Digitale Nomaden: „Ortsunabhängig selbständig zu sein, ist kein Kindergeburtstag“ [Interview]
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t3n.de: Hallo Conni, lass doch mal die letzten Jahre – rein geografisch – Revue passieren. Wo hast du in den letzten Jahren gelebt und gearbeitet?
Conni Biesalski: Indonesien, Australien, Thailand, Berlin, Mexiko. Und noch ein paar andere Orte weniger permanent – so zum Beispiel Italien und Portugal.
t3n.de: Was ist dein Beruf? Wie verdienst du dein Geld?
Conni Biesalski: Diese Frage bekomme ich auf Reisen immer wieder gestellt und seit kurzem habe ich eine vereinfachte Antwort gefunden: Ich betreibe ortsunabhängig mehrere Online-Unternehmen. Aber hier die ausführlichere Variante: Ich bin professionelle Bloggerin sowie Beraterin für digitale Kommunikation. Auf Planet Backpack schreibe ich über Backpacken, Langzeitreisen und ortsunabhängiges Arbeiten. Auf meinem ersten englischen Blog „A Life of Blue“ geht es um Freiheit, unkonventionelles Leben und das Leben als ortsunabhängige Selbständige. Auf meinem neuen Blog Planet Nomad schreibe ich über Lifestyle-Design, Online-Business-Themen und allgemein über ortsunabhängiges Arbeiten.
Seit Anfang 2012 bin ich mit Conni Biesalski Online Communications im Bereich Kommunikationsberatung ortsunabhängig selbständig. Mit Sebastian von Off the Path organisiere ich in unregelmäßigen Abständen das Blog-Camp. Bald kommt unser Blog-Camp-Online-Kurs. Zusammen haben wir auch vor kurzem Transit Media gegründet, eine kreative Medienagentur für Blogger Relations im Tourismusbereich. Das meiste meiner Einnahmen erziele ich mit Planet Backpack, unseren Blog-Camps und dem ein oder anderen Freelance-Kunden.
t3n.de: Du bezeichnest dich selbst als „digitale Nomadin“ – bist immer „on the road“ und arbeitest auch von unterwegs. Wie ist dein mobiles Büro ausgestattet? Auf welche Software-Tools kannst du nicht verzichten?
Conni Biesalski: Mein Office ist sehr minimalistisch. Logisch, denn ich trage es ja auf dem Rücken. All meine Arbeit verrichte ich auf meinem MacBook Air 11″ – für mich der praktischste Laptop für digitale Nomaden (auch für Foto- und Videobearbeitung absolut ausreichend für meine Bedürfnisse). Mein iPhone 5 darf natürlich auch nicht fehlen. Auch nicht mein kleines Notizbuch für To-Do-Listen und eine extraleichte externe Festplatte. Das war’s dann auch schon, was die Hardware angeht.
Die folgenden Software-Tools sind für meine tägliche Arbeit wichtig:
- Scrivener für die Organisation und das Schreiben meiner Blogposts, meinem bevorstehenden E-Book für digitale Nomaden und unseren Blog-Camp-Online-Kurs
- iA Writer für das absolut fokussierte Schreiben
- Evernote zum Sammeln und Teilen von Ideen und Dokumenten
- Dropbox & Google Drive, damit alle wichtigsten Dateien sicher in der Cloud sind und natürlich für kollaboratives Arbeiten
- Focus@Will in Kombination mit SelfControl-App für gesteigerte Konzentration beim kreativen Arbeiten und um jeglichen Ablenkungen vorzubeugen
- Adobe Lightroom & Photoshop für die Organisation und Bearbeitung von Bildern
- Gmail für die Integration all meiner E-Mail-Adressen in der Cloud
- Google-Calendar als To-Do-Listen-Funktion und natürlich, um wichtige Meetings nicht zu vergessen
- Trello für Teamprojekte
- WorldTimeBuddy, damit ich nicht mehr länger über verschiedene Zeitzonen nachdenken muss
- Ganz oldschool: Excel für mein Rechnungswesen und Word zum Rechnungen schreiben
- WordPress für all meine Blogs und Webseiten
t3n.de: Wie organisierst du dich? Wie sieht ein „normaler“ Arbeitstag bei dir aus (falls es den überhaupt gibt)?
