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Analyse

Corona: Wieso manche Supermarktregale leer sind und was jetzt hilft

Der Anblick leerer Regale ist beklemmend für Menschen, die den Überfluss gewohnt sind. Das ist aber kein Alarmzeichen, es ist genug da. Wieso das Nudelregal trotzdem leer ist: Eine Erklärung.

Von Jochen G. Fuchs
6 Min.
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Die Lebensmittel und Produkte werden nicht knapp: Das Einkaufsverhalten vieler überlastet lediglich die Lieferketten. (Bild: © Eisenhans - Fotolia.com)

Rund 37.000 Supermärkte gibt es laut dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), gerade einmal dreieinhalb Minuten Fahrtzeit ist der nächste Lebensmittelladen durchschnittlich von den Kunden entfernt. In diesen Tagen scheint es aber, als wären die Supermärkte weit entfernte und heiß ersehnte Reiseziele. Die nach entbehrungsreicher Anreise leergekauft werden, um die erneute Odyssee der Anreise zu vermeiden. Dabei reicht die Anfahrtszeit kaum aus, um einen durchschnittlichen Popsong zu Ende zu hören. Die Waren selbst sind nicht knapp, sondern bei allen Herstellern ausreichend auf Lager, wie der Verband immer wieder betont. Dass die Regale leer sind, liegt nicht an den fehlenden Lebensmitteln, sondern am Einkaufsverhalten vieler Kunden.

Die wichtigsten Antworten in Kürze

Wieso sind die Supermarktregale leer?

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Definitiv nicht, weil die Lebensmittel knapp werden. Die Kunden überlasten momentan die Lieferketten des Handels. Moderne Märkte betreiben nur eine sehr begrenzte Lagerhaltung, sie sind auf regelmäßige Anlieferung der Waren aus Zentrallagern angewiesen. Vereinfacht ausgedrückt, kaufen die Kunden aktuell mehr und schneller ein, als die Supermärkte nachbestellen und liefern lassen können.

Wieso sind oft noch frische Waren in den Regalen, wenn Nudeln und Toilettenpapier längst vergriffen sind?

Meist wird das Frischesortiment täglich beliefert, während das Trockensortiment mit den haltbaren Artikeln zwar regelmäßig, aber eher wöchentlich beliefert wird. Die Lieferintervalle zu verändern, ist aufwendig und nicht immer auf Anhieb möglich. Der gesamte Lebensmittelhandel fährt aktuell seine Kapazitäten hoch, um dem gestiegenen Bedarf zu begegnen und liefert verstärkt Produkte mit hoher Nachfrage an die Filialen. Auch im Onlinehandel werden mittlerweile bestimmte Artikel priorisiert.

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Hintergrund: Wieso die Supermarktregale leer sind

Moderne Supermärkte arbeiten mit kleinen Lagern

Unsere modernen Lieferketten sind auf Just-in-Time-Lieferungen ausgelegt. Das bedeutet, dass die Waren exakt nach Bedarf zum passenden Zeitpunkt geliefert werden. In den Lagern der Supermarkt-Filialen wird meist nur Ware gelagert, die über den Tag hinweg zum Auffüllen der Regale benötigt wird. Tagtäglich schätzen Systeme und Disponenten ein, was die Kunden wohl am nächsten Tag kaufen werden und bestellen entsprechend nach. Denn eine zu große Lagerreichweite ist teuer. Wird zu viel gelagert, müssen verderbliche Produkte entsorgt werden.

