E-Technologie löst viele Probleme – wenn man den Blickwinkel ändert
Für welches Problem ist die Elektrotechnologie eigentlich die Lösung? Batterien sind teuer, die Reichweite von E-Autos zumindest psychologisch begrenzt, das Laden ist umständlich und für Menschen aus dem fünften Stock im Altbau einer Stadtwohnung sogar richtig nervig. Welches Problem löst diese Technologie, die so viele Probleme macht? Eine ganze Menge – wenn man den Blickwinkel ändert.
Das Auto ist eine wunderbar einfache Idee. Ein Käfig aus Metall, der eine bis vier Personen (oder mehr) auf 200 Kilometer pro Stunde (oder mehr) beschleunigen kann. Das Auto versprach, den Menschen überall hinzubringen, auch wenn das in 90 Prozent der Fälle nur zur Arbeit oder zum Supermarkt bedeutet. Die Idee war so stark, dass heute jeder in einem Käfig aus Metall sitzt und seine Wege erledigt – was die eigentlichen Probleme verursacht, die Elektrotechnik heute löst.
Kurze Strecken, umweltfreundlich
Stau, Smog, hässliches Stadtbild – so einfach die Idee des Autos ist, so leidvoll ist die Folge, dass jeder eins haben will. Wir leben in einer autodominanten Stadtlogik und viele Menschen beginnen, sich zu fragen, warum alles in ihrer Umwelt darauf ausgelegt ist, möglichst asphaltiert und mit genug Parkplätzen ausgestattet zu sein. Die Elektrotechnologie ändert nichts an diesem Bild, wenn der Diesel durch ein E-Auto ersetzt wird.
Aber wird er das? Ersetzt eine neue Technologie einfach die alte? Oder wird aufgrund der neuen Technologie nicht vielmehr das zugrunde liegende Problem auf neue Art gelöst? Der PC wurde nicht durch einen besseren PC ersetzt, sondern durch das Smartphone, was völlig neue Dinge möglich macht. Ein Dieselmotor wird nicht durch einen besseren Antrieb ersetzt. Die Gefahr für Autos ist nicht ein besseres Auto, sondern ein besseres Konzept. Die Elektrotechnologie ermöglicht es, 90 Prozent der Wege heute anders zurückzulegen und zwar in explodierendem Maße auf einem Fahrrad, genauer auf einem E-Bike oder E-Scooter.
Ein elektrischer Antrieb im Auto bringt noch viele Probleme, ein elektrischer Antrieb im Fahrrad bringt Spaß. E-Bikes erweitern den Radius des Möglichen für ihre Fahrer deutlich und erlauben ganz neue Anwendungsfälle. E-Bikes stehlen immer mehr Anteile am individuellen Mobilitätsmix. Die Kids zur Schule zu fahren, ist mit einem Lastenfahrrad mit E-Antrieb plötzlich ziemlich einfach, den Wald am Wochenende erreicht man nun auch ohne Auto und die tägliche Fahrt zum Einkaufen ist selbst mit schweren Tüten nicht mehr nur im Auto zu leisten. Und das Auto bleibt immer öfter stehen, bis es zur Frage kommt, warum man es überhaupt noch braucht.
Einfache Idee, einfacher Antrieb
Das einzig Komplizierte am Auto war der Antrieb. Komplexität vor allem in der Antriebstechnologie wurde über die Jahre zum Burggraben, der die deutsche Autoindustrie immer effektiver von der Konkurrenz abschirmte. Ein Ring aus nanomillimetergenauer Steuerung von Verbrennungsmotoren, Acht-Stufen Automatikgetrieben und unüberwindbar für die Konkurrenz aus Frankreich, England, den USA oder Japan. Die Elektrotechnik trocknete diesen Burggraben mit einem Schlag aus.
E-Technologie ist Schlüsseltechnologie, aber eben nicht nur in Sachen Umweltschutz. Die extreme Vereinfachung des komplizierten Produkts „Automobil“ durch die Elektrotechnik erschließt die Möglichkeit, bestehende Baulogiken neu zu denken. In seiner extremsten Form macht die Elektrotechnik aus Fahrrädern die besseren Autos (außer im Regen). Aber der Weg geht auch in die andere Richtung: Durch die extreme Vereinfachung werden ganz neue Baulogiken möglich. Bei VW zum Beispiel mit dem ID Buggy Fun. Neue Hersteller drängen auf den Markt, die eine bestimmte Zielgruppe mit einem bestimmten Modell erreichen wollen – Rivian aus den USA mit seinem R1T, einem SUV für Silicon Valley Millionäre. Ein bisschen findet die einfache Idee des Autos seinen Zwilling in der einfachen Art des Elektroantriebs.
