Riesige CO2-Staubsauger: Startup will Kohlendioxid mit Zügen aus der Luft holen

Rechnen wir alle Eisenbahnstrecken der Welt zusammen, ergeben sie eine Strecke, die lang genug ist, den Äquator 32 Mal zu umrunden. Darauf bewegt sich der Schienenverkehr, der schon jetzt eines der Verkehrsmittel mit den geringsten Kohlendioxidemissionen ist.
Acht Kilogramm CO₂ pro Kilometer
Das Forschendenteam des US-Startups CO2Rail hat nun eine neue Studie vorgestellt, die vorschlägt, Züge um einen zusätzlichen Waggon zu erweitern. Dieser Waggon, den wir uns am ehesten als Staubsauger für CO₂ vorstellen können, wäre in der Lage, mit jedem gefahrenen Kilometer über acht Kilogramm Kohlendioxid aus der Luft zu filtern.
Das Konzept basiert auf der Methode der Rekuperation, des sogenannten regenerativen Bremsens und kombiniert den Ansatz mit einer noch in der Diskussion befindlichen Lösung zur Lagerung von aus der Umwelt extrahiertem Kohlendioxid.
Für die CO₂-Staubsauger von CO2Rail würde also die Energie genutzt, die die Züge bei jedem Bremsen erzeugen. Das ist nicht wenig, bei Gewichten von mehreren Zehntausend Tonnen. Bislang passiert wenig bis gar nichts mit dieser Energie. Sie wandelt sich in Wärme um und verpufft.
Würden wir jetzt aber hergehen und diese Energie, wie etwa in Elektrofahrzeugen, jedoch in viel größerem Stil bei Zügen möglich, in einer Batterie speichern, könnte sie zu anderen Zwecken genutzt werden, als bloß die Umgebung des abbremsenden Zuges zu erwärmen.
„Diese Energie wird bereits produziert. Sie wird bereits verschwendet. Warum sie nicht einfach auffangen und nutzen?“, fragt sich deshalb Eric Bachman, Mitgründer von CO2Rail und Autor der neuen Studie.
CO₂ wird angesaugt und verflüssigt
Natürlich ließe sich die rekuperativ gewonnene Energie auch verwenden, um sie direkt für den Antrieb des Zuges zu verwenden. Damit würde ein Teil der CO₂-Ausscheidungen des Zuges kompensiert.
Bachman und sein Team schlagen indes vor, das so nicht zu machen. Sie fanden heraus, dass die gleiche Energiemenge dazu verwendet werden kann, bis zu fünfmal mehr Kohlendioxid aus der Luft zu filtern, als durch den Einsatz eines bordseitigen Kohlenstoffabscheidungssystems eingespart werden könnte.
Die Nutzung ohnehin fahrender Züge als CO₂-Staubsauger erscheint also naheliegend. Sie würden gewissermaßen als Beifang Luft durch ihre Kammern ins Innere des Waggons leiten. Dabei würde sie durch ein Material geführt, das das CO₂ durch Adsorption herausfiltert. Adsorption ist ein Prozess, bei dem Partikel an einer Oberfläche haften bleiben. Die danach kohlendioxidfreie Luft strömte aus dem hinteren Teil des Fahrzeugs wieder ins Freie. Sobald die maximale Menge an CO₂ adsorbiert wurde, schließt sich die Kammer. Das CO₂ wird desorbiert – also von der Oberfläche des Filters entfernt – und dann unter Druck verflüssigt und in einen Tank geleitet.
Das flüssige Kohlendioxid könnte am nächsten Depot abgeliefert werden. Hier stünde es für den Weitertransport etwa zu Anlagen bereit, die es nutzen wollen, um kohlenstoffneutrale Kraftstoffe daraus herzustellen.
450.000.000 Tonnen CO₂ könnten auf diese Weise abgesaugt werden
Laut Bachman eignen sich bestehende Kesselwagen zur Nachrüstung mit der Technologie. Zwar werde der Zug durch die zusätzliche Last mehr Energie verbrauchen. Dabei handele es sich indes nur um etwa so viel, wie für den Betrieb eines Ventilators im industriellen Maßstab in einer stationären Kohlenstoffabscheidungsanlage erforderlich wäre, hat Studienmitautor Bachman errechnet.
Noch hat CO2Rail keinen funktionierenden Prototyp. Der sucht noch nach Finanzierungsmitteln. Stehen die kurzfristig bereit, könnte ein Prototyp bis zum Sommer 2023 am Start sein. Danach könnte es recht schnell gehen.
Die Studienautoren rechnen vor, dass bis 2030 durch 13.350 nachgerüstete Eisenbahnwaggons rund 450.000.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Atmosphäre gefiltert werden könnten. Das ist zwar immer noch ein riesiges Stück weg vom 1,5-Grad-Ziel, für dessen Erreichung jährlich zehn Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre gefiltert werden müssten. Es ist aber deutlich mehr als die 10.000 Tonnen CO₂, die aktuell in Anlagen weltweit abgeschieden werden. Zudem soll die Methode der Saugwagen um zwei Drittel niedrigere Kosten erzeugen.
Bachman und sein Team weisen darauf hin, dass ihre Methode nur eine von vielen erforderlichen Maßnahmen sein kann, dem Klimawandel zu begegnen. Die Forschung ist aufgefordert, viele weitere dieser guten Ideen zu generieren.