Kulturwandel 4.0: Florian Hermsdorf gibt Einblicke in die Digitalisierung bei der Otto Group

(Bild: Otto Group)
t3n.de: Herr Hermsdorf, Sie sind Head of Innovation Management bei der Otto Group. Was kann man sich darunter vorstellen und womit haben Sie sich davor beschäftigt?
Florian Hermsdorf: Ich beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren mit E-Commerce-Technologien und neuen digitalen Geschäftsmodellen. In diesem Zusammenhang habe ich unter anderem an der Gründung mehrerer E-Commerce-Startups der Otto Group mitgearbeitet und die Mobile-First-Strategie der Otto Group entwickelt.
Als Leiter des konzernweiten Innovation-Managements identifiziere ich mit meinem Team Technologien, die für unsere E-Commerce-, Finanz-und Logistikaktivitäten unmittelbar relevant sind oder es in den nächsten drei bis fünf Jahren werden könnten. Wir beurteilen das jeweilige Potenzial für die Unternehmen der Otto Group und setzen die vielversprechendsten Technologien als Proof Of Concept oder Minimum-Viable-Product um. Das bedeutet, wir reduzieren im ersten Schritt die Umsetzung auf die minimalen Funktionen und versuchen dabei trotzdem, den gewünschten Mehrwert weitestmöglich zu erreichen. So generieren wir einen hohen Wissensstand zu Technologien, um diese dann gruppenweit auszurollen.

Digitalisierung bei der Otto Group bedeutet unter anderem, einen hohen Wissensstand zu neuen Technologien zu generieren. (Bild: Otto Group)
t3n.de: Was verstehen Sie persönlich unter „Digitale Transformation“?
Florian Hermsdorf: Für mich geht mit der digitalen Transformation insbesondere die Verankerung digitaler Denkweisen in allen Unternehmensbereichen einher. Dies muss anschließend in einer selbstverständlichen Nutzung von neuen digitalen Technologien in allen Prozessen münden, um letztendlich bestehende Business-Abläufe zu verbessern oder neue Geschäftsbereiche erschließen zu können.
t3n.de: Wie gestaltet sich das bei der Otto Group?
Florian Hermsdorf: Durch unsere Arbeit zeigen wir konkret Potenziale auf, die durch den Einsatz der neuen Technologien erschlossen werden können, und bringen sie auch sehr pragmatisch in die Umsetzung. Unser Anspruch ist es darüber hinaus, Verständnis und Begeisterung für technologische Innovationen bei den Mitarbeitern im Konzern zu entfachen, indem wir regelmäßig in leicht verständlicher Form über die neuesten Entwicklungen informieren.
Grundvoraussetzungen für die digitale Welt, wie „Fail Fast“-Mentalität und agile Umsetzung, konnte die Otto Group bereits an vielen Stellen etablieren. Allen voran ist aber die Kommunikation schneller geworden. Sie erfolgt zunehmend über Bereiche und Hierarchien hinweg und ist deutlich einfacher und transparenter als früher. Das sind Punkte, die wir stark fördern, da sie auch unsere Arbeit befeuern. Wir merken aber auch, dass dieser Wandel bei den Mitarbeitern noch stärker die Fähigkeit erfordert, die relevanten Informationen für sich zu priorisieren und effektiv für ihre tägliche Arbeit zu nutzen.
t3n.de: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur aus?
Florian Hermsdorf: Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Unternehmenskultur ändert sich im Rahmen unseres Kulturwandels 4.0 gerade rasant und in eine sehr positive Richtung. Damit einher geht ein ganz anderes Selbstverständnis der Mitarbeiter als zuvor. Wir sehen uns als Teil eines starken Unternehmensverbunds und wollen die digitale Transformation aktiv mitgestalten. Genau dabei hilft der Kulturwandel 4.0 enorm.
t3n.de: Welche Rolle spielen Tools und Anwendungen für die Zusammenarbeit?
Florian Hermsdorf: Mit rund 50.000 Mitarbeitern, die in mehr als 120 Unternehmen weltweit tätig sind, hat die Otto Group eine hervorragende Basis, um innovative Ideen zu generieren, neue Konzepte zu challengen und diese anschließend in die Umsetzung zu bringen. Entsprechend sind „Collaboration Tools“ für uns eine wichtige Basis, um dieses Wissenspotenzial überhaupt heben und nutzen zu können. Nach wie vor sind es aber die Mitarbeiter, die diese Tools zum Leben erwecken, indem sie sich aktiv zu Themen austauschen und Erkenntnisse teilen.
t3n.de: Welche zu lösenden Probleme haben sich in der Otto Group aus der Digitalisierung ergeben?
Florian Hermsdorf: Die Herausforderung in einem solchen Prozess ist immer, wie man das gewählte Zielbild möglichst schnell erreicht und gleichzeitig möglichst gut alle Mitarbeiter mitnimmt. Wir glauben, dass uns dies mit dem aktuell stattfindenden Kulturwandel gut gelingt.
t3n.de: Und wie stellen Sie sicher, dass Sie alle Mitarbeiter mitnehmen?
Florian Hermsdorf: Besonders entscheidend: Wir kommunizieren offen, umfassend und transparent. Jeder Mitarbeiter kann im Rahmen unserer so genannten Workstreams als integraler Bestandteil des Kulturwandels 4.0 Probleme und Herausforderungen deutlich ansprechen. Wir erarbeiten gemeinsam Lösungen, über alle Hierarchiegrenzen hinweg.