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Der NDR zeigt in einer sehenswerten Dokumentation die Organisation des Nachschubs in einem beispielhaften Supermarkt, einem Famila-Center in Vechta. Auf fast 6.000 Quadratmetern werden dort auf der Verkaufsfläche rund 70.000 Produkte angeboten. Im Durchschnitt hatte ein Supermarkt im Jahr 2014 laut dem EHI Retailinstitute etwa 10.000 Produkte im Angebot. In beiden Fällen haben die Händler eine Menge Produkte zu verwalten und nachzubestellen. Die Lieferinfrastruktur für diese Nachbestellungen ist jedoch nicht darauf ausgelegt, plötzlich die kompletten 10.000 Produkte zu ersetzen. Und eben auch nicht darauf, dass Menschen plötzlich das Zehnfache der üblichen Verkaufsmenge einkaufen.

Jedes Glied der Lieferkette ist auf den geschätzten Verbrauch eingestellt

Die Logistik wird zum Flaschenhals: Das für den Famila-Markt zuständige Zentrallager  in Vechta beliefert 200 Supermärkte mit 80 Lastwagen. Die meisten Supermärkte fahren die Lastwagen einmal pro Tag an, große Märkte auch zweimal. Dabei liefern die Fahrzeuge nicht die kompletten 70.000 Produkte des Marktes an, sondern nur Nachbestellungen. Ein Supermarkt verkauft an einem Tag niemals sein komplettes Sortiment leer, vermutlich hat noch niemand abends kurz vor Ladenschluss völlig leere Regale gesehen. Vollkommen leere Supermärkte stellen die Infrastruktur vor eine Herausforderung.

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Die Logistikinfrastruktur muss aktuell in kürzeren Intervallen Warenmengen bewegen, für die sie nicht konzipiert wurde. Die 80 Lastwagen des Zentrallagers fahren jetzt häufiger – dass die Fahrzeuge die 200 Märkte nicht beliebig oft am Tag anfahren können, kann sich jeder selbst ausrechnen. Darüber hinaus ist die Lagerreichweite der Zentrallager ebenfalls auf den Bedarf der angeschlossenen 200 Märkte berechnet.

Schließlich trifft einen großen Teil der Arbeit das schwächste Glied in der Kette: die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Filialen, die auf einmal ein vielfaches der gewohnten Mengen aus den Lastwagen in die Filialen schaffen. In den sozialen Netzwerken beklagen  sich viele Händler über einen rauen Umgangston der Kunden und wenig Verständnis für die zusätzliche Belastung.

Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn der Kunde schneller kauft, als ein Markt nachliefern und einräumen kann, dann sind die Regale eben leer.

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Hamsterkäufe: Der psychologische Effekt der leeren Regale

Das aktuelle Einkaufsverhalten entsteht aus einer verständlichen psychologischen Unsicherheit. Mehr Nahrungsmittelvorräte geben Menschen das Gefühl, besser auf das Unerwartete einer Pandemie vorbereitet zu sein.

Diese Unsicherheit wird noch gesteigert, wenn Menschen vor leeren Regalen stehen, oder in den Onlineshops nur noch auf rote Lagerstandsanzeigen treffen. Das führt zu noch mehr Hamsterkäufen und führt in den betroffenen Warengruppen tatsächlich zu kurzfristiger Nahrungsmittelknappheit, weil die Lieferketten den gestiegenen Bedarf kurzfristig nicht mehr stemmen können. Wenn in den nächsten ein, zwei Tagen das Regal wieder aufgefüllt wurde, bekommt der Hamsterkäufer das oft schon gar nicht mehr mit.

Wie können wir das vermeiden, wie können Händler das vermeiden?

