Digitalisierung versus Menschlichkeit: So sieht Karriere in Zukunft aus
Dass Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitswelt verändern werden, bestreitet kaum einer. Franz Kühmayer, Trendforscher am Zukunftsinstitut, konzentriert sich in der Debatte auf die Rückbesinnung auf das, was uns Menschen einzigartig macht: Menschlichkeit – und wie wir sie für unsere Traumberufe von morgen nutzen können.
t3n.de: Herr Kühmayer, heute geben Grundschüler als Traumberuf „Influencer“ an. Ist das auch der Traumberuf von morgen?
Franz Kühmayer: Ich kann der Scheinwelt der vielen unauthentischen Social-Media-Pop-Sternchen wenig abgewinnen. Schon gar nicht, was da mit dem Begriff Traumberuf zu vereinbaren wäre. Wenn wir darüber reden, was einen Traumberuf ausmacht, empfehle ich eine hypothetische Rückschau aus der Zukunft eher, als in einer Glitzerwelt zu schwelgen.
t3n.de: Eine Rückschau aus der Zukunft: Wie soll die bei der Jobsuche helfen?
Manchmal hilft die Vorstellung, aus der Zukunft ins Heute zurückzublicken. Wenn ich jetzt einen Job annehme, wie werde ich in drei oder fünf Jahren darüber urteilen: Wird mich die Tätigkeit persönlich ausgefüllt und begeistert haben? Werde ich daran gewachsen sein und dazugelernt haben? Und ist die Welt ein Stück besser geworden dadurch?
t3n.de: Werden alle Karrieremodelle der Zukunft „die Welt besser machen“?
Das sollte der Anspruch sein, ja! Letztlich arbeiten wir, um uns selbst und die Welt weiterzuentwickeln.
t3n.de: Was verstehen Sie unter Karrieremodellen der Zukunft?
Wir stehen am Beginn der digitalen Revolution der Arbeitswelt. Der überwiegende Teil der Arbeitsplätze wird unmittelbar von der Digitalisierung betroffen sein und ein bedeutsamer Teil wird von smarten Computern übernommen werden. In der Vergangenheit hat Automatisierung vor allem im Bereich der Fertigung, also der Fabrikarbeit, Jobs gekostet. Künftig wird jeder, der einen Schreibtisch vor sich hat, davon betroffen sein. Und dennoch: Das ist eine gute Nachricht!
t3n.de: Wie das?
Menschen sind soziale, schöpferische Wesen. Glücklicherweise ist auch auf längere Sicht nicht zu erwarten, dass diese Eigenschaften von Maschinen übernommen werden. Menschliche Arbeit wird also künftig vor allem bei emphatischen, kreativen Aufgaben zum Tragen kommen.
t3n.de: Sind in Zukunft also Jobs, bei denen Menschlichkeit gefragt ist, die beste Option?
Wie bei jeder Automatisierungswelle sind zunächst niedrig qualifizierte Tätigkeiten mit hohem Routineanteil betroffen. Mit steigenden kognitiven Fähigkeiten übernehmen Maschinen aber auch Teile von gut ausgebildeten Berufsbildern. Und da liegt der Schlüssel für die Zukunft: Wir können das Rennen gegen die Maschinen nicht durch Gehirnakrobatik gewinnen, sondern durch Rückbesinnung darauf, was uns als Menschen ausmacht.
„Uns geht nicht die Arbeit aus, sondern die bezahlte Erwerbsarbeit.“
t3n.de: Und dennoch werden Menschen ihre Jobs verlieren. Richtig?
Uns geht nicht die Arbeit aus, sondern die bezahlte Erwerbsarbeit, wie wir sie heute kennen. Oft hat man doch den Eindruck, dass der Beginn der Arbeitswoche für viele ein Abstieg ins Jammertal ist. Das heißt, sie finden in ihrer beruflichen Beschäftigung nicht die persönliche Erfüllung, die sie eigentlich verdienen würden. Wenn uns Maschinen solche Tätigkeiten abnehmen, kann das ein erlösender Moment sein.
t3n.de: Sie sprechen von Digitalisierung und Automatisierung. Hat auch Social Media das Konzept von Karriere verändert?
Auf jeden Fall. Social Media hat massiv zu einer Steigerung der Transparenz auf allen Ebenen der Gesellschaft beigetragen. Niemand kann sich mehr dauerhaft hinter einer hochglänzenden Kulisse verstecken. Das gilt für Unternehmen mit wohlklingenden Profilen, die von Kandidaten kritisch hinterfragt werden. Und umgekehrt: Bewerber, die ihren Lebenslauf künstlich aufpolieren, werden ebenso rasch durchschaut.
t3n.de: Begünstigt diese Transparenz die Arbeitswelt oder schadet sie ihr?
Idealerweise führt sie zu mehr Ehrlichkeit im Dialog. Außerdem hat Social Media für mehr Durchlässigkeit in der Kommunikation gesorgt. Informationen können heutzutage leichter Grenzen überwinden als früher – zum Beispiel solche, die durch Hierarchien entstehen wie im Mittelmanagement. Dieses ist nun nicht mehr die alleinige Drehscheibe zwischen der Basis und der Unternehmensspitze.
t3n.de: Wer oder was ist dann die Drehscheibe?
Vielfach übernehmen die sozialen Medien selbst die Rolle des Kurators. Kritisch zu beobachten ist, wie unvoreingenommen die Algorithmen sind, wie sie Blasen entstehen lassen oder noch schlimmer, ob dahinter ein nicht erkennbares Motiv steht.
t3n.de: Um nochmal klarzustellen: Karrieremodelle verändern sich hin zu mehr Menschlichkeit aufgrund von Digitalisierung?
Ja. Digitalisierung ist der bedeutendste Treiber von Veränderungen in der Arbeitswelt unserer Zeit.
t3n.de: Aus existenzieller Perspektive: Warum verändern sie sich überhaupt?
Ganz einfach, die Gesellschaft und als Teil davon Wirtschaft und Unternehmen stehen nicht still. Bei vielen Berufen, die vor 25 Jahren gefragt waren, wissen wir heute gar nicht mehr, womit Menschen da genau beschäftigt waren. Und das gilt natürlich auch für die andere Richtung des Zeitstrahls: Die Top-Berufe von morgen gibt es heute noch gar nicht. Man sollte sich also nicht fragen, welchen Job man mal ergreifen will, sondern welches Problem man lösen will. Das verändert den Blickwinkel – allen voran in Richtung Zukunft.
t3n.de: Herr Kühmayer, vielen Dank für das Gespräch.