Transparente Kommunikation ist laut Florian Hermsdorf für die Digitalisierung. (Bild: Otto Group)
t3n.de: Können deutsche Unternehmen von anderen Ländern lernen, wenn es darum geht, die digitale Transformation schneller voran zu treiben?
Florian Hermsdorf: Die Otto Group ist die Herausforderungen der digitalen Transformation sehr früh und sehr engagiert angegangen. Nicht zuletzt sind wir der letzte große Versandhändler in Deutschland, der den Schritt hin zu einem erfolgreichen E-Commerce-Retailer tatsächlich gemeistert hat. Als Otto Group beobachten wir laufend den Markt, lernen viel und entwickeln uns ständig weiter.
Hier hilft uns nicht zuletzt die enge Verzahnung mit der internationalen Startup-Szene, vor allem über unsere beiden Ankerinvestitionen im Venture-Bereich, Project A und E-Ventures. Ich kann den Vorwurf an die deutsche Wirtschaft teilweise nachvollziehen, glaube aber nicht daran, dass es das eine Unternehmen oder das eine Land als Vorbild für gute Digitalisierung gibt.
Generell sollten wir in Deutschland noch stärker Agilität leben und damit einhergehend Zwischenstände früh challengen. Denn ein zum falschen Zeitpunkt gewählter Perfektionsanspruch führt gerade in der schnellen digitalen Welt zu verfehlten Kundenbedürfnissen. Aus meiner Erfahrung zahlen sich wesentlich mehr Risikobereitschaft und Mut in der Entwicklung eines Produktes oder Service immer aus.
t3n.de: Danke für das Interview!
Herr Hermsdorf hat es nicht durchdacht, und der Interviewer hat den wichtigsten Punkt übersehen: Digitale Transformation geschieht vor allem zur Kostensenkung durch Rationalisierungen. Die Mitarbeiter werden eher wenig Begeisterung und Verständnis dafür haben, wegrationalisiert zu werden. Viele solcher Hermsdorfs sorgen dafür, dass den Untenehmen langfristig die Kunden ausgehen. Dann stehen seine Nachfolger da und wundern sich, dass die Umsätze sinken. Man kommt also um Konzepte wie das Bandbreitenmodell und das Steuerspar-BGE überhaupt nicht herum.