Conni Biesalski: Im Grunde sieht bei mir jeder Tag anders aus, je nachdem, wo ich mich gerade aufhalte. Ein wirklich feste Routine habe ich nicht – aber hier ein Einblick, wie meine Tage ungefähr aussehen: Ich versuche in kurzer Zeit (meistens vier bis sechs Stunden) so produktiv wie möglich zu sein. Ich stehe oft gegen 8 oder 9 Uhr morgens auf (ohne Wecker) und arbeite zwei bis drei Stunden – meine produktivste Zeit des Tages! Dann Pause, um meinem Leben, dem Lesen von Non-Fiction, Yoga & Meditation oder der Erkundung neuer Orte nachzugehen. Gegen Spätnachmittag setze ich mich nochmal etwa zwei bis drei Stunden hin, um zu arbeiten.
Zuerst erledige ich immer meine kreative Arbeit, erst dann alles was reaktionär ist – also E-Mails bearbeiten, Facebook, Kommentare auf meinen Blogs beantworten. Als Lifestyle-Designerin und digitale Nomadin liegt mir eines immer mehr am Herzen als in meinen Laptop zu starren: mein Leben! Meine Partnerin, meine Freunde und Familie, und all die Dinge, die mir wichtig sind: Reisen, Lesen, Yoga, Meditation, draußen sein. Daher sind für mich vier bis sechs Stunden effektiver Arbeit am Laptop das Maximum. So habe ich 18 bis 20 Stunden am Tag nur für mich.
t3n.de: Was sind die größten Herausforderungen deines Arbeitslebens? Die verschiedenen Zeitzonen? Der Traumstrand, der nur einen Steinwurf entfernt liegt? Die Akquise? …
Conni Biesalski: Da ich derzeit an vielen verschiedenen Projekten arbeite, ist für mich die größte Herausforderung, einen starken Fokus und ein hohes Level an Produktivität täglich aufrechtzuerhalten. Ich halse mir oftmals mehr auf, als mir eigentlich lieb ist, aber die Ideen und die Motivation neue Dinge zu kreieren, werden einfach nicht weniger. Es fällt mir auch schwer zu delegieren und Aufgaben abzugeben oder auch einfach mal Nein zu sagen. Des Öfteren ist es auch nicht leicht abzuschalten, besonders weil ich sehr begeistert von meinen Projekten und meiner Arbeit bin.
Eine Herausforderung sind für mich auch fix geplante Skype- oder Google-Hangout-Meetings. Ich mag es nicht, meinen ganzen Tag rund um ein Online-Meeting zu gestalten. Aber irgendwie findet sich dann doch immer eine Lösung. Hier und da muss ich aber auch oftmals Termine kurzfristig umplanen. Gottseidank halten sich Online-Meetings mittlerweile sehr im Rahmen und da ich kaum mehr Kunden habe – da ich mich eher auf eigene Projekte konzentriere –, muss ich mich auch nicht mehr zu sehr verbiegen.
Und klar, manchmal wäre ich auch gern so sorgenfrei auf Reisen wie so viele andere. Dafür lebe ich aber meinen Traum – jeden Tag, und ohne Zeitlimit.
t3n.de: Hast du es manchmal satt – und darüber nachgedacht, sesshaft zu werden? Oder ist das für dich keine Alternative?
Conni Biesalski: Satt habe ich mein Leben als digitale Nomadin nie. Es ist für mich die pure Freiheit. Ich könnte mir kein anderes Leben mehr vorstellen. Trotzdem reise ich immer langsamer und versuche auch längere Zeit an Orten zu bleiben. Über den Sommer war ich zum Beispiel nur in Berlin für einige Monate. Das ist auch meine kleine Homebase geworden, von der aus ich die Welt navigiere. Aber richtig sesshaft zu werden? Nein, ich glaube nicht. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Ich sage niemals nie, wer weiß was noch passiert in meinem Leben, aber Sesshaftigkeit fühlt sich für mich derzeit nicht wahnsinnig befriedigend an. Die Welt ist mein Zuhause.
t3n.de: Wie sollte man charakterlich beschaffen sein, wenn man so leben will wie du? Und welche Charaktere sollten sich auf keinen Fall ins digitale Nomadentum stürzen?
