Wachsen in der Nische: So hat Conrad Electronic seine neue Position gefunden
Für den Elektronikhändler Conrad hat sich in den letzten Jahren vieles verändert – und vor allem für die Kund:innen, die hier über Jahrzehnte bestellt und in den Filialen eingekauft haben. War die Kette mit den Filialen und dem Onlineshop über viele Jahre ein Garant für alles Elektronische jenseits der CE-Ketten wie Mediamarkt und Saturn, hat sich das Familienunternehmen aus Hirschau in den letzten fünf Jahren komplett neu aufgestellt, nahezu sämtliche Filialen aufgegeben und den Fokus weitgehend von Endkund:innen auf B2B geändert.
Im Interview mit dem Handelsblatt zieht Conrad-Chef Ralf Bühler nun eine erste Bilanz und erklärt, dass die Transformation, die vor rund fünf Jahren beschlossen wurde, inzwischen hinreichend funktioniert: Statt individuelle Elektronik und oftmals für spitze Zielgruppen gedachte Geräte und Bauteile ausschließlich für Endkund:innen bereitzustellen, hat man sich dazu entschlossen, das B2B-Geschäft mit kleineren und mittelständischen Unternehmen als wichtigeres Standbein zu finden. Das gab es zwar auch schon seit vielen Jahren, es machte aber, so Bühler, gerade einmal etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes aus. Inzwischen liegt der B2B-Anteil bei 70 Prozent.
Die Wichtigkeit der Standbeine hat sich gewandelt
Damit einhergehen dürfte auch ein Wandel im Marketing. Die Privatkund:innen bekommen zwar immer noch ihre Waren und werden in vielen Fällen auch ohne größere Marketingbudgets zu adressieren sein. Und bei den Geschäftskund:innen funktioniert das alles eher über Messen und Direktansprache. Inzwischen liegt der Umsatz bei rund 1,1 Milliarde Euro pro Jahr – und dass Conrad so vergleichsweise gut über die Coronazeit gekommen ist, dürfte auch mit der daraus resultierenden Veränderung (weg von den geschlossenen Filialen, hin zum Onlinehandel) zu tun haben.
Dennoch waren die Filialen in den letzten Jahren schon auch das Element, das mit den Kostenstrukturen die Rentabilität von Conrad gebremst hat – nicht umsonst hat man sich ja von dem Filialgeschäft nach und nach immer weiter verabschiedet. Von 70 Millionen Euro Abschreibungen ist die Rede – ein Betrag, der für ein Familienunternehmen dieser Größenordnung nicht unter die Rubrik der Portokasse fällt.
Doch gerade der Charakter eines Familienunternehmens hat dazu geführt, dass vertrauensvoll der Unternehmenskurs geändert wurde. Ob das in einer anderen Konstellation so funktioniert hätte, darüber darf ebenso spekuliert werden wie über die Überzeugungsarbeit, die unter den Mitarbeitenden zu leisten war. Nicht jeder habe, so berichtet es jemand mit Einblick ins Unternehmen, den Kurswechsel verstanden und mittragen wollen.
E-Commerce-Plattform als einer der Befreiungsschläge
Einen großen Teil seines Umsatzes macht Conrad nun zwar mit anderen Kund:innengruppen, aber immer noch mit einer erstaunlichen Bandbreite an Artikeln: „Wir liefern aus unserem breiten Sortiment von inzwischen neun Millionen Produkten das, was nicht strategisch planbar ist. Wir sind die Feuerwehr für den Einkauf, die helfen kann, wo andere nicht mehr helfen können“, erklärt Bühler im Interview mit dem Handelsblatt.
Damit einher ging der Aufbau und Ausbau der Plattform, die dem Elektronikversender zum einen einen Teil des Risikos abgenommen hat, zum anderen aber auch für eine größtmögliche Bandbreite an Waren sorgt, an denen Conrad dennoch mitverdient. Ein Stück weit eben wie Amazon, von dem Bühler behauptet, es sei einer der Gründe gewesen, warum man heute so dastehe, wie man dies tut. „Kaum einer hat vorhergesehen, mit welcher Macht Amazon den deutschen Markt überrollt. Auch wir konnten dem nichts entgegensetzen“, bedauert Bühler. Das klingt so hart, wie es ist, auch wenn es sicherlich zu kurz gegriffen wäre, Amazon alleine für die Situation, in der sich Conrad Electronic befand, verantwortlich zu machen – und dennoch hat gerade Conrad unter Beweis gestellt, wie sich ein Handelsunternehmen wandeln kann, wenn es sich wandeln muss.