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Kolumne

Coronakrise: Ich, der rationale Panik-Käufer

Wenn sich eine Mehrheit vernünftig verhält, haben wir kein Problem, oder? Stimmt im Falle von Hamsterkäufen leider nicht ganz. Wie ich in der Coronakrise selbst zum „vernünftigen Hamsterkäufer“ wurde. Die Neuland-Kolumne.

Von Stephan Dörner
2 Min.
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Hamsterkäufe sind irrational – oder etwa doch nicht? (Foto: Christian Nieke)

#KaufNurWasDuBrauchst – unter diesem Hashtag hat die Bundesregierung eine Social-Media-Kampagne gegen Hamsterkäufe in der Coronakrise gestartet. Die Botschaft: Die Nahrungsmittelgrundversorgung in Deutschland sei gesichert, zu viel Essen lande am Ende nur im Müll.

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Hamsterkäufe können – ähnlich wie Bankruns – schnell eine gefährliche Eigendynamik entwickeln. Menschen verhalten sich wie Herdentiere: Legt einer los, machen immer mehr mit. So wird die Verfügbarkeit von Waren dann tatsächlich zum Problem – selbst wenn der Auslöser der Hamsterkäufe Unsinn war.

Ein Blick in die Geschichte macht das deutlich: 1973 in der Krisenstimmung der Ölkrise verbreitete ein republikanischer Kongressabgeordneter in den USA das Gerücht, dass Toilettenpapier knapp werden könnte – zunächst ohne weitere Beachtung. Erst als eine Comedy-TV-Sendung mit Millionenpublikum das Gerücht aufgriff, wurde es zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Durch Panikkäufe wurde das Toilettenpapier tatsächlich knapp und es dauerte geschlagene vier Monate, bis sich die Lieferketten wieder einspielten.

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Wie ich selbst zum „Mini-Hamsterkäufer“ wurde

Und das ist auch das Dilemma an Situationen wie zurzeit: Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird es in diesem Herdentrieb-Prozess für den einzelnen ganz vernünftig, bei der „Panik“ mitzumachen. Niemand will am Ende derjenige sein, der ohne Toilettenpapier dasteht.

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So reicht eine kleine Menge der Bevölkerung, die sich irrational verhält, damit es aus individueller Sicht plötzlich rational wird, ebenfalls zu hamstern – was kollektiv in die Katastrophe führt. Wenn in dieser Situation auf individueller Ebene jeder strikt rational-egoistisch handelt, entsteht auf kollektiver Ebene ein Zustand, der allen schadet. Die eigene Situation zu verbessern führt daher zu einer Situation, in der am Ende alle schlechter dastehen. In der Spieltheorie ist dieses Prinzip unter dem Begriff Gefangenendilemma weithin bekannt.

Wie also als einzelner mit dieser Situation umgehen? So schwer es fällt – aber für uns alle ist es das Beste, wenn nun wirklich nur jeder so viel kauft wie auch sonst. Während ich aber selbst so vernünftige und neunmalkluge Ratschläge in diese Kolumne schreibe, habe ich mich anders verhalten: Als ich vor etwa zwei Wochen bei einem DM Toilettenpapier sah, habe ich zugegriffen und eine Packung gekauft, obwohl zu Hause noch eine angebrochene aber relativ gut gefüllte 8er-Packung lag. Heute bin ich froh darum, denn seitdem habe ich kein Toilettenpapier mehr gesehen.

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Zwei Packungen statt einer klingt nicht viel. Aber wenn sich eine Masse plötzlich und zeitgleich so verhält, kann sich das schnell zu einer Kettenreaktion aufschaukeln, die Lieferketten nachhaltig aus dem Takt bringt. So sehr ich das Hamsterkauf-Verhalten ablehne, weil es uns allen schadet – hier bin ich selbst zum „Mini-Hamsterkäufer“ geworden.

Was aus dem Hamsterkauf-Dilemma hilft

Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Ja! In vielen Fällen funktionieren Märkte gut – oder zumindest effizient. Über unser Kaufverhalten steuern sie, in welche Produkte und Dienstleistungen Unternehmen ihre Ressourcen stecken und welche sie getrost ignorieren können, weil (fast) niemand sie nachfragt. Doch kommt Herdenverhalten ins Spiel, geraten Marktmechanismen an ihre Grenzen und es braucht stattdessen Regeln. Weil wir uns auf den Altruismus der anderen nicht verlassen können, ist es wichtig, dass Einzelhändler nun den Kauf besonders stark nachgefragter Produkte beschränken – bis wieder Normalität einkehrt.

Fast fertig!

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Kommentare (4)

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Mark

Tja Solidarität beginnt im Kopf. Und gerade bei digitalen Menschen wie Dir wundert mich das beschriebene Verhalten sehr. Ich persönlich habe zum aktuellen Zeitpunkt exakt drei Rollen Toilettenpapier im Schrank. Dies reicht – und das ist digital leicht zu recherchieren – bei einer Person für 3 Wochen. Nun weiss ich doch, dass andere offenbar kein Papier mehr bekommen. Also kaufe ich bewusst KEIN Toilettenpapier. Was Du beschreibst ist für mich im wesentlichen: Ich kann nicht rational genug denken um solidarisch zu sein und Hamsterkäufe zu vermeiden. Sorry ist nicht böse gemeint, einfach mal reflektieren und Verhalten anpasssen. Wenn das alle machen würden, gäbs das Problem nämlich nicht.

Schön wäre jetzt ein Artikel der so etwas beschreibt. Stattdessen legitimierst Du durch den Artikel und rechtfertigst Dein eigenes Verhalten. (und dadurch auch das anderer) Schade Chance vertan.

Das alles mit einem Augenzwinkern und dem Hinweis, dass es wichtigeres als Toilettenpapier gibt…

Viele Grüße an Euch t3n’ler – keep up the good work

Mark

Titus von Unhold

Drei Wochen mit drei Rollen Klopapier? Errechnet über den Rechner, der von 10 Blatt pro Gang „träumt“? Oh bitte… Ich bleibe dabei nur zwei mal im Jahr einkaufen zu gehen.

Dieter Petereit

Ich gestehe, den Verbrauch noch nie ausgerechnet zu haben, würde aber für mich bezweifeln, dass ich mit drei Rollen drei Wochen auskäme…

Booja

Uns geht es viel zu gut. Nur deshalb kann fehlendes toilettenpapier zum Problem werden.

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