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Glosse

Cohns fabelhafte digitale Welt oder: Wie schön doch echter Urlaub sein kann

Man sollte einfach nicht in Urlaub fahren, wenn man nicht Gefahr laufen will, plötzlich Zeit zu haben und sich in Gesprächen über Gott und die Welt wiederzufinden.

Von William Cohn
3 Min.
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(Bild: t3n)

Der Himmel blau, so blau wie man es kaum mit einem Aquarellkasten zustande brächte. Aus dem Lautsprecher des Autos beklagt Adriano Celentano, dass der Nachmittag für ihn zu blau und zu lang ohne sie sei.

Mit drei bezaubernden weiblichen Wesen im Auto und offenen Fenstern fahren wir die Küstenstraße entlang des Thyrenischen Meeres, Pinienbäume säumen wie große Sonnenschirme schattenspendend die Straße, am Horizont eine kleine Stadt auf einem zum Meer steil abfallenden Hügel. Die rot-ockerfarbenen, bestimmt schon viele Hundert Jahre alten Häuser drängen sich dicht nach oben, dazwischen starren wie mittelalterliche Lanzen dunkelgrüne Zypressen in das Blau des Himmels.

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Davor erstreckt sich wie ein kostbares Gewebe aus schillernden Blautönen, von leuchtendem Türkis bis zu einer Mischung aus dunklem Ultramarin und Preussischblau das Meer. Dazu aus dem Radio Paolo Conte: Die Welt ist schön und niemand im Auto widerspricht ihm!

Erst recht nicht nach diesem wunderbaren Tag am Strand mit Baden in kristallklarem Wasser.

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Abends bei Kerzenlicht ein köstlicher Teller frisch gemachter Pasta mit reifen Tomaten, Büffelmozzarella und Basilikum. Dazu einen der besten italienischen Rotweine. Selbst Al Bano und Romina Power können mit ihrem „Felicità“ mein Glücksgefühl auch nicht annähernd beschreiben.

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Der Fernseher ist kaputt, Internet nur an der Strandbar zu haben und die Datenvolumina längst verbraucht. Nichts dringt von außen herein, kein digitaler Unfug macht sich wichtig, niemand kann uns mit neuesten Zahlen und Alarmgeschrei in Angst und Schrecken versetzen. Viel mehr Paradies kann nicht mehr sein.

Und während wir auf diesen außergewöhnlichen Tag und besonders auf den Besuch der Ruinen der Villa von Kaiser Tiberius in Sperlonga, die wir in ihrer ganzen Pracht – polierte Marmorböden und Wände, Fußbodenheizung, reichlich fließendes, wohlschmeckendes frisches Wasser, Mosaiken und zahllose farbige Skulpturen und Malereien soweit das Auge reicht – vor unserem inneren Auge entstehen lassen, zurückblicken, fragen wir uns: Waren die Menschen damals nicht genauso glücklich wie wir es heute sind, vielleicht sogar noch viel glücklicher?

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Wer hindert uns eigentlich daran, bedingungslos glücklich zu sein?

Allmählich werden die Pausen in unseren Gesprächen immer länger und so lausche ich dem seit Urzeiten immer gleichen Gesang des über den Sandstrand rollenden Meeres, und ich frage mich, ob Novalis mit seinem Gedicht:

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort

eine Vision der Zukunft und damit unserer Gegenwart hatte und ich kann es kaum erwarten, dass jemand dieses geheime Wort ausspricht.

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Und kaum waren wir wieder in „heimischen Gefilden“ und die Datenvolumina wieder voll, blieben auch die Muße und die Gespräche nur noch eine blasse Erinnerung schönerer Tage: „Du, geht grad nicht, ich muss schnell was posten/mailen/antworten/googeln/whatsAppen/tiktoken“ und so weiter.

Und im Geklimmklapper der Maschinen verglimmt unser Glück wie ein ferner Traum der am Horizont der Erinnerung wie die Malerei in Tiberius’ Villa verblasst.

Was unsere fabelhafte digitale Welt sonst noch an Überraschungen für William Cohn bereithält, lest ihr hier.

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