Größte CO2-Senke der Welt: So könnten Ozeane mehr Kohlenstoff aufnehmen und dem Klima helfen

Die Ozeane sollen helfen und bestenfalls mehr CO₂ aufnehmen. (Foto: Owlie Productions/Shutterstock)
Der Weltozean ist die größte natürliche Kohlenstoffsenke der Welt. Auf den mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche, die er einnimmt, verdaut er etwa 25 Prozent der jährlich von Menschen verursachten CO₂-Emissionen. Das passiert aber nur sehr langsam. Deshalb überlegen sich Forscher:innen, wie sie die natürlichen Prozesse im Ozean beschleunigen oder auch ergänzen können.
Trotz dieser Überlegungen – und das sei hier betont – ist der wichtigste Schritt zum Netto-Null-Ziel und die Folgen der Erderwärmung einzudämmen, den Einsatz fossiler Brennstoffe einzustellen. Allenfalls für die restlichen zwei bis vier Gigatonnen CO₂ pro Jahr, die sich – noch – nicht vermeiden lassen, muss die Menschheit Lösungen finden.
Dabei sollen auch die Ozeane helfen und CO₂ aufnehmen. Wie man sie dazu auf ökologische und in Küstennähe auch sozialverträgliche Weise bewegen kann, weiß bisher niemand. Noch gibt es nur Ideen und kleine Experimente. Wir stellen einige vor:
1. Küstenökosysteme wiederherstellen
Die Idee: Salzmarschen, Seegraswiesen, Tang- und Mangrovenwälder binden organischen Kohlenstoff über viele Jahrzehnte bis Tausende von Jahren in Wurzeln und Böden. Diese Ökosysteme kann man restaurieren, sie müssen aber auch massiv ausgeweitet werden.
Nebeneffekte: Förderung der Artenvielfalt, Schutz der Küsten vor Erosion, Stürmen und Anstieg des Meeresspiegels.
Kosten: Je nach Ökosystem, Besitzverhältnissen, Bevölkerungsdichte und anderer Nutzungsmöglichkeiten, wie Tourismus oder Aquakultur: 1 bis 1.000 Euro pro Tonne CO₂. Am billigsten ist die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern, am teuersten die von Seegraswiesen.
2. CO₂-Sequestrierung durch Anbau und Versenkung von Tang
Die Idee: In Zuchten von großen Meeresalgen (Makroalgen) sterben einige ab, sinken in die Tiefe und nehmen den in ihnen gebundenen Kohlenstoff mit. Die Algenbiomasse kann man auch ernten, komprimieren und in der Tiefsee versenken, wo der organische Kohlenstoff für hundert und mehr Jahre liegen bleibt. Aus den Makroalgen lassen sich auch Biokohle und Biokunststoffe herstellen.
Technik: Relativ einfach, zur Nahrungserzeugung in Asien lange erprobt.
Nebeneffekte: Küstenschutz, Förderung der Artenvielfalt. Risiken: Bei Zuchtalgen besteht die Gefahr der genetischen Vermischung mit einheimischen Arten, Nährstoffkonkurrenz im lokalen Ökosystem.
Kosten: In Küstennähe bereits jetzt lohnende Produktion. Versenkung in der Tiefsee: 10 bis 80 US-Dollar pro Tonne. Bei Ausweitung ins Meer, aber hohe Investitionen in ausgefeilte Infrastruktur und höher qualifizierte Arbeitskräfte.
3. Wachstum von Mikroalgen anregen
Die Idee: Der weitaus größte Teil der sogenannten Primärproduktion, der Bildung neuer organischer Substanz durch Photosynthese, stammt von Mikroalgen, dem Phytoplankton. Sie stehen am Anfang der Nahrungsketten. Sterben die Organismen ab, sinkt der in ihnen enthaltene Kohlenstoff in große Wassertiefen. Mit der Düngung der Meeresoberfläche mit Nährstoffen wie Eisen, Phosphor und Stickstoff lässt sich das Mikroalgen-Wachstum anregen und damit die Aufnahme von CO₂ steigern.
Technik: Nährstoffe mit Schiffen in nährstoffarmen Seegebieten ausbringen. Mithilfe von Pumpen den Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser nachahmen, wie er bei vielen küstenparallelen Strömungen auftritt. Wie viel Kohlenstoff durch das Organismen-Wachstum am Meeresboden landet, ist unbekannt. Anfangsstadium.
Nebeneffekte: Zu hohe Nährstoffkonzentration kann zu Sauerstoffmangel führen, Eisenanreicherung zu Stickstoffmangel. Künstlicher Auftrieb könnte nährstoffarme Gewässer in produktivere Systeme umwandeln, was für Korallenriffe allerdings schädlich wäre.
Kosten: Noch nicht abzuschätzen (Transporte, Messgeräte zur Überwachung des organischen Kohlenstoffexports, Pumpmethode und -tiefe)
4. Dem Ozean Minerale hinzufügen
Die Idee: Durch die Zugabe von zermahlenem Silikat- oder Karbonatgestein wird anorganisches CO₂ im Meerwasser in Bikarbonate und Karbonate umgewandelt. Das sind stabile Formen des Kohlenstoffs, die CO₂ für viele hundert bis hunderttausend Jahre binden. Natürlicherweise schwemmen Flüsse diese Stoffe aus verwittertem Kalkstein und Basalt ins Meer.
Technik: Ausbringen alkalischer Mineralien auf offenem Meer, Ablagerung als Sand und Kies an Stränden oder Modifikation von Meerwasser in Reaktoren an Land, das wieder zurückgeleitet wird. Bisher nur in Computermodellen simuliert, getestet in einzelnen Laborexperimenten.
Nebeneffekte: Organismen mit Kalkschalen werden nicht mehr durch die Säure des Meerwassers geschädigt. Aus den Gesteinsmehlen können allerdings auch Kieselsäure, Magnesium und Spurenmetalle freigesetzt werden, die das Ökosystem verändern.
Kosten: 40 bis 260 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxid, abhängig von der Gesteinsmehlproduktion und der Verteilung.
5. Speicherung von CO₂ in der Tiefsee
Die Idee: Eine CCS-Variante, also die Abtrennung und Speicherung von CO₂ aus Punktquellen, wie fossilen Kraftwerken. Das verflüssigte CO₂ könnte auch in großen Tiefen auf dem Meeresboden gespeichert oder im Gestein mineralisiert werden. Da es dort unten kaum Strömungen gibt, bleibt es von der darüber liegenden Wassersäule und von der Atmosphäre weitgehend abgesondert.
Technik: Pipeline-Infrastruktur kaum vorhanden. Wirtschaftlich lohnende Mengen an CO₂ noch nicht verfügbar.
Nebeneffekte: Mineralisierung erfolgreich auf Island praktiziert. Flüssiges CO₂ am Meeresboden kann diffundieren, regionale Hotspots mit Meeresversauerung erzeugen und wieder in die Atmosphäre gelangen.
Kosten: Mehr als 100 US-Dollar pro Tonne vermiedener CO₂-Emissionen.