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Interview

„Digitale Nomaden sind ein Segen!“

Ein Interview mit Mathias Keswani, Geschäftsführer und Gründer von Nerdindustries in Hamburg, über digitale Nomaden und deren Jobchancen.

Von Robert Enskat
6 Min.
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(Grafik: t3n)

Vor gefühlt 25 Jahren (es sind in der Tat nur 14) habe ich Mathias Keswani kennengelernt – er war fester Texter bei Jung von Matt, ich war dort ab und zu als Freelance-Texter, mal in Frankfurt, mal in Hamburg. Er hat mittlerweile seit zehn Jahren sein eigenes erfolgreiches Unternehmen Nerdindustries – auch irgendwie Marketing, doch mehr innovatives „Nerd-Zeug“, das der Werbung dient. Mit ihm habe ich über digitale Nomaden gesprochen (voll digital und nerdig, nicht per Skype oder so, sondern per Hologram-Live-Conference).

Mathias Keswani von Nerdindustries. (Foto: Nerdindustries)

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t3n: Mathias, gleich zum Anfang die Frage: Was hältst du vom Thema digitale Nomaden? Ihr seid ja ein Innovations-Unternehmen …

Mathias Keswani: Finde ich cool. Die Idee ist ja nicht neu, doch heutzutage viel einfacher machbar. Und ob ein Freelancer aus Nürnberg für uns programmiert oder einer aus Kolumbien – interessiert mich nicht. Uns kommt es ganz auf die Skills an, der Ort, an dem die Person sitzt, ist zweitrangig, wenn der Mensch seinen Job beherrscht.

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t3n: Das heißt, ihr arbeitet mit digitalen Nomaden?

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Ja, manchmal. Es kommt auf das Projekt an. Am meisten arbeiten wir mit ihnen zusammen, wenn wir internationale Projekte am Start haben. Da ist es dann von sehr großem Vorteil, wenn jemand in China, den USA oder UK oder wo auch immer gerade vor Ort ist und uns unterstützt. Das hilft uns sehr. Wir sind keine große Network-Agentur, die auf massig Ressourcen zugreifen kann. Wir müssen – und wollen – flexibel und agil sein. Das ist so die eine Seite, wie wir mit Digital Nomads arbeiten.

t3n: Und die andere?

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Schnöde Coder-Arbeit…

t3n: Das heißt?

Wir sind ein Innovations-Unternehmen. Wir entwickeln neue Produkte und Experiences, die unsere Kunden nicht selten global ausrollen. Das ist unser Spezialgebiet. Auch wenn die Entwicklungen überwiegend in Hamburg entstehen, haben wir immer wieder marktspezifische Anpassungen. Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, mit Menschen zu arbeiten, die den Markt nicht nur kennen, sondern auch in dem jeweiligen Land leben und dir zusätzliche Einblicke geben können. Wir mussten zum Beispiel mal für eine Trade-Show in China die große staatliche Firewall umgehen und da waren wir schon dankbar für den Entwickler vor Ort, der uns sagen konnte, welches VPN wo und wie lange funktioniert. Anders hätten wir das nicht bewerkstelligen können. Es kommt halt eben auf den Job und die Situation an.

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t3n: Butter bei die Fische… Digitale Nomaden: Segen oder auch Fluch?

Zu 90 Prozent Segen… Natürlich gibt es da hin und wieder auch schwarze Schafe, die dich hängen lassen oder eben beschissene Arbeit abliefern – und das auch noch zu spät. Aber das ist nichts anderes wie mit Freelancern in Deutschland. Eine gewisse Ausfallquote hat man immer. In der Regel sind digitale Nomaden zuverlässig und professionell. Sie haben meist einen guten Arbeits-Ethos. Sie sind ein Segen für uns.

t3n: Siehst du sonst noch Vorteile für euch?

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Was sich tatsächlich bei zeitkritischen Projekten schon mal als Segen entpuppt hat, war die Zeitverschiebung. Wenn bei uns das Tagesgeschäft endete, hat es dort gerade erst begonnen. Das hat uns die Möglichkeit eröffnet, im Grunde 24 Stunden an einem Projekt arbeiten zu können, ohne dass man sich dabei kaputt gemacht hat. Das funktioniert natürlich nicht immer und ist – zum Glück – auch nicht immer notwendig. Aber wenn es mal sein muss, dann wissen wir, dass das für uns ein gangbarer Weg ist.

t3n: Kritiker sagen, dass digitale Nomaden die Freelancer-Szene in Deutschland kaputt machen. Preise, Verfügbarkeit und so…

Verstehe ich nicht. Warum sollte das so sein? Wir sprechen doch hier von Freelancern, die einfach nur in einem anderen Land sitzen. Oder sprechen wir hier von den digitalen Sweatshops in Indien, der Ukraine und woanders?

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t3n: Nein. Sie beziehen sich schon auf Digital Nomads.

Dann kann ich die Kritik, wie gesagt, nicht nachvollziehen. Die digitalen Nomaden, mit denen wir bis dato gearbeitet haben, rufen ganz normale – vielleicht manchmal ein bisschen geringere – Preise auf. Ich kann da jedenfalls keinen Preisverfall feststellen.

t3n: Also siehst du da keine Konkurrenzsituation?

