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MIT Technology Review News

Schutz vor Naturkatastrophen: Was Bauingenieure von der Eidechse gelernt haben

Eidechsen verlieren bei Gefahr einen Teil ihres Schwanzes. Diesen Mechanismus hat ein spanisches Team kopiert. Beim Bau von Gebäuden sollen Sollbruchstellen eingeplant werden. In Zeiten von zunehmenden Naturkatastrophen wie Erdbeben könnten so Menschenleben gerettet werden.

Von Martin Kölling
3 Min.
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Beim Modelltest mit simuliertem Erdbeben brechen nur bestimmte Bereiche des Gebäudes weg. (Screenshot: Giacomo Caredda, Lorenzo Marín-Vilches, Diego Cetina und Geovanny Sempertegui)

Die Wissenschaftler der spanischen Polytechnischen Universität in Valencia leiten ihre neue Idee über resilientes Bauen per Schockstrategie ein. „Zwischen 2000 und 2019 haben Katastrophen schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in Höhe von 2,97 Billionen US-Dollar verursacht und etwa 1,23 Millionen Menschenleben gefordert“, lautet der erste Satz ihrer Studie. Die Schäden wollen sie mit einem innovativen Ansatz im Gebäudedesign verringern.

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Die Idee der Forscher nennt sich hierarchiebasierte Kollapsisolierung. Das bedeutet: Eingebaute Sollbruchstellen sollen bei extremen Ereignissen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Erdrutschen oder Explosionen einen Teil eines Gebäudes kontrolliert einstürzen lassen und damit den totalen Kollaps verhindern.

Eidechsen und Gebäudedesign

Die hierarchiebasierte Kollapsisolierung ist von einem natürlichen Phänomen inspiriert: So würden einige Eidechsen ihren Schwanz verlieren, um Raubtieren zu entkommen, schreiben die Autoren. Übertragen auf die Architektur wollen die Experten ein Problem beim aktuellen Gebäudedesign lösen.

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Die traditionelle Bauweise setzt auf starke Verbindungen zwischen allen Teilen eines Gebäudes, um Lasten gleichmäßig zu verteilen. Dies kann dazu führen, dass ganze Gebäude einstürzen, wenn ein Teil versagt, erklären die Autoren.

Stattdessen schlagen sie vor, einen festgelegten Gebäudebereich auf weniger robuste Pfeiler zu stellen. Außerdem sollen die Verbindungen zum erhaltenswerteren Teil der Struktur ebenfalls weniger stark als im Rest des Gebäudes ausfallen. Damit wollen die Forscher erreichen, dass der Einsturz an einer Ecke nicht gleich das ganze Gebäude mit sich zieht.

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Die Forscher beließen es nicht bei der Idee, sondern testeten sie lebensgroß an einem eigens errichteten Gebäude (hier zum Video). Dabei simulierten sie sowohl ein kleines als auch ein großes strukturelles Versagen. In ihrer Analyse kommen sie zu dem Schluss, dass ihr Design den Einsturz effektiv auf den vorgesehenen Bereich begrenzen konnte.

Erdbebenerfahrenes Japan

Die Idee ist in Japan, einem der seismisch aktivsten Länder der Welt, nicht ganz unvertraut. Anstatt Gebäude um jeden Preis gegen auch die stärksten Erdbeben vollständig zu schützen, werden Schäden in Kauf genommen. Aber die Idee eines gezielten Teilkollapses, bei dem immer noch viele Menschen sterben könnten, gibt es in Japan noch nicht. Die Gebäude sollen wenigstens das erste Beben als Ganzes überstehen, damit sich die Bewohner retten können.

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Bei Hochhäusern, aber auch bei risikobewussten Häuslebauern werden dazu heutzutage oft mehrere Ansätze kombiniert. Basisisolierungssysteme verwenden Stoßdämpfer, die das Gebäude vom Boden entkoppeln und so die Energieübertragung vom Boden auf die Struktur reduzieren.

Dazu kommen Dämpfungssysteme im Fundament und in der Struktur, um seismische Energie zu absorbieren und zu verteilen. Dies reduziert Schwingungen und damit die Gefahr eines Gebäudekollapses. Flexible Strukturen sorgen zusätzlich dafür, dass Gebäude während starker Bodenbewegungen sicher schwingen können.

Die Wahl der Methoden hängt womöglich von der geologischen Lage der Gebäude und der finanziellen Situation der Bauherren ab. Der japanische Ansatz ist für Erdbeben optimiert und durch seinen Einsatz von Hightech wie Basisisolatoren und Dämpfern kostspielig und technisch anspruchsvoll.

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Im Gegensatz dazu akzeptiert der hierarchiebasierte Ansatz, dass einige Schäden unvermeidlich sind. Stattdessen versucht er, durch strukturelle Änderungen im Bau die Auswirkungen eines Einsturzes zu begrenzen. Dies könnte besonders nützlich sein, um die Resilienz von Gebäuden in Regionen mit geringerer seismischer Aktivität kosteneffizient zu verbessern, wo die komplexe japanische Technologie nicht unbedingt erforderlich ist.

 

Mehr über den Schutz vor und die Erforschung von Naturkatastrophen wie Erdbeben gibt es in der neuen Ausgabe von MIT Technology Review zu lesen. Das neue Heft 4/2024 erscheint am 17. Mai im gut sortierten Zeitschriftenhandel und ist schon ab dem 16. Mai im Heise-Shop bequem bestellbar (als Print- oder PDF-Version).
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