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MIT Technology Review Kolumne
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Die Schwierigkeit, Daten langfristig zu sichern – was wir dazu wirklich brauchen

Es gibt viele Akteur:innen und Archive, die digitale Daten langfristig für die Zukunft speichern. Doch solchen Ansätzen haben ein Problem: So gut sie auch gemeint sind, sie sind häufig löchrig und unvollständig, meint unsere Kolumnistin.

Von Frederike Kaltheuner
3 Min.
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Digitale Archive sind niemals ein vollständiges Abbild der Realität. (Grafik: Midjourney / MIT Technology Review)

Als ich 2013 meine Masterarbeit am Oxford Internet Institute schrieb, lagen die Proteste des Arabischen Frühlings kaum zwei Jahre zurück. Die Bilder vom Tahrir-Platz, die Tweets ägyptischer Aktivistinnen und Aktivisten – für einen Moment schien es, als wären soziale Medien und Autokratie unvereinbar. Mich bewegte damals eine andere Frage: Wie werden Historiker:innen diese Zeit in Zukunft einordnen? Werden sie verstehen können, welche Rolle soziale Medien, Blogger:innen, Online-Nachrichten spielten – oder wird all das im digitalen Nirwana verschwunden sein? Wie steht es um die Langlebigkeit unserer Daten?

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Dieser Text ist erstmals in der Ausgabe 5/2025 von MIT Technology Review erschienen. Darin beleuchten wir das Thema Longevity (Langlebigkeit) und gesunder Lifestyle aus verschiedenen Perspektiven. Ab sofort könnt ihr hier das neue Heft bestellen.

Die Schwierigkeit mit den Internet-Archiven

Die Ergebnisse meiner Recherchen waren widersprüchlich. Es gab viele Versuche, digitale Inhalte zu bewahren: Graswurzelbewegungen, die Videos und Tweets archivierten. Die Library of Congress, die damals noch jeden Tweet sichern wollte. Das Internet Archive, das bis heute Webseiten und Mediendateien speichert – auch Regierungsseiten, die während Trumps Amtszeit gelöscht wurden.

Frederike Kaltheuner

Frederike Kaltheuner berät den öffentlichen Sektor, Think-Tanks und multilaterale Organisationen zu internationaler Digitalpolitik. (Foto: Alena Schmick)

Archive sind niemals ein vollständiges Abbild der Realität. Doch viele dieser digitalen Archive erschienen mir willkürlich und löchrig. Die Library of Congress etwa kuratierte ihre Auswahl: Was aus der Distanz wichtig erschien, wurde aufgenommen, anderes wurde vergessen. Viele Archive waren Link-Sammlungen, die schon ein Jahr nach ihrer Erstellung ins Leere führten. Und manche Inhalte verschwanden schneller, als man sie sichern konnte – gelöscht von Plattformen oder von Nutzerinnen und Nutzern, für die viele digitale Spuren in einem sich rasant ändernden politischen Klima plötzlich zum Sicherheitsrisiko wurden. Manchmal fehlte es einfach an Geld, an Zeit.

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Plattformen und Social Media: Fragmentierter, schneller, personalisierter

Heute – über zehn Jahre später – ist das Netz noch flüchtiger geworden. Twitter heißt X. Die Library of Congress archiviert keine Tweets mehr. Plattformen wie Tiktok, Instagram Stories oder Twitch prägen einen Diskurs, der fragmentierter, schneller, personalisierter ist als je zuvor. Wer heute dokumentieren will, steht vor gewaltigen Herausforderungen: Es geht nicht nur darum, Inhalte zu sichern, sondern auch, wem was und warum gezeigt wurde.

Selbst in der Gegenwart ist oft unklar, ob und wie politische Akteure Einfluss nehmen – trotz Initiativen wie dem Digitale-Dienste-Gesetz oder der EU-Verordnung zu politischer Werbung. Wir sehen etwa, dass bestimmte Parteien im Bundestagswahlkampf besonders viel Aufmerksamkeit erhielten. Doch ob das auf Plattformentscheidungen, externe Akteure oder geschickte Kampagnen zurückgeht, bleibt schwer nachweisbar.

Schon damals ging es mir um mehr als den Arabischen Frühling. Es ging um ein fundamentales digitales Paradox: Wie kann es sein, dass peinliche Videos für immer im Netz bleiben – aber systematisch wichtige Inhalte verloren gehen? Dass wir scheinbar alles speichern – und trotzdem so vieles vergessen? Und was heißt all das für die zukünftige Geschichtsschreibung über die turbulenten Zeiten, in denen wir momentan leben?

Wir brauchen zugängliche digitale Archive

Daran musste ich denken, als ich im Dezember zufällig in einem digitalen Archiv die Entnazifizierungsakte meines Urgroßvaters fand. Das Landesarchiv NRW hatte sie digitalisiert – heute genügt eine Google-Suche. Früher hätte ich ins Archiv fahren müssen.

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Wir brauchen zugängliche digitale Archive, um die Vergangenheit zu verstehen. Nicht nur für Historiker:innen in 50 Jahren – sondern für uns. Heute, morgen, nächste Woche. Denn wer die Gegenwart nicht dokumentiert, hinterlässt der Zukunft nur Halbwissen. Und ohne kollektives Gedächtnis bleibt auch kollektive Verantwortung auf der Strecke.

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