Digitale Produktentwicklung: Prozesse und Tools sind wichtiger als Geld
Investitionen in die digitale Produktentwicklung erachten viele Industrieunternehmen mittlerweile offensichtlich als äußerst vielversprechend. Einer Studie der Beratungsgesellschaft PWC zufolge erhoffen sich hier die befragten 200 Entscheidungsträger aus deutschen und skandinavischen Industrieunternehmen unterschiedlicher Branchen Effizienzsteigerungen von durchschnittlich 19 Prozent über die nächsten fünf Jahre.
Daten und künstliche Intelligenz würden zunehmend verwendet, um die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen und maßgeschneiderte digitale Produkte und Services zu entwickeln, heißt es in der Studie „Digital Product Development 2025: Agile, Collaborative, AI Driven and Customer Centric“.
Tools und Prozesse entscheidend
„Hohe Entwicklungsausgaben sind keine zwingende Voraussetzung für Erfolg.“
Zudem sollen die Produkteinführungszeiten im Durchschnitt um 17 Prozent und die Produktionskosten um 13 Prozent zurückgehen, schreiben die Autoren. Digital führende Unternehmen, gerne auch als „Digital Champions“ bezeichnet, investieren dabei durchschnittlich zwar mehr in die digitale Produktentwicklung als ihre Mitbewerber.
Doch die Studie zeigt auch, dass hohe Entwicklungsausgaben keine zwingende Voraussetzung für Erfolg sind. „Die Beschleunigung der digitalen Produktentwicklung kostet Unternehmen nicht unbedingt mehr Geld“, sagt Reinhard Geissbauer, Partner bei PWC Deutschland und Leiter der Studie. Es komme vielmehr darauf an, die richtigen Tools und Prozesse zu identifizieren und Ressourcen strategisch klug einzusetzen, sagt der Experte.
Tatsächlich erreiche die Mehrheit der digitalen Vorreiter „überdurchschnittliche Resultate“, obwohl sie weniger als vier Prozent ihrer Umsätze für Forschung und Entwicklung aufwendet. Zum Vergleich: Die 1.000 Unternehmen mit den höchsten F&E-Budgets weltweit haben zuletzt 4,5 Prozent ihres Umsatzes in die Entwicklung neuer Produkte investiert.
Kundenzentrierung als wesentliches Ziel
Gut vier von zehn der befragten Industrieunternehmen, nämlich 41 Prozent, nutzen Datenanalysen und künstliche Intelligenz (KI) zumindest teilweise für die digitale Produktentwicklung. Eine Verbesserung der Kundenfreundlichkeit stehe bei ihnen bisher allerdings nicht im Zentrum, heißt es in der Studie.
Anders sei dies bei den digitalen Vorreitern: Hier würden drei Viertel (73 Prozent) derjenigen, die Datenanalysen und künstliche Intelligenz schon verwenden, ebendiese nutzen, um Produkte und Services zu verbessern, etwa indem sie Nutzungs-, Qualitäts- und Servicedaten sowie Informationen zum Verschleiß von Produkten auswerten. Auf dieser Basis würden sie maßgeschneiderte Produkte entwickeln, deren Anteil sie in den kommenden fünf Jahren um 26 Prozent steigern wollen, also mehr als doppelt so stark wie der Durchschnitt.
6 Fragen, die sich jedes Unternehmen in der Digitalisierung stellen sollte
|
„Die Produkt- und Innovationszyklen haben sich in den letzten Jahren über fast alle Branchen dramatisch beschleunigt“, sagt Geissbauer. Wer in dieser Welt wettbewerbsfähig bleiben wolle, müsse die „Individualisierbarkeit der eigenen Produkte“ konsequent vorantreiben. Die Herausforderung für Industrieunternehmen bestehe dabei vor allem darin, maßgeschneiderte Lösungen bei optimaler Kosteneffizienz zu erreichen.
Die digitalen Vorreiter würden das Thema Personalisierbarkeit daher schon früh im Entwicklungsprozess mitdenken, sagt Jochen-Thomas Morr, Experte für digitale Produktentwicklung bei PWC Deutschland. Das wirke sich auch umsatzseitig aus. So würden die von der Studie identifizierten Spitzenreiter heute schon 30 Prozent ihres Umsatzes mit digitalen Produkten und Services erzielen.
Herausforderung Cybersicherheit
Durch die wachsende Bedeutung von Daten in der Produktentwicklung steige allerdings auch die Relevanz des Themas Cybersicherheit, heißt es im Report. Hier bestehe bei den meisten der befragten Unternehmen noch „großer Nachholbedarf“: So setzen sieben von zehn (71 Prozent) keine oder „nicht ausreichend ausgereifte“ Prozesse zum Schutz vor Cyberrisiken in der Produktentwicklung ein.
Auch in diesem Punkt seien die Digital Champions weiter: Mehr als die Hälfte von ihnen hat erklärt, dass IT-Sicherheitsmaßnahmen immerhin „fester Bestandteil ihres Projektmanagements“ seien. Aber auch bei ihnen gebe es Nachholbedarf, gerade wenn es darum gehe, Risiken nach einem klar definierten Risikoprofil zu unterteilen und zu priorisieren, schreiben die Studienautoren.
Digitale Tools werden wichtiger
Die Studie zeigt auch, dass die meisten der befragten Unternehmen bereits Schritte zur digitalen Produktentwicklung unternommen haben: So würden knapp zwei Drittel „ko-kreativ“ arbeiten, und jeweils etwa die Hälfte setze Prozesssimulationen, digitale Prototypen und Tools zum Management des Produktportfolios ein.
In den kommenden drei Jahren wollen die Unternehmen die Nutzung dieser Tools offenbar weiter ausbauen, und zwar verstärkt in den Bereichen Datenanalysen und KI, agile Entwicklungsmethoden, Social Listening sowie digitale Zwillinge. Auch wenn die digitalen Champions beim Einsatz digitaler Tools heute führend sind, gebe es auch bei ihnen Verbesserungspotenzial, sagt die Studie.
„Um ein wirklich integriertes digitales Ökosystem zu erreichen, müssen Unternehmen die vier Felder Kundenlösungen, Geschäftsbetrieb, Technologie und Mitarbeiter in den Blick nehmen“, rät Reinhard Geissbauer. In Gänze habe dies noch keines der befragten Unternehmen erreicht, sagt er.