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Ratgeber

Wir sind erschöpft – das Thema gehört auf jeden Schreibtisch

Die vergangenen Jahre waren hart. Der nächste Winter wird härter. Die Generation Burn-out erlebt demnächst ihren nächsten Tiefpunkt. Und dieses Mal sollten wir ihn nicht verstecken.

Von Isabell Prophet
4 Min.
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(Foto: Pheelings Media/Shutterstock)

Das ganze Leben ist gerade ein bisschen viel. Und es wird Zeit, dass wir uns auch beruflich darauf einstellen, dass es Menschen nicht immer gut geht. Die psychische Gesundheit ist deshalb ein Fall für die Firma. Das hören einige Menschen ungern, es lässt sich aber einfach begründen: Mehr als die Hälfte der Wachzeit eines Tages verbringen Menschen mit Arbeit.

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Wer psychisch belastet ist, wird es deshalb schwer haben, dies in seiner Freizeit auszuleben. Auch wenn einige Nichtbetroffene das sicherlich gern so hätten. Die Psyche aus der Firma herauszuhalten ist unrealistisch – und fahrlässig.

Psychische Erkrankungen hatten schon im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht – und diese Statistiken berücksichtigen nur die Menschen, die tatsächlich krankgeschrieben wurden. Die Zahlen stammen von der DAK:

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  • Auf 100 Beschäftigte kamen 276 Fehltage aufgrund psychischer Krankheiten. An dieser Zahl sehen wir, wie viel Arbeitskraft verloren geht.
  • Wer krankgeschrieben wurde, der fehlte im Schnitt 40 Tage. An dieser Zahl sehen wir, dass für Fachkräfte und Menschen mit Spezialwissen die Fallhöhe ausgesprochen groß ist. Fehlen sie, dann fehlen sie richtig.

Hört auf, die seelische Gesundheit als Privatsache abzutun

Die Ursachen für psychische Erkrankungen sind vielfältig. In den Zahlen der DAK sind Depressionen sowie Angst- und Anpassungsstörungen die häufigsten Auslöser, besonders stark gilt dies bei Frauen. Bei Männern kommen Drogen- und Alkoholkonsum noch dazu.

Probleme wie diese sind kein Privatvergnügen. Sie wirken sich auf die Arbeit aus – und ihre Ursachen können in Verbindung mit dem Arbeitsleben stehen. In einer Zeit, in der sich Menschen in ihren Linkedin-Profilen noch immer mit Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit rühmen, gibt man so etwas eher ungern zu.

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Wir können die Risikofaktoren des Portals „Neurologen und Psychiater im Netz“ als Checkliste für psychische Belastungen am Arbeitsplatz benutzen:

  • Arbeitsinhalt: Was Menschen tun, kann sie belasten.
  • Arbeitsorganisation: Chaos, Planungsfehler oder Druck können Stress verursachen.
  • Soziale Beziehungen: Mobbing ist als Faktor bekannt. Aber auch subtilere Beziehungsaspekte können belasten.
  • Arbeitsumgebung: Ist sie laut? Fehlen Rückzugsräume?
  • Rahmenbedingungen: Wie weit ist der Arbeitsweg? Wie anstrengend? Ist der Job unsicher?

Keinen Job zu haben ist ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen. Arbeit selbst ist aber auch einer.

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Was wir tun können

All diese Faktoren mögen beherrschbar wirken. Aber sie treten nicht isoliert auf. Und sie werden uns nach mehr als zwei intensiven Jahren hart treffen. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass die Arbeitswelt davon beeinträchtigt wird. Genau jetzt ist also der richtige Zeitpunkt, das Thema präsenter in den Unternehmen zu machen.