Conni Biesalski: Was man mitbringen sollte:
- Man muss Lust darauf haben, etwas wirklich Sinnvolles zu schaffen, und Ambitionen haben, einen Mehrwert in unserer Welt zu leisten. Also ein wenig von dem vielbeschworenen Unternehmer-Gen oder Unternehmer-Geist in sich haben.
- Den Willen sich mit seinen eigenen Ängsten auseinanderzusetzen und Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten haben.
- Disziplin! Ortsunabhängig selbständig zu sein ist, kein Kindergeburtstag. Zeitmanagement und Produktivität sollten keine Fremdwörter sein.
- Die Offenheit, Neues zu lernen. Manchmal kann der Weg länger dauern, aber wer die Zeit und Energie investiert, sich neue Fähigkeiten anzueignen, hat schon die halbe Miete.
Menschen, die viel Sicherheit in ihrem Leben brauchen, die absolut kein Organisationstalent sind, die sich nicht gut an neue Situationen anpassen können oder Schwierigkeiten mit Heimweh haben, werden sich wohl eher schwerer tun. Aber oftmals überraschen sich die Menschen selbst und entdecken erst im Prozess zu was sie eigentlich fähig sind. Nicht jeder wäre mit einem digitalen Nomadenleben glücklich, nicht jeder hat das Zeug dazu, nicht jeder hat den Drive, komplett die Verantwortung für jeden einzelnen Aspekt seines Lebens zu übernehmen. Nicht jeder kann mit so viel Freiheit, die einem das Leben als digitaler Nomade ermöglicht, umgehen.
Aber ich denke auch, dass sich viele Menschen unter Wert einschätzen, dass so viele so viel mehr drauf haben als sie sich eingestehen. Und ich wünschte, mehr Leute würden den Schritt zu einem ortsunabhängigen Leben wagen. Daher versuche ich auch, über meine Blogs Leser zu ermutigen es zu tun – ohne die Absicht, Leute bekehren zu wollen.
t3n.de: Gerade bist du in Mexico. Wie sieht dein Plan für die nahe Zukunft aus?
Conni Biesalski: Ich werde erstmal hier in Mexiko für ein paar Monate bleiben, bis Dezember oder spätestens Januar, denn dann spreche ich auf einer Tourismuskonferenz in Helsinki. 2014 stehen auch einige internationale Projekte mit Transit Media an. Ich denke, ich werde wohl nächstes Jahr die meiste Zeit zwischen Berlin, Ligurien in Italien (wo meine Partnerin zuhause ist), Bayern (um mal wieder etwas mehr Zeit mit meiner Familie zu haben) und anderen Teilen Europas aufteilen. Ich habe auch vor, mir einen VW-Bus zuzulegen und auf Roadtrips durch den Süden und Osten Europas zu gehen, um mehr von meinem eigenen Hintergarten zu entdecken!
t3n.de: Und jetzt wollen wir natürlich noch einen Geheimtipp für das ultimative Reiseziel?
Conni Biesalski: Ich selbst bin dieses Jahr schon zum zweiten Mal in Mexiko und kann dieses Land wirklich nur jedem ans Herz legen. Es macht wirklich Spaß, hier zu reisen: Die Vielfalt, die freundlichen Menschen, das tolle Essen, die traumhaften Strände, die Berge, der Dschungel. Und sehr gutes Wi-Fi, wohin man auch geht. Das ist für mich natürlich immer wichtig bei der Auswahl von Reisezielen. Besonders empfehlen kann ich die Pazifikküste rund um Puerto Escondido und Puerto Vallarta, Oaxaca, San Cristobal (wo ich gerade diese Zeilen schreibe) sowie Isla Holbox und Laguna Bacalar auf der Yucatan Halbinsel.
t3n.de: Vielen Dank für das Interview!
Conni Biesalski (www.connibiesalski.com) hat einen M.A. in Kommunikation & Medien von der Universität Salzburg (2009). Ihr professioneller Hintergrund liegt im Public-Relations-Bereich sowie in der Social-Media-Beratung für Internet-Startups und Tourismusunternehmen. Außerdem ist Conni seit 2009 ambitionierte PADI-Tauchlehrerin und macht damit immer mal wieder das Paradies zu ihrem Arbeitsplatz.