Nichts zu lachen!
In der Theorie der „IT-relevanten Fertigungsindustrie“ beschreibt die Stan Shih Smile Curve die Veränderung der Wertschöpfung in den verschiedenen Phasen der Markteinführung eines Produkts. Das Modell stammt von dem Gründer von Acer, Stan Shih. Seiner Beobachtung nach verfügen die beiden Enden der Wertschöpfungskette – Konzeption/R&D und Marketing – in der Computerindustrie über eine höhere Wertschöpfung des Produkts als der mittlere Teil der Wertschöpfungskette – die Fertigung an sich. Wird dieses Phänomen in einem Diagramm mit einer Y-Achse für den „Wert der Wertschöpfung“ und einer X-Achse für die Produktionsstufe (Zeitachse) dargestellt, sieht die resultierende Kurve wie ein Lächeln aus. Ein Lächeln, bei dem man als Unternehmen lieber in den Mundwinkeln verortet ist.
Die vereinfachte Fertigungslogik durch E-Autos zusammen mit den zahlreichen IT-Innovationen der Autoindustrie von autonomem Fahren über Onboard-Services bis hin zu location-gestützten Ride-Sharing-Netzwerken machte aus der Autoindustrie längst eine wie oben beschriebene „IT-relevante Fertigungsindustrie“. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die eigentliche Produktion des Autos, Herz, Seele, vor allem Hände der deutschen Autoindustrie, massiv an Wert verliert. Die Stan Shih Smile Curve für den Automobilbereich sieht dann wie folgt aus: Auf der Konzeptionsseite haben wir Hochtechnologieanbieter wie Waymo, die Module für das autonome Fahren bauen. Auf der anderen Seite des Lächelns das Vermarktungs- und Modernismus-Narrativ à la Tesla und den Zugang zum Kunden wie ihn die Ride-Sharing Netzwerke haben. In der Mitte finden wir die Autohersteller selbst:
Am Ende hat der Hersteller gut lachen, der entweder auf der einen oder der anderen Seite der Kurve zu finden ist. Der elektrische VW Buggy zum Beispiel. Ganz sicher werden Menschen ihn kaufen, aber in Anwendung der Smile-Logik wäre das wirklich wichtige Asset, dass er auf einem bestimmten Zielgruppen-Need aufbaut, weil VW genau weiß, welche Leute dieses Auto wollen und – noch wichtiger – dass der E-Buggy entsprechend vermarktet wird. Zum Beispiel in einem Ride-Sharing-Netzwerk, das für bestimmte Anlässe wie Kurzzeitmiete übers Wochenende konzipiert wird.
Der Effekt, wenn Anbieter sich darauf konzentrieren, konkrete Probleme zu lösen, ist, dass es nicht mehr wichtig ist, Autos zu besitzen, sondern Zugang zu ihnen zu bekommen, dann wenn sie gebraucht werden – nämlich kurzfristig an sonnigen Wochenenden. Für den Rest umkurvt man mit seinem E-Bike einfach den Stau auf dem Weg zur Arbeit.
Mal konkret: Wir haben einen Hund und Kinder. Jetzt benötige ich kurzfristig ein Auto mit Hundebox und zwei Kindersitzen. Steht dies in meiner unmittelbaren Umgebung bereit und ich kann es nutzen, wenn ich es benötige? Jetzt ist der Hund voller Matsch, da es draußen regnete. Ich finde und nutze für 1 Stunde ein Auto inkl. Hundebox. Nun ist diese dreckig und verschmutzt. Ich kann das Sharing-Car nicht so hinterlassen und muss es noch irgendwie und irgendwo putzen. Das kostet enorm Zeit und beim eigenen Auto würde ich das Putzen einfach vertagen… Dieses Beispiel ist nicht konstruiert, sondern der Alltag viele Meschen mit Kindern und zB. Hunden. Aber gerade um diese Fälle geht es doch und nicht um jemanden, der in der Großstadt wohnt und innerhalb von paar Minuten die Öffentlichen zur Verfügung hat.
Ja, sehr richtig. Ich selbst wohne auf dem Land und habe einen vier Personen Haushalt.
Da ich viel im Home Office arbeite, kommen wir mit einem Auto klar. ergänzt wird es durch ein Lastenrad mit E-Antrieb. Die Idee für Car Sharing interessiert mich sehr. Genau die angesprochenen Probleme von Benjamin halten mich davon ab. Wir haben zwar keinen Hund. Zwei Kindersitze und natürlich eine ggf. erforderliche Reinigung des Fahrzeugs machen es kompliziert.
Wer hat Erfahrungen und Tipps wie es klappen kann?
Gibt es evtl. kleien Netzwerke von denen man lernen kann?