Ich habe Ulrike Bossmann gefragt, was Firmen tun können. Bossmann ist Psychologin, Expertin für Resilienz, Burn-out-Prophylaxe und positive Psychologie und berät unter anderem Führungskräfte. Ihre Tipps für Vorgesetzte:

  1. Mit gutem Beispiel vorangehen: „Führungskräfte sind das stärkste Gewürz in der Teamsuppe. Erleben Mitarbeitende, dass der Chef pünktlich Feierabend macht, die Mittagspause nimmt, Absprachen trifft oder Aufgaben priorisiert, schafft das eine Kultur, in der auch Mitarbeitende für sich sorgen können.“
  2. Weiterbilden: „Viele Führungskräfte wollen helfen, wissen aber nicht, wie.“ Hier helfen Fortbildungen zu den Warnsignalen psychischer Belastungen.
  3. Wertschätzung zeigen: „Führungskräfteverhalten kann Stressfaktor sein oder Ressource“, sagt Bossmann. Das Risiko eines Burn-outs reduziert, wer lobt, sich Zeit nimmt, eigene Fehler zugibt und auf die Ideen der Mitarbeitenden eingeht.
  4. Das Gespräch suchen: „Über Corona und den Beinbruch im Skiurlaub kann man sprechen, über psychische Beanspruchung oder gar psychische Erkrankungen eher nicht“, sagt Bossmann. Und das sei ganz natürlich: „Wer spricht schon gern darüber, belastet zu sein, wenn man Gefahr läuft, aufs Abstellgleis zu geraten oder gar um den Job fürchten zu müssen?“ Deshalb würden die Gespräche oft erst geführt, wenn die Mitarbeitenden die Grenze ihrer Belastbarkeit überschritten haben. Ein Faktor sei es, dass Führungskräfte unsicher bei der Gesprächsführung seien. Oft reiche es aber, nachzufragen und zuzuhören.
  5. Gefährdungsbeurteilung ernst nehmen: Viele Menschen wissen gar nicht, dass es eine gesetzliche Pflicht zur psychischen Gefährdungsbeurteilung gibt. „Viele Betriebe setzen sie halbherzig um“, sagt Bossmann. „Dabei sind sie ein Mittel, zentrale Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren zu ermitteln und gezielt zu beheben.“

Der perfekte Moment für einen Kulturwandel

Mit Corona, mit einem Krieg in Europas Osten und einem Winter vor uns, der alle Menschen mindestens finanziell stark fordern wird, ist jetzt der beste Zeitpunkt, darüber zu sprechen, dass Menschen Sorgen haben. Und dass diese Sorgen manchmal so groß sind, dass sie psychisch belasten und sich damit auf die Arbeit auswirken.

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Hinzu kommen all die Belastungen, die wir schon kennen und die wir zu erwarten haben: Kinder, Pflege, Ärger in der Partnerschaft, Einsamkeit, finanzielle Sorgen und – na ja, wir denken zwar, eine Inzidenz von 600 bis 700 bei Corona sei irgendwie moderat, aber erstens stimmt das nicht und zweitens ist bald wieder Herbst. Da kommt also noch was.

Das sind alles keine peinlichen Privatprobleme. Das sind Dinge, die uns alle etwas angehen und die jede:n betreffen. Deshalb ist jetzt der perfekte Moment, die seelische Gesundheit in Unternehmen und Teams präsenter zu machen. Stellen wir uns eine Kultur vor, in der es völlig normal ist, darüber zu sprechen, dass die Sorgen gerade die Konzentration erschweren.

Stellen wir uns vor, Menschen könnten Symptome psychischer Belastungen erkennen und frühzeitig selbst aktiv werden. Stellen wir uns vor, man könnte die Belastung auskurieren – und nicht das Burn-out, wenn es zu spät ist. Wie gut wir in so einer Welt leben könnten. Und wie gut wir darin arbeiten könnten. Das ist die Chance, die wir gerade haben. Sie zu ergreifen ist das beste Mittel, auch diesen Winter zu überstehen.

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Kommentare (1)

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Titus von Unhold

„Wir können die Risikofaktoren des Portals „Neurologen und Psychiater im Netz“ als Checkliste für psychische Belastungen am Arbeitsplatz benutzen:“

Kann man aber auch sein lassen. ^^ Und statt dessen die umfangreichste und praxisnahste Informationssamlung nutzen die es im Bereich Arbeitsschutz gibt:

https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeit-und-Gesundheit/Psychische-Gesundheit/_functions/BereichsPublikationssuche_Formular.html

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