzeugen, also ganz ohne Tierzucht und Pflanzenanbau. Das chemische Verfahren dafür musste das Unternehmen nicht neu erfinden. Es setzt auf die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese, die der chemischen Industrie bereits fast 100 Jahre wohlbekannt ist. Sie kommt zum Einsatz, nachdem aus Erdöl und Erdgas (per Steamcracking) oder Kohle, Biomasse und organischem Abfall (per Vergasen) Synthesegas hergestellt wurde. Dieses besteht hauptsächlich aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff, manchmal enthält es auch CO2 und Methan (CH4).
Bei der Fischer-Tropsch-Synthese entsteht aus dem Synthesegas mithilfe von Katalysatoren und hohen Temperaturen eine breite Palette an Kohlenwasserstoffen: synthetische Motoröle, Benzin und Diesel, Kerosin und Paraffine. Wird auch Sauerstoff hinzugefügt, entstehen sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe wie Alkohole.
Savor hat das Verfahren so angepasst, dass es sowohl aus CO2 als auch aus Methan Fette herstellen kann. Denn Fette bestehen aus je einem Molekül des Alkohols Glycerol und drei Fettsäuren, aus einem großen Pool verschiedener Fettsäuren. Letztere sind ebenfalls sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe. Das Verfahren lasse sich „auf verschiedene Anwendungen tunen“, sagte Kathleen Alexander, Geschäftsführerin und Mitgründerin von Savor, dem Magazin Fast Company. „Wir tunen es für Rindertalg anders als wir es tun würden, damit es sich wie Milch oder Palmöl verhält.“ Savor hat gemeinsam mit US- und kanadischen Forschern berechnet, dass der – in CO2-Äquivalenten gemessene – Klimafußabdruck der synthetischen Fettherstellung etwa halb so groß sein könnte wie jener der landwirtschaftlichen Fettgewinnung.
Die Idee, Fett aus fossilen Brennstoffen zu gewinnen, ist an sich nicht neu. Bereits in den späten dreißiger Jahren hätten deutsche Chemiker auf ähnlichem Weg Margarine aus Kohle hergestellt, schreibt Savor in Nature Sustainability. Man wollte damit die deutsche Wirtschaft unabhängiger von Importen machen. Die detaillierte Geschichte ist etwa in Chris van Tullekens Buch „Gefährlich lecker“ nachzulesen.
Bill Gates schmeckt‘s
Bei einer Verkostung mit Savor-Investor Bill Gates kredenzte das Unternehmen unter anderem Burger, Pommes Frites, Butter, sowie Kekse und Eiscreme, die Savor-Fette enthielten oder darin frittiert wurden. „Das ist toll. Ich hätte nicht sagen können, dass das keine echte Butter ist“, sagt Gates nickend, während er das Streichfett auf Brot probiert.
Es sei schwer, Butter zu replizieren, weil es durch die Fettsäuren eine komplexe Zusammensetzung habe, sagte Chiara Cecchini, Leiterin der Geschäftsentwicklung bei der Verkostung. Um die richtige Konsistenz zu erhalten, fügte Savor Wasser und einen Emulgator hinzu, um Fett und Wasser zu verbinden, sowie Betakarotin für die Farbe und Rosmarinöl für einen „grassigen“ Geschmack. Bei echter Butter beeinflusst die Pflanzennahrung der milchgebenden Tiere den Geschmack.
Wie nah die Zusammensetzung an der von echter Butter ist und ob es einen natürlichen Emulgator verwendet, oder einen industriellen, hat Savor bisher nicht verraten. Einige industrielle Emulgatoren wie Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 stehen unter Verdacht, Gesundheitsprobleme etwa durch Schwächung der schützenden Darmschleimschicht und Begünstigung von Entzündungsreaktionen zu verursachen. In echter Butter fungieren die Milchproteine als Emulgator.
Wie bei ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln
Ebenso muss sich in der Praxis zeigen, wie umweltfreundlich die Fettsynthese tatsächlich wäre. Und nicht zuletzt ist da noch die Hürde, dass Konsumenten über die unappetitlich klingende chemische Herstellung hinwegsehen müssten, selbst wenn der Geschmack stimmt. Das ist aber möglicherweise weniger entscheidend, als es auf den ersten Blick aussieht, schließlich tun sie das bereits bei vielen ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln.
Savor bereitet sich derweil auf das Hochskalieren des Verfahrens in einer ersten Produktionsstätte vor. Als Zwischenziel will das Startup Zutaten wie Milchfett für die Pflanzenersatzprodukte-Industrie herstellen. Geplant sind aber auch komplette Produkte wie Butter. Savor rechnet laut dem New Scientist damit, dass sein Endpreis mit dem von Butter aus der Landwirtschaft konkurrieren können wird.