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Ich weiß nicht, wer das so sieht. Ich als Auftraggeber kann das nicht nachvollziehen. Ein guter Entwickler in Hamburg nimmt 750 Euro am Tag. Ein guter Entwickler, der in Lissabon sitzt, verlangt 650 Euro. Ich finde, dass das eine überschaubare Differenz ist, oder? Ich kann natürlich nicht aus einer reinen Agentursicht sprechen, weil wir einfach etwas völlig anderes machen und damit sicherlich auch andere Personen buchen. Aber wie gesagt, ich persönlich sehe hier nichts Negatives.

t3n: Genug des Honigs. Und wie sieht das in der Praxis aus? Wo und wie findet ihr die passenden digitalen Nomaden für eure Jobs?

Unterschiedlich. Wir haben einen großen Pool an Freelancern, mit denen wir schon seit Jahren arbeiten. Meist sind das Bekannte aus vergangenen Agenturzeiten und deren Kontakte und so. Wenn bestimmte Projekte anstehen, besonders die internationalen, dann gehen wir in diverse Facebook-Gruppen oder Foren und fragen dort direkt nach. Aber eher ungern, um ehrlich zu sein.

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t3n: Warum?

Ein Job-Posting gleich 100 Anfragen. Und davon kannst du 99 abziehen – das sind Leute, die sich auf alles bewerben. Die lesen nicht mal die Job-Description. Wenn wir jemanden fürs Coden brauchen, bewerben sich dann Food-Blogger… Selbst wenn wir das in speziellen Coder-Gruppen posten. Unfassbar. Aber unterhaltsam. [lacht]

t3n: Also?

Unser Pool wächst kontinuierlich, sodass wir oftmals Jobs gar nicht ausschreiben müssen. Wir kontaktieren dann die gefilterten Kontakte direkt. Und wir freuen uns immer über Initiativ-Bewerbungen.

t3n: Was würdest du jemanden raten, der Digital Nomad werden will? Oder einem, der schon unterwegs ist und Jobs braucht? Wie sollten die beispielsweise auf dich zugehen?

Schwierig, ich bin ja kein digitaler Nomade. Und wir sind sehr speziell in dem, was wir tun und was wir an Freelancern suchen. Aber wenn wir nach jemanden Ausschau halten, dann ist für uns wichtig, dass die Person auf einem Gebiet spezialisiert und vor allem zuverlässig und professionell ist. Ich denke also, du solltest als digitaler Nomade darauf achten, dass du spezielle Skills hast und auch wenn du unter Palmen liegst, professionell und zuverlässig ablieferst.

t3n: Du meinst also, das digitale Nomaden eine Zukunft haben?

Bestimmt. Zumindest die, die das professionell angehen. Die, die professionell arbeiten. Die das nicht mit Dauerurlaub verwechseln. Wie ich schon sagte, unsere Erfahrungen mit digitalen Nomaden waren durchweg positiv und es gibt uns die Möglichkeit, in internationalen Märkten zu operieren. Was uns angeht, hat das also sicherlich eine Zukunft. Wir sehen digitale Nomaden jetzt aber auch nicht als Billiglöhner, die im Ausland leben, sondern als Insider und verlängerten Arm in den jeweiligen Märkten.

t3n: Zum Abschluss: dein bestes und dein schlimmstes Erlebnis mit digitalen Nomaden?

Das ein oder andere habe ich ja bereits erwähnt. Aber sicherlich einprägsam waren unsere ersten Erlebnisse in China. Es ist unheimlich faszinierend, wie dort die Abläufe und die unternehmerische Kultur sind. Da sollte eine große Messe stattfinden und zwei Tage vor dem Eröffnungstermin stand dort noch nichts. Und ich meine: wirklich nichts! Da stand nicht mal ein Lkw vor der Halle. Wir waren im Grunde schon dabei, unsere Sachen wieder zu packen und abzureisen, weil klar war, dass das nicht mehr machbar ist. Unser digitaler Nomade vor Ort war aber vollkommen entspannt und hatte nur ein Lächeln für uns übrig. Er überzeugte uns, zu bleiben. Und tatsächlich, es ist mir immer noch ein Rätsel, wie die Chinesen das hinbekommen haben, war am Stichtag alles fertig. Und zwar verdammt noch mal perfekt fertig. Praktisch über Nacht müssen da gefühlt Zehntausend Mann angerückt sein, die alles in ein paar Stunden aus dem Boden gestampft haben. Das war einfach nur irre und surreal. Ohne den Kontakt vor Ort, der für uns alles geregelt hat, hätten wir ziemlich sparsam aus der Wäsche geguckt. Etwas Schlimmes kann ich leider nicht berichten. Wir hatten bis dato wirklich immer Glück.

t3n: Danke und Cheers für deine Zeit und deine ehrlichen Aussagen.

Du hast Lust, mehr über das Leben als digitaler Nomade zu erfahren? Kein Problem, bei Rob’n’Roll around the World liest du mehr!

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