Digital Lobbying: Daten sind die besseren Fakten

(Grafik: Shutterstock / Peshkova)
Wenn sich Spitzenpolitiker auf Gipfeln treffen, ist der Großteil der Arbeit meist schon erledigt. Egal, ob es um den Diesel oder die Zuwanderung geht: Im Vorfeld haben Staatssekretäre und Referenten längst alle Varianten durchgespielt. Und was sie ihren Vorgesetzten schließlich auf den Tisch legen, ist durch professionelle Lobbyisten maßgeblich beeinflusst. In Berlin gibt es rund 6.000 davon, in Brüssel sind es laut Lobbycontrol 25.000.
Auch wenn der Einfluss von Lobbyisten immer wieder kritisiert wird: Die Politik ist auf externe Expertise angewiesen. Und auch eine Interessenvertretung war schon immer ein wichtiger Teil der politischen Willensbildung. Diese verändert sich jedoch spätestens seit dem Einzug der Generation Y in Parlamente und Behörden radikal. Lobbyisten müssen heute – wollen sie Einfluss geltend machen – mehr anbieten als Symposien mit handverlesenen Gästen.
Lobbyisten werden zu Analysten
Spätestens seit dem Wahlkampf von Barack Obama wissen auch europäische Politiker, dass technologisches Know-how über ihr politisches Überleben entscheiden kann. So werden in den Parteizentralen längst Unmengen an Informationen über Wählergruppen und deren Interessen bewegt. Gegen erfahrene Berater mit Big-Data-Expertise kommen Lobbyisten mit schön geschriebenen Positionspapieren kaum noch an.
Wer als Interessenverband heute nur ein Presse- und Medien-, aber kein Datenportal anbietet, gilt als überholt. Daten selbst aufzubereiten und gute von bösen Daten zu unterscheiden, ist für wirksame Lobbyarbeit unerlässlich. Das spiegelt sich auch in den Stellenanzeigen großer Lobbyvereinigungen wie etwa dem Verband der Automobilindustrie wider: Ihr Anspruch an das eigene Personal in Sachen „digitale Kompetenz“ ist deutlich gestiegen.
Digitalstrategie ist Kerngeschäft
Neben analytischen sind von Interessenvertretern aber auch strategische Fähigkeiten gefordert: Nachdem der digitale Wandel jahrelang gepriesen wurde, erkennt die Politik nun die Möglichkeiten, die er mit sich gebracht hat. Auf der Suche nach Lösungen warten Politiker heute jedoch nicht auf Expertenanhörungen. Sie bilden sich ihre Meinung schon vorab in sozialen Medien, wo Lobbyisten mit Infografiken im Zweifel mehr erreichen als mit ausgefeilten Studien.
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat diesen Trend längst verstanden. Vor einigen Wochen wurde ein ausgewiesener Digitalisierungsexperte zum Leiter Digitalstrategie berufen. Pavel Richter soll sich um Themen wie Vernetzung, Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit kümmern – also praktisch um alles, was die Arbeit der rund 4.000 Mitglieder betrifft. Dass er gleichzeitig die Verwaltung des Verbands leitet, zeigt die enorme Bedeutung seines Aufgabenbereichs.
Das digitale Hauptstadtbüro
Natürlich können digitale Angebote den persönlichen Kontakt zwischen Lobbyisten und Politikern nicht ersetzen. Lobbyisten werden weiterhin das vertrauliche Gespräch suchen, um ihre Position diskret an die Frau oder den Mann zu bringen. Dort, wo die Öffentlichkeit nach Transparenz verlangt, kommen aber wieder digitale Angebote ins Spiel. So entwickelt sich das digitale Hauptstadtbüro, in dem Interessenvertreter ihre Arbeit multimedial darstellen, zum Standardwerkzeug für Public Affairs.
Als Wegbereiter des digitalen Hauptstadtbüros gilt die E-Plus-Gruppe. Auch die Metro Group stellt gezielt Informationen für Politik, Nichtregierungsorganisationen und Verbände im digitalen Raum bereit. Selbst der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei besitzt ein digitales Hauptstadtbüro, das über die Schlüsselthemen digitale Infrastruktur, Internet der Dinge und IT-Sicherheit informiert. Den Unternehmen scheint der digitale Auftritt wichtiger als die Renovierung einer historischen Fassade in Berlin-Mitte – vollkommen zu Recht.
Digital Lobbying ist effizient
Im digitalen Lobbyismus dreht sich alles um Daten. Auch wenn Daten subjektiv gefärbt sein können, sind sie für Politiker die besseren Fakten. Wenn Politik, Wirtschaft und Verbände wie etwa in der Dieselkrise darum kämpfen, ein Thema vollumfänglich zu erfassen und korrekt zu analysieren, sind Interessenvertreter folglich dazu aufgefordert, die Digitalisierung nicht als notwendiges Übel, sondern als effizientes Werkzeug der politischen Meinungsbildung zu begreifen.