
„Obwohl sie Ärzten und Patienten versicherten, dass Theranos genaue, schnelle, zuverlässige und billige Bluttests und -ergebnisse liefern könne, wussten Holmes und Balwani, dass die Technologie von Theranos in Wirklichkeit nicht in der Lage war, durchgängig genaue und zuverlässige Ergebnisse für bestimmte Bluttests zu liefern“, heißt es in der Anklageschrift gegen Elizabeth Holmes und ihren ehemaligen Topmanager Ramesh Balwani.
Ein Startup aus dem Silicon Valley, das Bluttests revolutionieren wollte – und sich jetzt mit massiven Betrugsvorwürfen konfrontiert sieht.
Elizabeth Holmes im Betrugsprozess: „Ich wünschte, ich hätte es anders gemacht“
Im August hatte der Prozess gegen Holmes nach einer Verschiebung begonnen, nun hat die Gründerin ausgesagt. Konkretes Thema am dritten Tage ihrer Befragung waren dabei unter anderem Laborberichte, die einst an die Theranos-Investor:innen gingen. Die Berichte waren von Theranos erstellt worden, wurden dann aber um Logos der Pharma-Unternehmen Schering-Plough und Pfizer ergänzt und verschickt. Der Vorwurf vonseiten der Investor:innen: Durch die Logos habe man geglaubt, die Berichte seien von den Pharma-Profis erstellt worden statt von Theranos selbst.

Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes. (Foto: dpa)
Verantwortlich für den erweckten Anschein war Elizabeth Holmes höchstpersönlich. „Diese Arbeit wurde in Partnerschaft mit diesen Unternehmen durchgeführt, und ich habe versucht, dies zu vermitteln“, so die Gründerin, die im Prozess zugibt, die Logos ergänzt zu haben. Sie habe niemanden täuschen wollen, so die heute 37-Jährige. „Ich wünschte, ich hätte es anders gemacht“.
Doch nicht nur in der optischen Darstellung waren die Berichte verändert worden, auch inhaltlich unterscheidet sich das Memo, das zunächst Schering-Plough vorgelegen hatte, von dem, das später an die Apothekenkette Walgreens ging. Aus „genaue(n) und präzise(n)“ Ergebnissen wurden „genauere und präzisere Ergebnisse […] als die derzeitigen ‚Goldstandard‘-Referenzmethoden“, zitiert The Verge.
Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes: Zu diesen Themen bezieht sie Stellung
Bezüglich der Problematiken, die im klinischen Labor aufgetreten waren, verweist Holmes auf Laborleiter Adam Rosendorff, Vizepräsident Daniel Young und ihren Finanzchef und Ex-Partner Ramesh Balwani. Sie selbst habe niemanden unter Druck gesetzt, weder für eine zeitnahe Genehmigung von Tests noch bei den Unterschriften von Laborberichten. Rosendorffs Bedenken bezüglich der Zeitplanung habe sie damit beantwortet, „dass wir alles tun werden, was nötig ist, um ihm die Zeit zu geben, die er braucht, um die Tests ordnungsgemäß durchzuführen“.
Ähnlich wie bei den klinischen Aspekten wirkt die Strategie von Holmes auch bei anderen Punkten wie dem Umgang mit Mitarbeiter:innen, der Platzierung von PR-Material oder der langsamen Einführung der Tests bei Walgreens: Die Gründerin weist die Schuld an Problemen und das Wissen über dieselben überwiegend anderen zu. Irreführende Finanzprognosen seien von Balwani gekommen, Holmes habe die Modelle nur genutzt; fragwürdiges Marketingmaterial sei ein Werk der Firma Chiat Day gewesen, die schon für Apple Werbung produzierte; der gescheiterte Versuch, beim Einzelhändler Safeway Fuß zu fassen, sei bedingt gewesen durch einen Wechsel der Geschäftsführung.
Die Gründerin selbst habe bei Theranos keine bewusste Täuschung vollführt, so das alles überschreibende Statement. Holmes, die selbst keine Wissenschaftlerin ist, sondern für die Unternehmensgründung ihr Studium an der Universität Stanford abgebrochen hatte, habe lediglich das an Außenstehende weitergegeben, was sie auf Basis der Aussagen anderer für die Wahrheit hielt.
Die Anklage sieht das anders – und fordert hohe Haftstrafen. Holmes Verteidigung wird laut Gerichtsplänen noch bis Mitte Dezember präsentieren, im Januar 2022 startet dann auch der Prozess gegen Ramesh Balwani.