  1. Händler müssen evaluieren, welche ihrer Warengruppen von dem veränderten Konsumentenverhalten betroffen sind und Ersatzprodukte suchen und bewerben, die Lagerhaltung verstärken und die Lieferintervalle erhöhen. Wenn die Kunden merken, dass die leergekauften Regale online und offline schnell wieder gefüllt sind, bleibt der selbstverstärkende Effekt der Hamsterkäufe aus. Auch verstärktes „Spiegeln“, das Vorrücken kleiner Warenmengen an den Regalrand, um das Bild eines vollen Regals zu erzeugen, kann eine psychologische Wirkung haben.
  2. Kunden sollten ihre Vorratskäufe auf mehrere Filialen beziehungsweise Onlineshops sowie mehrere geplante Einkäufe verteilen, um die Lieferketten nicht zu überlasten. Der Vorrat muss nicht gleich bei einem Einkauf auf einmal aufgefüllt werden. Wer plant, jede Woche ein oder zwei Mal einkaufen zu gehen, kann dann jeweils etwas mehr einkaufen. Es empfiehlt sich grundsätzlich, einen Teil der Vorräte online bestellen, um die örtliche Infrastruktur zu entlasten. Das muss nicht eine Lieferung beinhalten: Rewe beispielsweise bietet auch die Abholung von Bestellungen in vielen Märkten an. Vorbestellung und Abholung hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese Vorgehensweise den Händlern bei der Disponierung hilft. Und die Abholung vorbereiteter Einkäufe verringert die Verweildauer in den Läden, damit sinkt auch das Infektionsrisiko. Vorräte sollten in vernünftigem Rahmen angelegt werden: Es reicht völlig, bei jedem Einkauf von jedem benötigten Artikel einen mehr als benötigt zu kaufen. So kann jeder bequem die empfohlenen Vorräte anlegen. Das ist nicht nur rücksichtsvoll gegenüber den Mitmenschen, sondern auch im eigenen Interesse sinnvoll. Denn so bleiben die Waren bequem für alle verfügbar. Sind die Vorratskäufe erledigt, sollte zumindest der Besuch bei lokalen Einzelhändlern auf einen einzelnen wöchentlichen Bedarfseinkauf beschränkt werden, um das Infektionsrisiko zu verringern.

Eräuterung

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Wieso hilft die Verteilung auf mehrere Filialen und Einkäufe: Es wird durch die Verteilung zwar im Gesamten nicht weniger gekauft (was eher der Rat pro Einkauf nur je einen Produkt mehr als nötig zu erwerben bezweckt), aber die Lieferketten werden entlastet. Denn jeder Discounter oder Supermarkt hat ein eigenes Logistiknetz. So verteilt sich die Last des Einkaufs auf mehrere Netzwerke statt nur auf eines. Wenn man zusätzlich den Rat befolgt nicht den ganzen gewünschten Vorrat auf einmal zu kaufen, sondern den Vorratseinkauf auf mehrere Einkäufe verteilt, dann verringert man die Menge der Einkaufslast an einem Tag. Was zu einer Verbesserung der Versorgungssituation führt, denn es wird täglich neu angeliefert.

Entweder nutzen Kunden dazu die sowieso geplanten Einkäufe, am besten einen wöchentlichen, oder erhöhen tatsächlich die Frequenz der Einkäufe bis maximal der von der Bundesregierung empfohlene Notvorrat erreicht ist.

Bei ersterer Variante erhöht sich die potentielle Kontaktzahl nicht, bei zweiter Variante kann sie sich erhöhen – wer korrekt auf soziale Distanzierung achtet, erhöht das Risiko aber nur gering. Wenn sich die addierte Verweildauer in beiden Filialen nicht erhöht, sollte das Kontaktrisiko nur geringfügig steigen.

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Vielerorts suchen Menschen sowieso zwei Filialen während eines Wocheneinkaufs auf, weil nicht alle Produkte in einer Filiale erhältlich sind.

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Daniel

Das Problem ist leider, dass das diejenigen, die dieses Problem verursachen, gar nicht interessiert… Die hamstern munter weiter und packen sich alles, was nicht bei 3 auf dem Baum ist, in den Einkaufswagen.

Diejenigen, die bis dato besonnen / normal reagiert haben, stehen vor komplett leeren Regalen und können sich nicht mal mehr das Nötigste kaufen… diese Gruppe gerät dann auch langsam in Panik und fängt an zu hamstern sobald sie die Gelegenheit dazu hat… ein Teufelskreis

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